WM 2018: Lernen mit Löws 11

Der DFB wird handgreiflich, Kroos ballert nach seinem Torschuss auf die Presse, Durmaz erhält Morddrohungen - und ein Tipp: Warum kritische Berichterstattung nicht nur Spaß, sondern Sinn macht

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La Mannschaft zeigt wenig Einsicht, ein knappes 2:1 wird als Stärke bejubelt, jedoch die Begleiterscheinungen lassen am Verstand von Deutschlands WM-Team zweifeln. DFB-Team-Manager Oliver Bierhoff macht es ausgerechnet vor, erst pöbelt er am Spielfeldrand unprofessionell in Richtung Gegner und trägt dann im Interview die peinliche Arroganz zur Schau für alle: "Ich hatte noch eine Diskussion mit den Schweden, weil ich fand, dass sie es nicht verdient haben, für ihre Spielweise belohnt zu werden." Aua.

Visitenkarte: Handgreiflichkeiten

Nach Ende des Spiels waren Mitglieder aus Bierhoffs DFB-Team zur schwedischen Bank gerannt und hatten die geschockten Verlierer mit spöttischem Geklatsche und flegelhaften Gesten angemeiert. Die ließen sich das nicht gefallen, es kam zu Rangeleien in der Mixed-Zone. Tags zuvor hatten der deutsche Trainer Jogi Löw und sein Team noch schauseitig die Entspannten markiert. Thomas Müller seinerseits grinste überhaupt nur noch in jede zufällig vorbeilaufende Kamera, Löw ließ sich in kurzer Hose und Mercedes-Hemd beim Joggen ablichten. Die demonstrierte Gelassenheit nach einem miesen Auftakt - alles reine Show.

Dennoch, fast konnte er einem leidtun, wie fertig er da am Spielfeldrand am Samstagabend um 5 vor Schluss auf und ab tigerte, unser WM-Coach. Gleich in der ersten Halbzeit einen Treffer kassiert, nach dem mühsamen Ausgleich dann schließlich in der 95. Minute nur noch einen Moment vom (fast) sicheren Ausscheiden entfernt. In der ARD wurde genüsslich und in Zeitlupe demonstriert, wie Löw in den letzten Momenten des Spiels seinen Glücksbringer vom Arm streift und entnervt in der Jackentasche verschwinden lässt: Deutschland am Abgrund. Doch dann macht der schwedische Spieler Durmaz den Deutschen ein Geschenk.

Hier Fan-Ekstase, da übelster Trash

Sein Foul an Timo Werner direkt vor dem schwedischen Strafraum bringt Toni Kroos in Position, der legt sich den Ball zurecht für den finalen Freistoß und ballert ihn vor der erstaunten Fangemeinde ins schwedische Tor. Der Schwede Jimmy Durmaz sieht sich nach dem Foul-Debakel, das in der äußersten Nachspielzeit zum Freistoß für ein völlig abgekämpftes Deutschland führte, einem Shitstorm sondergleichen ausgesetzt. Innerhalb von Minuten erreichen den Mittelfeldspieler mit türkischen Wurzeln in den sozialen Netzwerken mehr als 3.000 üble Comments, darunter rassistischer Unrat und Morddrohungen.

Auf der einen Seite grenzenlose Fan-Ekstase, auf der anderen Seite grenzenloser Müll. Toni Kroos, der Siegtorschütze der letzten Minute und Held von Sotschi ("Die historische Schmach vorerst abgewendet"), ist derweil wütend auf die deutsche Presse und teilt aus.

Fehlende Schrauben

"Es dürfen sich alle angesprochen fühlen, die schreiben." Damit meint er vor allem "die TV-Experten und Sportjournalisten". In dem Magazin "11 Freunde" nimmt Kroos nach seinem Torschuss im Stadion von Sotschi sämtliche Miesmacher da draußen aufs Korn. Er habe "das Gefühl, dass es viel mehr Spaß macht, schlecht über uns zu reden, zu schreiben und zu analysieren als andersherum". Da hat er irgendwas richtig verstanden. Nur, es macht nicht nur Spaß! Sondern vielleicht auch Sinn?

Schlusssatz Richtung Norden: Die irritierten Schweden ereilt nach dem tragischen Rückschlag viel Mitgefühl in der Presse und den sozialen Medien. Ein Lustmolch fand jedoch heraus, dass das Spiel von Samstag etwas mit Möbeln zu tun haben könnte: "Liebe Schweden, so fühlt sich das an, wenn kurz vor dem Ende eine Schraube fehlt und alles wieder zusammenkracht." Die Häme ist übertitelt: "Fußball als Möbelparabel." (KStA, Fußball als Möbelparabel, 25.06.2018, S. 29).

"WM der Provokationen"

Die Emotionen kochen hoch, die Art und Weise 2018 gibt schon zu denken, das ZDF titelte schon "Die WM der Fouls und Provokationen".

Die Rangelei zwischen deutschen und schwedischen Funktionären nach dem Schlusspfiff am Sonntag hat nun ein Nachspiel: Der Weltverband FIFA (Disziplinarkommission) nahm Ermittlungen gegen die beiden DFB-Pöbler Uli Voigt (Medienkoordinator Bewegtbild) und Georg Behlau (Leiter Büro Nationalmannschaft) auf, sie erhalten jetzt "Innenraumverbot".

Ermittlungen hat der FIFA-Weltverband unterdes auch gegen Mladen Krstajić, 243-fachen Bundesliga-Spieler und seit Herbst 2017 Nationaltrainer Serbiens, eingeleitet. Nach der 1:2-Niederlage der serbischen Elf gegen die Schweiz stempelte Krstajić den deutschen Schiedsrichter Felix Brych kurzerhand zum Kriegsverbrecher: "Ich würde ihm weder Gelb noch Rot geben, sondern ihn nach Den Haag schicken. Damit sie ihm den Prozess machen, wie sie ihn uns gemacht haben“.

Es scheitert offenbar an Grundsätzen, hier ist ein prekärer Trend erkennbar.