WHO entwarnt: Keine neuen Krankheiten in China festgestellt

Bild: Unsplash

Keine ungewöhnlichen oder neuartigen Erreger oder ungewöhnliche klinische Erscheinungsbilder. Doch sitzt der Corona-Schock tief. Politisch ist einiges aufzuarbeiten.

Der Corona-Schock sitzt tief. Nicht nur in Deutschland. Das ist die gesellschaftlich entzündete Fläche, die die Entwarnungs-Meldung der WHO umgibt. Die chinesischen Behörden hätten keine "ungewöhnlichen oder neuartigen Krankheiten" festgestellt, berichtet der Spiegel.

Das Nachrichtenmagazin zitiert aus der Erklärung der Weltgesundheitsorganisation. Die WHO hatte Daten aus China zum Anstieg an Atemwegserkrankungen angefordert, die international für beunruhigende Schlagzeilen und Bilder von überfüllten Krankenhäusern und kranken Kindern gesorgt hatte. Die Pandemie-Warnlichter leuchteten wieder auf.

Auslöser der WHO-Anfrage war laut Erklärung eine Pressekonferenz Nationalen Gesundheitskommission Chinas am 13. November 2023 über einen landesweiten Anstieg von Atemwegserkrankungen, von denen vor allem Kinder betroffen sind.

Kein Neuland

Doch gab es da schon für diejenigen, die solche Meldungen mit ruhigen und aufmerksamen Nerven lesen, Zeichen dafür, dass die beobachteten Atemwegserkrankungen Gründe hatten, die saisonal zu erklären sind, und die nicht schon wieder ein gefährliches Neuland eröffneten.

Die chinesischen Behörden führten diesen Anstieg auf die Aufhebung der Covid-19-Beschränkungen und den Beginn der kalten Jahreszeit zurück sowie auf die Verbreitung bekannter Krankheitserreger wie Influenza, Mycoplasma pneumoniae, Respiratorisches Synzytialvirus (RSV) und Schweres Akutes Respiratorisches Syndrom Coronavirus 2 (SARS-CoV-2).

Es ist bekannt, dass Mykoplasmen-Pneumonie und RSV Kinder stärker betreffen als Erwachsene.

WHO

Die Weltgesundheitsorganisation fasste nach. Man wollte von Chinas Gesundheitsbehörden Daten darüber, was es mit den "Häufungen nicht diagnostizierter Lungenentzündungen in Kinderkrankenhäusern in Peking, Liaoning (Provinz) und anderen Orten in China" auf sich hat. Darüber hatten Medien und das Meldesystem Promed berichtet.

Beruhigung

Die folgende Beruhigung lässt sich in einem Satz der WHO Erklärung veranschaulichen: Sie "empfiehlt keine besonderen Maßnahmen für Reisende nach China". Fachlich fällt sie aus Sicht der chinesischen Behörden, die selbstverständlich darauf achten, dass es keine Gesichtsverluste und nachfolgende Kündigungen an leitender Stelle gibt, so aus:

Die chinesischen Gesundheitsbehörden meldeten keine Änderungen des Krankheitsbildes. Die chinesischen Behörden teilten mit, dass auch in Peking und Liaoning (Provinz, Einf. d. A.) keine ungewöhnlichen oder neuartigen Erreger oder ungewöhnliche klinische Erscheinungsbilder festgestellt wurden, sondern nur die bereits erwähnte allgemeine Zunahme von Atemwegserkrankungen aufgrund mehrerer bekannter Erreger.

Sie erklärten ferner, dass der Anstieg der Atemwegserkrankungen nicht dazu geführt hat, dass die Zahl der Patienten die Kapazitäten der Krankenhäuser übersteigt. (…)

Bei dem derzeitigen Ausbruch von Atemwegserkrankungen sind die gemeldeten Symptome mehreren Atemwegserkrankungen gemeinsam, und die chinesischen Überwachungs- und Krankenhaussysteme berichten derzeit, dass die klinischen Symptome durch bekannte, im Umlauf befindliche Erreger verursacht werden.

Mycoplasma pneumoniae ist ein weitverbreiteter Erreger von Atemwegserkrankungen und eine häufige Ursache von Lungenentzündungen bei Kindern, die sich leicht mit Antibiotika behandeln lassen.

WHO

Nun tauchen gerade zum Punkt "leichte Behandlungen mit Antibiotika" Meldungen auf, wonach Phänomene der Immunität gegen Antibiotika doch ein paar Schwierigkeitsgrade aufstellen, aber auch das ist noch eine völlig andere Dimension als die, die mit Corona-, bzw. Pandemie-Krisen verbunden sind.

"Corona-Matrix"

Genau diese krisenhafte Verbindung der jüngsten Krankheitsfälle mit der "Corona-Matrix" war das Erregungspotential der Meldungen aus Chinas Krankenhäuser.

In deutschsprachigen Bemerkungen im Debattenraum X (früher Twitter) wurde das feixend so zusammengefasst

Die Medien so: "Unbekannte Atemwegserkrankung breitet sich in China aus " User auf X: "Ahh zweite Staffel, frag mich, wer diesmal mitspielt."

Auf englisch-sprachigen Seiten wird das unter dem Hashtag #ChinaPneumonia weniger cartoon-artig behandelt. Auch die indischen Behörden zeigen sich wach. Die Sache müsse genau beobachtet werden.

Man sieht sehr schnell, dass Krankheitsausbrüche dieser Art keine Ländersache mehr sind, aber dennoch hängt einiges von den Ländern ab, nämlich, ob sie davon berichtet oder aus politischen Gründen lieber ein Stillschweigen bewahren. Diesen heiklen Punkt spricht der Virologe Klaus Stöhr in einem Interview zur Lage an.

Politisches Gelände

Auch er zeigt sich von der gegenwärtigen Häufung der Atemwegserkrankungen nicht über die Maßen beunruhigt, einmal wegen der biologischen Plausibilität, mit der sie zu erklären sind (Jahreszeit, bekannte Erreger).

Zum anderen aber auch, weil sich China proaktiv an der Weitergabe von Informationen beteiligt hat, die WHO nachgefasst hat und die Gesundheitsüberwachungs- wie auch die Informations-Netzwerke in diesem Fall funktionieren. Das hängt aber eben davon ab, dass Länder bereit sind, dabei mitzumachen.

Das wiederum hängt von politischen Überlegungen ab. Was sich bei den ersten Alarmmeldungen aus China in Debattenräumen dazu andeutet, ist der Nachhall der Corona-Krisen-Jahre: eine noch immer spürbare Verunsicherung, Angst und Misstrauen gegenüber Informationen staatlicher Stellen, denen, wie man es erfahren hat, Maßnahmen folgen, die stark in die Freiheit der Einzelnen eingreifen.

Das baut politisch ein Gelände mit brüchigem Fundament. Weshalb die Notwendigkeit bleibt, die Erfahrungen und die Kritik am Handling der Corona-Pandemie transparent und kritisch aufzuarbeiten.