Vorratsdatenspeicherung, Netzwerkdurchsetzungsgesetz, Uploadfilterpflicht und …
Kann die neue SPD-Justizministerin Barley, Maas und Zypries toppen?
Im Koalitionsvertrag, den CDU, CSU und SPD im letzten Jahr schlossen, steht, dass die Sozialdemokraten den Justizministerposten besetzen. Bis zum 30. Juni machen sie das mit Katarina Barley, die als Spitzenkandidatin bei der Europawahl trotz des Negativrekordergebnisses ihrer Partei ins Europaparlament wechselt, das ihrer rheinländischen Heimat an beiden Sitzen näher liegt als Berlin (vgl. Justizministerin Barley wird SPD-Europaspitzenkandidatin).
In den letzten Sitzungen des Bundeskabinetts dort war Barley bereits abwesend. Nun haben sich die drei kommissarischen SPD-Vorsitzenden Manuela Schwesig, Maria Luise Dreyer und Thorsten Schäfer-Gümbel auf eine Nachfolgerin für sie geeinigt: Auf Christine Lambrecht, die vorher Staatssekretärin im Finanzministerium und so unbekannt war, dass sie sogar Google verwirrte (was beim aktuellen Zustand der SPD-Spitze nicht unbedingt ein Nachteil sein muss).
Nicht die erste Wahl
Medienberichten nach war die 54-jährige in Mannheim gebürtige Rechtsanwältin mit Schwerpunkt Handels- und Gesellschaftsrecht nicht die erste Wahl und stand nicht einmal auf der Liste der Triumvirats-Vorgängerin Andrea Nahles. Aber sowohl die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig als auch die hessische SPD-Generalsekretärin Nancy Faeser sollen abgesagt haben, weil sie ihre sicheren Posten in der Provinz nicht für einen möglicherweise nur bis Jahresende begrenzten in Berlin aufgeben wollten (vgl. Unions-Minderheitsregierung ab Jahresende?). Einen unabhängigen Experten wie beispielsweise Henning Ernst Müller oder Arnd Diringer zu fragen, scheint der Parteiführung trotzdem nicht in den Sinn gekommen zu sein.
Dass sich Hubig und Faeser nicht um den Posten rissen, könnte auch damit zusammenhängen, dass die SPD-Justizminister der letzten Bundeskabinette keineswegs unumstritten waren: Das begann spätestens mit Brigitte Zypries, die nicht wusste, was ein Browser ist und unzutreffende Vorstellungen von der Rechtslage zur Privatkopie hatte, aber eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung einführte, welche sich später als verfassungswidrig herausstellte.
"Gefährlicher Präzedenzfall"
Ihre Nachfolgerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger von der FDP ließ das Vorhaben deshalb trotz Drängens der Union ruhen, bis deren Nachfolger Heiko Maas von der SPD (trotz vorheriger gegenteiliger Beteuerungen), einen neuen Anlauf unternahm. Im Nachhinein besehen steht sein Name aber weniger dafür, als für das von ihm verantwortete Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG), das die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch als "gefährlichen Präzedenzfall" kritisierte. Für "Regierungen, die sich umsehen, wie sie Unternehmen dazu zwingen können, Online-Äußerungen im Auftrag der Regierung zu zensieren". Vorher hatten auch Thorbjørn Jaglan, der Generalsekretär des Europarates, David Kaye, der Meinungsfreiheits-Sonderbeauftrage der Vereinten Nationen und die Organisation Reporter ohne Grenzen vor dem Gesetz gewarnt (vgl. "Einladung zur Zensur").
Nachdem Maas von der SPD trotz dieser Kritik ins Außenministerium befördert wurde, übernahm seine Nachfolgerin Katharina Barley die Tradition mit Vorschlägen zu einer Änderung des Wahlrechts (die Rechtswissenschaftler als offensichtlich verfassungswidrig kritisierten), mit "Fake News gegen Fake News" und mit der Zustimmung zu einer faktischen Uploadfilterpflicht in Europa (vgl. Worauf die Uploadfilterpflicht hinausläuft).
Ob Lambrecht das toppen kann? Dagegen spricht, dass die Koalition möglicherweise nicht mehr allzu lange hält. Dafür, dass von Seiten der CDU gerade eine Forderung nach einer Einschränkung von Grundrechten, eingebracht wurde, die das Potenzial hat, die Fragwürdigkeit des NetzDG noch in den Schatten zu stellen. Nun hängt es davon ab, ob sie sich anschickt, diese Forderung zu verwirklichen - oder ob sie sich darum kümmert, wie Konzerne wie Google und Facebook mit Personen wie Hamed Abdel-Samad und Ahmad Mansour umgehen.
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