Waffenbesitz ist ein von der Verfassung geschütztes Recht
Das US-Justizministerium biedert sich bei der Waffenlobby an
Hatte die Waffenlobby in Deutschland zunächst die Politiker unter Druck gesetzt und Veränderungen im neuen Waffengesetz erreicht, so ist nach dem Amoklauf in Erfurt die Stimmung umgeschlagen. Unter dem Druck der breiten Öffentlichkeit wollen nun alle Parteien das Gesetz verschärfen, um den Zugang zu Waffen erschweren. Noch stärker ist die Waffenlobby in den USA. Jetzt hat sich erstmals die US-Regierung voll und ganz hinter sie gestellt und sieht wie diese den individuellen Besitz von Waffen als Verfassungsrecht.
Falken gibt es in der konservativen Bush-Regierung nicht wenige. Auf dem Kreuzzug gegen das Böse vorwiegend in Gestalt sexueller Verführung befindet sich auch der amerikanische Justizminister Ashcroft, der seit langer Zeit Mitglied in der National Rifle Association (NRA) ist. Religiös motiviert ist er für eine Einschränkung der Freiheiten, allerdings nicht, was den Besitz von Waffen angeht. Die starke Waffenlobby, mit deren Stimmen - Littleton hin oder her - die Bush-Regierung schon bei der Wahl rechnen konnte, kann sich nun über einen Vorstoß des Justizministeriums freuen.
Der Generalstaatsanwalt Theodore Olson hat am letzten Montag die Position des Justizministeriums aufgrund von zwei Fällen gegenüber dem Obersten Gericht deutlich gemacht, die dort geprüft werden. In beiden Fällen plädiert Olson zwar dafür, dem Einspruch nicht stattzugeben und so die entsprechenden Waffengesetze beizubehalten. In einem Fall geht es um eine Verurteilung wegen des verbotenen Besitzes von zwei Maschinengewehren, im anderen Fall um einen Mediziner mit einer Vorstrafe, der keine Waffen besitzen dürfte. Olson führt in seiner Begründung allerdings aus, dass die US-Regierung unter Bush den individuellen Besitz von Waffen als Verfassungsrecht betrachtet:
"Die gegenwärtige Haltung der USA ist, dass der Zweite Verfassungszusatz die Rechte von Einzelnen, auch von Personen, die keine Angehörigen einer (staatlichen) Bürgerwehr oder sich im aktiven militärischen Dienst oder Training befinden, weiter schützt, ihre eigenen Schusswaffen zu besitzen und zu tragen."
Der Zweite Verfassungszusatz lautet:
"A well-regulated Militia being necessary to the security of a free State, the right of the people to keep and bear arms shall not be infringed."
In den Verfassungen der einzelnen Bundesländern ist der Zweite Verfassungszusatz auf unterschiedliche Weise umgesetzt und erlaubt in aller Regel den Besitz und den Gebrauch von Waffen zur Selbstverteidigung. Allerdings hat zumindest seit 1930 keine Regierung und kein Gericht mehr erklärt, so die Los Angeles Times, dass die Bürger ein von Verfassung geschütztes Recht auf Waffen haben, so dass Gesetze möglich waren, um den Waffenbesitz zu regeln. 1939 hatte ein Urteil des Obersten Gerichts den Verfassungszusatz auf diejenigen beschränkt, die für die Aufrechterhaltung der Leistung von "gut kontrollierten Bürgerwehren" sorgen.
Mit der Kehrtwende von dieser Politik durch Olson, der die offizielle Haltung der US-Regierung zum Ausdruck bringt, könnten allerdings viele der bislang eingeführten Gesetze zur Beschränkung des Waffenbesitzes in Zukunft anfechtbar und vielleicht ausgehebelt werden. Wahrscheinlich um die Gemüter zu beruhigen, versicherte die Sprecherin des Justizministeriums, dass die Mitteilungen Olsons die Ansicht von Ashcroft widerspiegeln, während das Ministerium entschlossen sei, alle existierenden Gesetze für Schusswaffen als verfassungsgemäß zu verteidigen. Wegen dieser Ambivalenz, bezeichnete ein Sprecher der NRA die Äußerungen Olsons nur als "Schritt in die richtige Richtung".
Ashcroft hatte schon im letzten Jahr der NRA in einem Brief geschrieben, dass er der Meinung sei, der Zweite Verfassungsschutz gewähre nicht nur Menschen in Bürgerwehren das Recht auf den Besitz und das Tragen von Waffen. Die Waffenlobby hatte den Verfassungszusatz schon immer als uneingeschränktes Recht des Waffenbesitzes aller Bürger erklärt, während Befürworter von strengeren Waffengesetzen diesen sehr viel enger auslegten. Ganz uneingeschränkt soll dieses Recht eben aber auch für das Justimzministerium nicht gewährt werden. Olson räumt ein, dass das Recht "vernünftigen Begrenzungen unterworfen ist, die dazu dienen, den Besitz durch ungeeignete Personen zu verhindern oder den Besitz von bestimmten Schusswaffen zu beschränken, welche besonders dazu geeignet sind, für Verbrechen missbraucht zu werden."
Die NRA tritt nun übrigens auch, um angeblich das Verfassungsrecht auf Waffenbesitz besser vertreten und verbreiten sowie die freiheitsliebenden Bürger besser mit Informationen versorgen zu können, als Provider mit NRA-Online auf: "THE ULTIMATE PRO-GUN ISP". Lobend wird natürlich der italienische Verteidigungsminister Antonio Martino erwähnt, der kürzlich sagte, dass schärfere Waffengesetze nur die Bürger, nicht die Kriminellen entwaffnen. Vizepräsident Wayne LaPierre meinte in Hinsicht auf Erfurt auf dem jährlichen Treffen der NRA in Reno Anfang Mai, dass auch die strengen deutschen Waffengesetze ein solches Massaker nicht verhindert hätten. Wer für Waffenkontrolle sei, betätige sich als "politischer Terrorist" und stelle "ein weit größere Bedrohung der Freiheit als jede ausländische Macht" dar.