Von der NATO zum nuklearen Gleichgewicht

Seite 2: The whole Bay of Pigs-thing

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Nach dem Kennedy-Mord geschahen in Militärkreisen seltsame Dinge:

Die Leiche des Präsidenten, die im zivilen Parkland Krankenhaus in Dallas mit dem eindeutigen Ergebnis eines frontalen Schusses obduziert worden war, wurde überraschend in das Bethesda Marinehospital in Washington D.C. geflogen, wo man sie ohne gerichtliche Zuständigkeit und Anlass ein zweites Mal untersuchte - und das genaue Gegenteil notierte. Erstaunlicherweise will der leitende Militärarzt seine Originalnotizen über die Autopsie verbrannt haben.

Ceneral Curtis LeMay. Bild: U.S. Air Force

Der Navy-Arzt Paul O'Connor berichtete, General LeMay habe der Autopsie im Bethesda-Marinehospital mit einer Zigarre in der Hand spielend beigewohnt. Jahre später gab der General offiziell zu Protokoll, er habe nicht verstanden, warum Johnson nach seiner Machtübernahme die Kennedy-Leute nicht "wie Kakerlaken zertreten" habe, die sie gewesen seien.

Wie erst 1999 bekannt wurde, nahm auch der im Eigentum eines Bestattungsunternehmers aus Dallas stehende Transportsarg, mit dem Kennedy in das Marinehospital überführt worden war, ein militärisches Schicksal: Am 18.02.1966 wurde er von LeMays Air Force im Atlantik bei einer Wassertiefe von 2800 m abgeworfen.

Sowohl die Sowjets, als auch die USA versetzten ihre Streitkräfte nach dem Kennedy-Attentat sofort in Alarmbereitschaft. Die Piloten von LeMays stets in der Luft befindlicher Atombomberstaffel Strategic Air Command (SAC) suchten an diesem Tag dem Journalisten John Judge zufolge ihre Code-Bücher, die für einen Einsatzbefehl der Bombe erforderlich gewesen wären, vergeblich. Eine solche Manipulation in einem so sensiblen Bereich hätte schwerlich ohne Wissen oder Zutun des SAC-Chefs General LeMay geschehen können.

Regierung Johnson

Die Sowjets interpretierten das Kennedy-Attentat als ein politisches Verbrechen, das nicht zufällig in den Südstaaten begangen wurde, wo Kennedys Gegner Goldwater besonders starke Unterstützer hatte. Sie stellten sich darauf ein, dass ihnen das Verbrechen angelastet und zum Anlass für einen Krieg genommen würde.

Der neue Präsident Johnson befahl jedoch keinen Vergeltungsschlag. Er ließ seine Militärs auch eindeutig wissen, dass es nie eine Invasion auf Kuba geben werde. Und hielt den geerbten Atomkoffer geschlossen. Ebenso wenig riskierte Johnson einen Bürgerkrieg zwischen ultrarechten Rassisten und Schwarzen, bei denen Kennedy hohes Ansehen genoss. Die gespannte Situation konnte elegant entschärft werden, indem man der Öffentlichkeit eine Story bot, die niemanden eindeutig kompromittierte. Johnson verlor keine Zeit, Hoover anzuweisen, noch am selben Tag als Schuldigen einen verrückten Einzeltäter auszurufen, für dessen Tod beim ideologischen Gegner keine Rache genommen werden musste. Zwar vermochten die US-Behörden nie plausibel zu erklären, wie man praktisch ohne Ermittlungszeit auf Oswald gekommen war, warum dieser unter seltsamen Umständen in einem Kino festgenommenen wurde und weshalb von seinen Verhören nicht einmal Protokolle gefertigt wurden.

Oswald

Eine seiner ersten Gelegenheiten, beseitigt zu werden, versäumte Oswald kurz nach dem Attentat, als es bei einem mysteriösen Festnahmeversuch zu einem angeblichen Schusswechsel mit dem Streifenpolizist Tippit kam. Bei seiner Festnahme, die in einem Kino des der CIA und Nixon nahe stehenden Rüstungsunternehmers Howard Hughes erfolgte, gab sich Oswald alle Mühe, keinen Vorwand für Waffengebrauch zu liefern. Die Beseitigung besorgte schließlich der in Polizeikreisen verkehrende Mafioso Jack Ruby, der gemäß dem Mafiakodex Mordaufträge weder ablehnen, noch Fragen stellen durfte.

Ruby demonstrierte, wie typische Mafia-Morde aussehen: Plump, aus der Nähe, effizient. Im Gegensatz hierzu wurde das Kennedy-Attentat selbst mit der Distanzwaffe in einem Kreuzfeuer ausgeführt, was militärischer Planung entspricht.

Die offizielle Version wurde am 25.11.1963 im Katzenbach-Memo festgelegt. Da der Verdächtige bereits hingerichtet war, gab es keine juristische Untersuchung.

Der rechtsgerichtete General a.D. Edwin Walker, dessen Ansichten Kollege Lemnitzer als "interessant und nützlich" zu bezeichnen pflegte, kommentierte den Kennedy-Mord zwar als tragisch, nicht aber als überraschend. Später stellte sich heraus, dass Oswald auch den angeblichen Attentatsversuch auf Walker ausgeführt haben soll. Wie Lemnitzer auf den Tod des ihm verhassten Kennedy reagierte, dem er vergeblich angetragen hatte, durch einen überraschenden Atomkrieg wie ein Heckenschütze vielleicht eine Milliarde Menschen in der Sowjetunion und China zu massakrieren, ist nicht überliefert.

Johnson und das Attentat

Im Wahlkampf 1964 gegen den rechtsextremen Major General a.D. Barry Goldwater, der einem Krieg um Kuba aufgeschlossen war, gewann Amtsinhaber Johnson, dessen Partei sich als Gegner des Atomkriegs profiliert hatte. Der wegen diverser Skandale angreifbare Johnson, der vielfach als Profiteur des Attentats gesehen wurde, fiel während seiner Amtszeit durch Misstrauen gegenüber dem für seinen Schutz zuständigen Secret Service auf. Stattdessen hatte er häufig auch Leute des FBI seines Freundes Hoover um sich, dem er zu lebenslanger Dienstzeit verhalf. Als Johnson eingeweiht wurde, dass die CIA Mordanschläge auf Politiker durchzuführen pflegte, soll dies den neuen Präsidenten sehr beunruhigt haben. Johnson, der bei den Schüssen in Dallas dabei gewesen war, soll häufig über das Attentat gegrübelt haben. Gegenüber dem Journalisten Walter Cronkite machte er Andeutungen, Oswald müsse nicht unbedingt allein gehandelt haben. Das Interview wurde um diese Passagen gekürzt.

Johnsons Geliebte Madeleine Duncan Brown behauptete vor ihrem Tod 2002, Johnson sei vor dem Attentat aus der Szene um die ultrarechten texanischen Ölmilliardäre vorab informiert worden. Johnsons früherer Anwalt Barr McClellan sah sogar den korrupten Politiker selbst als Drahtzieher. Auch CIA-Mann und Watergate-Einbrecher Howard Hunt, der mit den hauptverdächtigten CIA-Leuten zu tun hatte, vermutete auf dem Sterbebett Johnson an der Spitze der Befehlskette. Sogar Mafioso Ruby deutete an während seines Prozesses in einem bis 1978 zurückgehaltenen Interview an, es hätte kein Attentat gegeben, hätte der Vizepräsident Adlai Stevenson geheißen - und nicht Johnson, der Favorit der Südstaatler, der die Kennedys hasste. Doch all diese Anschuldigungen sind keine Beweise, sondern nur Vermutungen von Personen, die über die Spitze der Befehlskette nicht informiert gewesen sein dürften.

Politische Untersuchung

Johnson, der zunächst eine parlamentarische Untersuchung verhindern wollte, stellte schließlich selbst einen politischen Untersuchungsausschuss zusammen, der seine regierungsamtliche Version vom verrückten Einzeltäter bestätigen sollte, keinesfalls jedoch die Grundlage für einen Dritten Weltkrieg liefern durfte. Ebenso wenig durfte der Staat in Form von Politik, Militär oder CIA in Misskredit gebracht werden. Die Warren-Kommission stellte trotz der offenkundigen Exilkubaner-Problematik nur wenige Fragen in Richtung CIA. Auch die ultrarechten texanischen Milliardäre um Murchison wurden nicht behelligt, auch nicht dessen Geschäftspartner D.H. Byrd, dem Gründer der rechtsgerichteten Civil Air Patrol, der Oswald angehört hatte und der Eigentümer des Texas Schoolbook Depositary gewesen war, in dem Oswald gerade Arbeit gefunden hatte. Selbst die Mafia, die in Person von Jack Ruby offensichtlich verwickelt gewesen war, tauchte im Warren-Report nicht auf.

Die von Ex-CIA-Chef Allen Dulles dominierte Warren-Kommission kam zu erstaunlichen Ergebnissen. Dem Angebot, den Mord einem ohnehin beseitigten Wirrkopf anzulasten, konnte sie sich schwerlich verschließen. Die Presse stellte sich dumm und machte mit. "The American people don't read." kommentierte Dulles weise. In politischen Kreisen schätzte man allerdings schon damals hinter vorgehaltener Hand den Warren-Report als das ein, was er war.