Von der gemeinsamen Währung zum gemeinsamen Zahlungsraum?

Finanzdienstleistungen, die mit der Währungsunion in der Theorie einfacher und billiger werden sollten, wurden in der Praxis bisher jedenfalls teuer

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Europas Kommissare wollen Modernität, sprich: Neuentwicklungen bei den Zahlungsformen und günstigere Preise. Die Finanzindustrie will nur neue Produkte. Die Verbraucher wollen vor allem einen gemeinsamen Markt zum einheitlichen Preis. Mit diesem schlichten Dreisatz läßt sich der großangelegte Round Table "Establishing a Single Payment Area" der EU-Kommission vom 9. November 2000 am besten zusammenfassen.

A propos EU-Konferenzpädagogik

Round Table war es räumlich zwar keiner, denn die Teilnehmer saßen wie auf Perlenschnüren aufgereiht und ergonomisch beispielhaft senkrecht zum Podium. Das Programm war Frontalunterricht der klassischen Sorte mit einigen spärlichen, formalen und ganz kurzen Diskussionsbeiträgen aus dem über 200 Personen großen Zuhörerkreis. 18 Referate in rund 6 Stunden, wenn eine Essens- und zwei Klo-geh-Pausen abgerechnet werden - da bleibt natürlich kein Platz für einen Dialog.

Jedoch schon auch ein Kompliment: zur Tagung gabs die Unterlagen der meisten Referenten per Papier sofort, und am nächsten Tag waren sie am Server der zuständigen Generaldirektion der EU-Kommission ("Internal Market") verfügbar. Die Elektronik wird von der EU manchmal auch wirklich ernst genommen.

Getrennter "Gemeinsamer Markt"

Der gemeinsame Markt, die gemeinsame Wirtschafts- und Währungsunion hat ein recht augenfälliges Problem: das Gemeinsame, das "Einheitliche" existiert in der Alltagspraxis nicht wirklich. Man telefoniert bei länderüberschreitenden Gesprächen nach wie vor "ins Ausland", nämlich erheblich teurer. Abgesehen vielleicht vom Standardbrief, kostet das Porto weit mehr, wenns ein paar Kilometer in ein Nachbarland geht, anstatt 600 Kilometer im eigenen nationalstaatlichen Territorium. Ausgeprägter ist das noch bei Geldüberweisungen. 17 Euro kostet im Durchschnitt eine kleine Geldüberweisung in den gemeinsamen Wirtschafts- und Währungsraum hinein, während sie im eigenen Land einen Bruchteil bis (in manchen EU-Ländern) gar nichts kostet.

Die Sündenfälle der Finanzindustrie

Am 1. 1. 1999 wurde der Euro als neue gemeinsame Währung geboren. Zwar vorerst noch auf dem Papier, denn die Einführung des "echten" Bargelds folgt dann erst am 1. 1. 2002, aber de jure ist der Euro in der Europäischen Union (ausgenommen Großbritannien, Dänemark und Schweden) mit 1999 die geltende Währung geworden.

Sowohl die Kommission, wie die nationalstaatlichen Politiker und natürlich die Verbraucher haben hier allerdings eine Rechnung ohne die Finanzdienstleistungsindustrie gemacht. So meinten doch viele etwas gutgläubig, dass ab 1999 jene Dinge, die mit Geld zu tun haben, mit dieser gemeinsamen Währung einfacher und billiger werden würden. Aber es gab nur Enttäuschungen. Denn die Banken haben mit 1999 plötzlich zwischen den Euroländern Geldwechselgebühren eingeführt. Dazu kam, beinahe alle Kreditkartenfirmen haben für Zahlungen im gemeinsamen Markt, also wenn ein Franzose in Italien seine Kreditkarte benützt, gewissermaßen "Auslandsgebühren" zu verrechnen begonnen. Die Kosten für Überweisungen ins Nachbarland mit gemeinsamer Währung sanken nicht, sondern sind gelegentlich sogar gestiegen.

Elektronische Hypes als Lösungen

Zu den auf den ersten Blick besseren und durchsetzungskräftigeren Lösungen kam es dann im zweiten Teil der auf "Round Table" umetikettierten Frontal-Vorlesung: die Telekommunikationskonzerne sind mit ihren Zahlungslösungen da. Sonera, ein finnländisches Unternehmen stellt die übers Handy machbaren Zahlungsfunktionen ins Zentrum: Vom per Handy bezahlten Parkplatz, über die Autoanmietung bis zum Autokauf geht alles per Mobiltelefon. Auf WAP als mediale Funktion setzt offenbar auch die skandinavische Bankenindustrie (mit schönen Grafiken war auch der Vortrag von Antti Tainio versehen). Die Zukunft wird - dank Technik - relativ glücklich... (vgl. dazu auch Telematik im Straßenverkehr")

Aber es gab auch emotional Anrührendes. Hier besonders trefflich etwa Hans van der Helde, Präsident der VISA Europe, als er mit vielen, immer wieder einfließenden englischen Begriffen, das Internet aus seiner Sicht beschrieb (der vergleichsweise nüchterne Vortragstext ), und einen Gedanken wieder aufgriff, der am Vormittag schon ausgesprochen wurde: Alle sollten für alle Zahlungsformen bezahlen.

Also auch die Barzahler sollten künftig ein Entgelt für die Bezahlung per Münzen und Banknoten leisten, wenn sie etwas kaufen. Letztlich: alle sollen immer ein Stückchen zusätzlich zahlen: zuerst den Warenpreis, und dann das Entgelt für die Form der Bezahlung.

Und die Verbraucherorganisationen?

Das war dann schon auch ein bisschen enttäuschend. Jim Murrays Beitrag - er ist Direktor der BEUC (der Verband der europäischen Verbraucherorganisationen) - entsprach dem Standard der übrigen Referenten: nämlich eine Wiederholung der an sich vertrauten Standpunkte bzw. Schlagworte. Mehr Wettbewerb, billigere Preise für die Leistungen sind aus Verbrauchersicht gefordert. Wenn möglich auch mehr "Convenience", denn die Konsumenten sind schon fürs Bequeme, wenn sie genügend Geld haben.

Eines muss man aber schon auch sagen: da waren unter mehr als zweihundert "Drehpunktpersonen" aus der EU vielleicht gerade eine Handvoll Verbrauchervertreter anwesend - das gibt vermutlich das beste Bild ab, wie die Ressourcen nun wirklich verteilt sind. Die Industrie hat das Geld, immer präsent zu sein, die Verbraucher finden sich unter dem Subthema "ferner liefen".

Dies ist übrigens auch ein gravierendes EU-Problem und ein Problem der Nationalstaaten. Sie alle haben nicht so recht kapiert, dass Symmetrie zwischen Unternehmen und Verbrauchern erst noch herzustellen ist. Ein Jim Murray hat wohl zuwenig Zeit und Geld, um sich schöne Overhead-Folien anfertigen zu lassen.

Zukunft

Für Verbraucher und die Kommissare gilt das Ziel: gleiche Kosten im Gemeinsamen Markt, wie im Herkunftsland. Jedoch für die Finanzindustrie: In vier Jahren gibts nur eine Reduktion von heute 17 Euro für eine Überweisung in einen Nachbarstaat auf dann 10 Euro. Immerhin, auch die Bytes verursachen ja gewisse Kosten...