Von der NATO zum nuklearen Gleichgewicht
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Der General mit dem Knall - Die geheimen Pläne des Lyman Louis Lemnitzer - Teil 5
Nachdem es in Dallas geknallt hatte, ließ es das US-Militär nicht im Osten, sondern in Südost-Asien krachen. Als NATO-Chef bekämpfte Lemnitzer den Kommunismus auch in Westeuropa. Auch nach seinem aktiven Militärdienst gestaltete der Stratege in einflussreichen Zirkeln die Außenpolitik mit. In der Rockefeller-Kommission durfte er die CIA vom Verdacht des Präsidentenmords freisprechen.
Teil 4: Lie-Man Lemnitzer
Dass in absehbarer Zeit ein Krieg in Europa bevorstand, das war für die Militärs Anfang der 1960er Jahre eine ausgemachte Sache gewesen. General LeMay hatte sogar auf einer Party einmal empfohlen, innerhalb eines Jahres aufs Land zu ziehen, da dort keine Atomangriffe zu erwarten seien. General Lemnitzers Vorschlag eines militärisch vorteilhaften Überraschungs-Erstschlags für Dezember 1963 hatte Präsident Kennedy abgelehnt, während der Kubakrise gekniffen und nun im Gegenteil sogar begonnen, durch Abrüstungsverhandlungen sein Land zu schwächen und Vietnam dem Kommunismus anheim fallen zu lassen.
Lemnitzer, er seit dem 1.Januar 1963 als NATO-Oberkommandant und gleichzeitig Oberbefehlshaber über die in Europa stationierten US-Streitkräfte von Paris aus die Vorbereitungen auf den großen Krieg betreute, hatte angesichts von Kennedys Abrüstungspolitik gerade einmal die Aussicht, bis zum Ruhestand Paraden abzunehmen. Und abzuwarten, bis der Russe, der inzwischen beträchtliche Gegenschlagskapazität aufgebaut hatte, seinerseits den Westen überraschte. Wie Kommunisten halt so sind.
Obwohl Kennedy Anfang 1963 öffentlich militante Aktionen der Exilkubaner als kontraproduktiv verurteilte, wurden die Mongoose-Pläne heimlich fortgesetzt. Im Hafen von Havanna versenkten Geheimdienstler sogar ein russisches Schiff. Der erzkonservative Kandidat der Republikanischen Partei, Barry Goldwater, versprach im Wahlkampf, das Kuba-Problem militärisch zu lösen - eine damals in den USA durchaus populäre Option.
Angriff ist die beste Verteidigung
In einem Atomkrieg hatte man nur eine Chance, wenn man als erster den Gegner entschlossen vernichtete, um einen Gegenschlag auszuschließen. Zivilisten wollten das einfach nicht begreifen. Was also fehlte, war ein politisches Ereignis, das in einen Krieg kulminieren könnte, wie es Lemnitzer und alle Mitglieder des Vereinigten Generalstabs (JCS) vorbehaltslos im Northwoods-Dokument unterschrieben hatten. Doch der Zivilist im Weißen Haus hatte nicht mitgespielt und Lemnitzer ähnlich abserviert, wie es 1951 Präsident Truman mit General MacArthur gemacht hatte, der ebenfalls den Atomkrieg gefordert hatte.
Ein brauchbarer Anlass, den man in der Propaganda als kommunistische Aggression hätte verwerten können, wäre ein ausländisches Attentat auf den Präsidenten gewesen, dessen Amt unabhängig vom Inhaber ein nationales Symbol darstellte. 1914 hatte der Mord an Erzherzog Franz Ferdinand in Sarajevo letztlich zum Ersten Weltkrieg geführt. Der Thronfolger war bei einem Autokonvoi im fahrenden Cabrio erschossen worden - von vorne.
Chicago, Tampa
Am 02.11. und am 18.11.1963 verhinderte der für den Personenschutz des Präsidenten zuständige Secrect Service in Chicago und in Tampa geplante Attentate, die bei Besuchen des Präsidenten mit der Distanzwaffe von Hochhäusern ausgeführt werden sollten. Diese (später auch der Warren-Kommission bekannten) Attentatspläne wurden der Öffentlichkeit gegenüber verschwiegen, die Akten des Secret Service vernichtet. Ein Militärgeheimdienstler sah sich am 20.11.1963 veranlasst, sich für die folgenden Tage ein denkbar überzeugendes Alibi zu verschaffen.
Wie u.a. David Talbot in "Brothers. The Hidden History of the Kennedys" (2007) hinweist, verfügten beide aus Exilkubanern im Mafia-Umfeld bestehenden Teams über jeweils einen "nützlichen Idioten": In Chicago hätte man den Ex-Marine Thomas Arthur Vallee mit (Anti-)Kuba-Verbindungen präsentieren können, während in Tampa Castro-Anhänger Gilberto Lopez die Richtung für einen Gegenschlag vorgegeben hätte.
Kennedy, der sich in den Augen der Militärs ständig als zu weich gegen den Kommunismus erwiesen hatte, hätte durch seinen Tod seinem Land einen letzten Dienst erwiesen und einen Anlass für einen Krieg mit Kuba geliefert. Doch die Verschwörer in Chicago und Tampa hatten sich jeweils erwischen lassen. In Dallas wartete jedoch ein dritter nützlicher Idiot auf seinen Einsatz - einer, der nicht nur Kuba-Verbindungen hatte, sondern auch solche zur Sowjetunion.
Dallas
Bei einem Autokonvoi durch das besonders Kennedy-feindliche Dallas am 22.November 1963 erhielten die Personenschützer des Secret Service die überraschende Anweisung, ihre Trittsteigen der Päsidentenlimousine zu verlassen und in einem anderen Fahrzeug zu folgen. Kurzfristig war die Route geändert worden und führte nun nicht nur an in drei Reihen drängenden Menschenmassen vorbei, sondern auch über die nahezu menschenleere Dealey-Plaza, wo sie einen überflüssigen Schlenker nahe eines Hügels nahm, der nicht nur das Fahrzeug wegen der Kurve zur Verlangsamung der Fahrt zwang, sondern auch die perfekte Position für das seltsam freie, nicht durch die Motorradeskorte behinderte Schußfeld bot.
Zwei Monate vorher war Staatspräsident Charles de Gaulle ins Visier von rechtsnationalen Generälen der "Organisation Armée Secrète (OAS)" geraten, deren Handlanger ein Kreuzfeuer wegen eines schlecht sichtbaren Signals zu spät eröffnet hatten. Als nun in Dallas ein Unbekannter trotz besten Wetters kurz einen weithin sichtbaren Regenschirm aufspannte, fielen Schüsse. Wie Robert Kennedy sofort von dem ihm vertrauten Sicherheitsberater Kenneth O'Donnell erfuhr, der im Folgefahrzeug gesessen hatte, war der Präsident ebenfalls ins Kreuzfeuer genommen worden. An die 50 Zeugen hatten am Grashügel Schüsse gehört, den Pulverdampf gesehen und gerochen sowie Männer mit einem Gewehr weglaufen sehen. Entgegen seinem Training beschleunigte der Fahrer die mit nur 10 Stundenkilometer erstaunlich langsame Präsidentenlimousine nicht nach dem ersten Schuss, sondern wartete ab, bis der Kopf getroffen wurde.