Von der NATO zum nuklearen Gleichgewicht

Seite 5: NATO-Strategie

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Während europäische Militärs, namentlich die Deutschen, nach wie vor auf den Abschreckungseffekt eines massiven atomaren Vergeltungsschlages setzten, war Washington klar, dass es für einen Atomkrieg aufgrund der inzwischen ausgebauten sowjetischen Gegenschlagskapazität zu spät war. Und Lemnitzers undankbare Aufgabe war es gewesen, diese Tatsache zu vermitteln.

Unter anderem Republikaner-Rechtsaußen Barry Goldwater plädierte dafür, dem SACEUR (also Lemnitzer) zu ermöglichen, nach eigenem Ermessen "taktische Atombomben" einzusetzen. Zwar bezog Lemnitzer damals nicht öffentlich Stellung, doch äußerte er sich später durchaus ablehnend, schließlich sollte der Dritte Weltkrieg ja nach einem Masterplan ablaufen, über den der Häuptling in Washington zu entscheiden hatte. Anders als de Gaulle, der jede sowjetische Provokation mit der totalen Vernichtung parieren wollte, plädierte Lemnitzer seit Herstellung des nuklearen Gleichgewichts für eine flexible Verteidigung. Konventionelle Angriffe sollten ohne das nukleare Feuer beantwortet werden, die NATO sei hierzu in der Lage.

Lemnitzers Einschätzung jedoch beurteilen nicht nur Historiker einhellig als reichlich optimistisch, vielmehr waren die Schwächen der NATO-Streitkräfte schon damals bekannt: Nach einem NATO-Manöver war die Brauchbarkeit der Bundeswehr von in einem Geheimbericht euphemistisch als "bedingt abwehrbereit" qualifiziert worden, was dem Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL kolportiert wurde. Die daraufhin von Verteidigungsminister Strauß angeordneten illegalen Aktionen hatten in eine Staatskrise gemündet, aus der man Rückschlüsse auf die tatsächlichen Strukturen der damaligen Staatsführung ziehen konnte. Das Konzept der flexiblen Verteidigung wurde schließlich 1968 offizielle NATO-Doktrin.

Kriegslügen

1967 ereignete sich während des Sechs Tage-Kriegs ein höchst mysteriöser Angriff auf das US-Spionageschiff USS Liberty, der zum Anlass genommen wurde, um von einem Flugzeugträger Atombomber aufsteigen zu lassen, die letztlich jedoch nicht eingesetzt wurden. Während es im Koreakrieg noch ausgereicht hatte, Kampfhandlungen durch den Krieg gegen den Kommunismus zu legitimieren, präsentierte man seit den 60er Jahren stets "Rechtfertigungen", die häufig nicht nachprüfbar oder im Extremfall sogar von PR-Agenturen fabriziert wurden. Die Politsatire Wag the Dog gibt einen Vorgeschmack, wie Derartiges im digitalen Zeitalter aussehen könnte.

Knall der Sterne

Planskizze zum projektierten Manned Orbiting Laboratory der Air Force. Bild: U.S. Air Force

Auch die Raumfahrt war trotz des von John F. Kennedy initiierten Weltraumvertrags vom Pentagon heimlich weiterhin militärisch genutzt worden. Unter strengster Geheimhaltung hatte die Air Force das Programm zur Entwicklung bemannter militärischer Raumschiffe fortgesetzt. Als sich die anstehenden Testflüge kaum noch verheimlichen ließen, kündigte Johnson zur Tarnung parallel entwickelte wissenschaftliche NASA-Missionen an. In diesem zivilen Tarnprojekt realisierte die NASA als Shuttle zur geplanten Raumstation die Gemini-Kapsel, die ohne ihr Reiseziel allerdings wenig Sinn hatte. 1967 startete unbemannt endlich die zur Saturn V hochgezüchtete V2-Rakete zum Mond. Im Folgejahr wurde schließlich im Mondorbit eine Landefähre getestet. Die Abkürzung für das "Lunar Excursion Module" lautete "LEM", obwohl die Bezeichnung "Lunar Module (LM)" eigentlich näher gelegen hätte.

Wahlkampf 1968

"American Independent Party"-Kandidaten George Corley Wallace Jr., Curtis LeMay

Nachdem auch General LeMay von McNamara 1965 kaltgestellt worden war, kandidierte der Militär, der zwei Millionen Vietnamesen getötet hatte, 1968 selbst für das Amt des Vizepräsidenten. Mit dem rassistischen Präsidentschaftskandidaten George Wallace jr. gründete er die "American Independent Party", die Aussicht auf 20% der Wählerstimmen hatte. Diese waren jedoch auf 13% geschrumpft, nachdem LeMay öffentlich den Einsatz der Atombombe in Vietnam gefordert hatte.

Für die Demokraten hatte sich nun Robert Kennedy aufstellen lassen, der den inzwischen unpopulären Krieg in Vietnam zu seiner Priorität erklärt hatte. Doch er hatte noch eine andere Sache zu erledigen: Die Aufklärung der Schüsse von Dallas, als deren Urheber er Johnson und die CIA verdächtigte. Entgegen des in der Öffentlichkeit gepflegten Eindrucks hatte Robert Kennedy die Story eines Alleintäters in Wirklichkeit nie akzeptiert. Johnsons Kampagnen-Manager John Conally, der im Auto vor Kennedy gesessen hatte und ebenfalls getroffen wurde, sprach ebenfalls von mehreren Treffern. Es wäre auch kaum zu erklären, wie man in Conallys drei Wunden Munitionssplitter fand, wenn das als magic bullet bekannte praktisch unversehrt gebliebene Projektil das einzig treffende gewesen sein soll.

Doch als verantwortlicher Politiker hatte auch Robert Kennedy aus Staatsräson die Version des Warren-Reports gestützt, denn andernfalls war "Blut in den Straßen" zu befürchten gewesen. Bei einer Wahlkampfveranstaltung wurde auch Robert Kennedy unter ebenfalls mysteriösen Umständen "von einem Einzeltäter" in einem Kreuzfeuer erschossen. Der Kandidat, dem die Kennedys bereits 1960 die Wahl gestohlen hatten, machte nun das Rennen.

Regierung Nixon

Präsident Richard Nixon mit der Apollo 13 Crew. Bild: Nasa

Präsident Richard "Tricky Dick" Nixon beendete das laufende Programm bemannter (militärischer wie ziviler) Stationen im Weltraum, da die projektierten Aufgaben von ferngesteuerten Spionagesatelliten realistischer zu lösen waren. Die verhinderten Militärastronauten, die bis 2005 schwiegen, machten beim Militär exzellente Karrieren.

Stattdessen verbreitete Nixons Regierung 1969 Fernsehbilder, auf denen zwei Militärpiloten aus dem Koreakrieg gezeigt wurden, die auf dem Mond dem Kommunismus die amerikanische Überlegenheit demonstrierten. Auch auf irdischen Mondlandschaften, die wie der Mond radioaktiv verstrahlt wären, würden amerikanische Soldaten noch ihre Fahne grüßen können. Sogar für ein von Lemnitzer so geliebtes Golfspiel fanden Astronauten bei einem weiteren Mondflug Zeit.

Mondlandungen waren jedoch schon wegen ihres zu Tage getretenen gigantischen Aufwands für militärische Zwecke unrealistisch geworden. Das geheime, strategisch bedeutsamere Wettrennen um die erste einsatzfähige militärische Raumstation im Orbit gewannen 1974 die Russen: Zwar hatte die NASA 1973 die aus Lemnitzers gestrichenem Manned Orbiter Laboratory doch noch hervorgegangene Raumstation Skylab ins All geschickt, jedoch (soweit bekannt) ohne unmittelbar militärischen Auftrag. Im Folgejahr testeten die Russen das bemannte Spionageraumschiff Almaz, das sogar über eine Bordkanone verfügte, die den Artilleristen Lemnitzer entzückt hätte. Doch auch Almaz war angesichts des Fortschritts russischer Spionagesatelliten inzwischen entbehrlich geworden.