Wacht an der Grenze
Um die "Invasion" von Einwanderern aus Mexiko zu stoppen, beginnt nun in Arizona eine 1000 Mann starke Selbsthilfetruppe aus Protest gegen die Untätigkeit der Regierung mit der Überwachung der Grenze
Gleichzeitig mit dem "Globalen Krieg gegen den Terror" (GWOT), der überall und präventiv außerhalb der USA oder der Festung EU stattfinden kann, werden die Grenzen dichter gemacht und neue Mauern zwischen den Wohlstandsinseln und dem Rest der Welt aufgerichtet. Man rüstet mit Hightech auf, um Immigranten abzuwehren, die nun stets auch unter Terrorverdacht stehen und das Böse mit ins Land bringen können. Noch ist es in den EU nicht ganz so weit, auch wenn beispielsweise gerade Tory-Chef Michael Howard eine neue Grenzpolizei zum Allround-Schutz der Insel vor illegalen Einwanderern gefordert hat. Aber möglicherweise werden auch in europäischen Ländern bald Selbsthilfe-Gruppen antreten, die die Grenzen überwachen und gleichzeitig das Abenteuer suchen. Das geht in den USA allerdings noch ein wenig leichter, da hier die Waffengesetze nicht so restriktiv sind. In Arizona treten nun ausgerechnet am 1. April über 1.000 Freiwillige an, um die Grenze zu Mexiko an einem porösen Abschnitt zu kontrollieren. Hier gibt es in der Wüste nur einen niedrigen Stacheldrahtzaun, während an anderen Stellen die Hightech-Mauer ähnlich der in Israel wächst.
Das Minuteman Project ist angetreten, das zu tun, was der Kongress nicht macht: die Grenze vor neuen Einwanderern zu schließen und angeblich die staatlichen Sicherheitskräfte der Border Patrol zu unterstützen. Es handelt sich zunächst um eine zeitlich zwischen dem 1. und 30 April befristete Protestaktivität. Angeblich werde man entdeckte illegale Einwanderer nur verfolgen und der Grenzpolizei melden, sie aber nicht selbst stellen. Man will sich ihnen höchstens nähern, um sie medizinisch oder mit Wasser und Lebensmitteln zu versorgen. Bewacht wird eine Grenzzone von 20 Meilen, über die überdurchschnittlich viele illegale Einwanderer kommen oder geschleust werden.
Offenbar war der Andrang der freiwilligen Wächter, die die Heimat vor Überfremdung schützen wollen, überwältigend. Wer sich nach dem 18. März gemeldet hat, wurde auf eine Warteliste gesetzt, wenn er nicht Veteran, ehemaliger Polizist, Anwalt, Pilot mit Flugzeug, Funker mit Erlaubnis oder ein Freiwilliger ist, der sich mindestens für 15 Tage zwischen dem 10. und 30 April verpflichtet, wo es offenbar noch Lücken gibt. Es beteiligen sich, da ist man in der Statistik ganz genau, auch Frauen, Angehörige von Minderheiten, einige legale Einwanderer, sogar Rollstuhlfahrer und überhaupt Menschen zwischen 4 und 86 Jahren.
Erwartet wird allerdings, dass manche der freiwilligen Grenzwächter neben Flugzeugen, Nachtsichtferngläsern oder Pferden auch ihre Waffen mitbringen und das Ganze als eine Art Abenteuerurlaub verstehen. Allerdings ist die Kontrolle nicht ungefährlich. So sind im letzten halben Jahr an der mexikanischen Grenze 180 Grenzpolizisten angegriffen worden. Einige Male wurde auch geschossen. Es handelt sich um ein einträgliches Geschäft der Schleuser, aber auch von Schmugglerbanden. Wenn abenteuerlustige oder auch ängstliche selbsternannte Wächter mit Waffen in prekäre Situationen kommen, könnte es auch schnell zu Schießerein und Verletzten oder gar Toten kommen. Angeblich hat eine große lateinamerikanische kriminelle Organisation namens MS-13 bereits Gegenaktionen angekündigt. Die Grenzpolizei ist jedenfalls nicht erfreut, dass unausgebildete Wächter ihr helfen wollen. Auch die Gouverneurin von Arizona zeigt keine Begeisterung und erwartet Probleme.
Angst vor Überfremdung
Die Angst vor Einwanderern und vor Überfremdung ist in den USA ebenso wie in der EU längst zum Politikum geworden. Rechte und Konservative schüren die Ängste, die von Intellektuellen wie Huntington ("Who Are We? Die Krise der amerikanischen Identität", Europa Verlag) theoretisch ausgeführt werden (USA: Vom Einwanderungsland zur fremdenfeindlichen Festung?). Es geht um Ängste vor dem Untergang einer Kultur oder einer Schicht - in diesem Fall der anglo-protestantischen Weißen. Nach einer Hochrechnung der US-Statistikbehörde werden die Weißen ab 2050 nicht mehr die Mehrheit der Amerikaner stellen, Samuel Huntington warnt vor allem vor den Latinos, die die nationale Einheit untergraben, und vor einem paradoxen "weißen Nationalismus", also einem "Kampf der Kulturen" im Inneren der USA.
Eine ganze Reihe von Gruppen, die auch die angeblich lasche Politik der US-Regierung kritisieren, setzt sich wie Stop the Invasion für ein Dichtmachen der südlichen Grenze ein und fordern dazu auch eine Kontrolle durch die Armee. Die Argumente gleichen denen aller fremdenfeindlichen Ideologien auf der ganzen Welt:
Over 500,000 illegal aliens fill our state and federal prisons, but Rice or Bush haven't blinked as they continue allowing, even encouraging illegals to cross our borders. Never mind what those half million illegals cost Americans in rapes, murders, robberies, extortion, auto theft, drug distribution and worse. Rice and Bush are so out of touch; it makes an American's head hurt.
Obgleich das Minuteman Project angeblich die Freiwilligen überprüft, um Extremisten aus der faschistischen Ecke wie der Aryan Nation außen vor zu halten, dürften solche Aktivisten trotzdem eindringen und provozieren. Dazu kommen Bürgerrechtsaktivisten, die wiederum die freiwilligen Grenzwächter überwachen und gegen sie protestieren wollen.
Lückenlose technische Überwachung gesucht
Allerdings wurden die Grenzkontrollen personell und technisch in der letzten Zeit verstärkt. Gerade erst wieder hat das Heimatschutzminister 500 weitere Stellen bei der Grenzpolizei in Arizona geschaffen. Bislang arbeiten hier um die 2.000 Grenzpolizisten. Davor wurden schon zwei Drohnen, zusätzliche Hubschrauber und Fahrzeuge sowie Sensoren angeschafft und Hunderte neue Stellen eingerichtet. Der illegalen Einwanderung hat das keine Schranke gesetzt. Insgesamt sollen mindesten 11 Millionen illegale Einwanderer in den USA leben, in aller Regel aus Lateinamerika. 2004 wurde eine Million Einwanderer an der mexikanischen Grenze gefangen, über 40 Prozent mehr als das Jahr zuvor, die Hälfte in Arizona. Mit Terrorismus hat dies nichts zu tun. Man geht davon aus, dass von der Grenzpolizei höchstens ein Drittel der Einwanderer erwischt wird, die von der US-Wirtschaft als billige Arbeitskräfte ohne Rechte allerdings gerne aufgenommen werden.
Um das Problem langfristig zu lösen, will das Heimatschutzministerium - wenig überraschend - neue Technologien. So sucht man nach Projekten, wie aus der Luft und am Boden alle Versuche, die Grenze zu überqueren, entdeckt und verfolgt werden könnten. Überwacht werden soll automatisch Tag und Nacht ein Gebiet in einer Länge von 300 Meilen und einer Breite von 5 Meilen, unabhängig davon, ob es sich um Wüste, Gebirge, Flüsse oder Seen handelt und welche Wetterbedingungen herrschen.