Waffenexporte in Spannungsgebiete: "How dare you?!"

Seite 5: Forderungen zur Kontrolle der Rüstungsexporte

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Resultierend aus der hier vorgenommenen Analyse der Rüstungsexporte ist Folgendes zu fordern, will man sich tatsächlich an die normativen Ansprüche der internationalen und nationalen Regelungen für Waffenexporte halten:

1. Beendigung aller Waffenexporte in Spannungsgebiete: Hierfür müssen der ATT, der "Gemeinsame Beschluss des Rats der EU" sowie die nationalen Bestimmungen um verbindliche Kontrollmechanismen und empfindliche Sanktionsmöglichkeiten ergänzt werden. Einschränkungen und Ausnahmen, die Waffenexporte in Spannungsgebiete ermöglichen, sind zu beseitigen.
2. Auf europäischer Ebene ist zu fordern, dass ein Sonderbeauftragter mit ausreichend personellen und finanziellen Ressourcen ausgestattet die Waffenexporte aus der EU genauestens beobachtet und kontrolliert und ein Veto-Recht sowohl für Waffenexporte als auch für Technologieexporte sowie für Joint-Ventures in Spannungsgebiete besitzt.
3. Für die Bundesrepublik Deutschland ist ein strenges Waffenkontrollgesetz zu fordern, das die gegenwärtigen unterschiedlichen und z.T. unübersichtlichen rechtlichen Regelungen stringent zusammenfügt und zu einem transparenten und verbindlichen Gesetz entwickelt.
4. Es ist die Möglichkeit von Postshipment-Kontrollen mit dem Überprüfungsrecht für das Ausfuhrland und dies als europäischer Standard einzurichten.
5. Es ist die rechtliche und vertragliche Grundlage zu schaffen, dass auch bereits erteilte Genehmigungen von Rüstungsexporten zurückzuziehen sind, wenn sich die Situation im Empfängerland zum Negativen verändert.
6. Es dürfen keine Bankkredite und keine staatlichen Hermes-Bürgschaften für Rüstungsexporte in Spannungsgebiete gewährt werden.

Auch auf der Ebene der UN ist eine Stärkung der Kontrollfunktion vorzusehen, wenn nationalstaatliche und regionale Kontrollen versagen. In diesem Zusammenhang sind dann auch Wirtschaftssanktionen und weitere Maßnahmen gegen Staaten vorzusehen, wenn aus ihnen Waffen in Spannungsgebiete transportiert werden. Um dies zu erreichen ist jedoch eine Demokratisierung der Vereinten Nationen erforderlich, die u.a. mit einer Reform des UN-Sicherheitsrats sowie einer Einrichtung eines demokratisch gewählten UN-Parlaments verbunden sein müsste.19 Ansonsten würden die Kontrollen und Sanktionen von denjenigen Staaten blockiert, die wiederum selbst die größten globalen Waffenexporteure sind.

Wichtig wäre in Deutschland auch eine Erhöhung des zivilgesellschaftlichen Drucks, indem gerichtsfeste, von NGOs, wie z.B. Greenpeace oder Transparency International, unterstützte Klagen gegen Waffenexporte in Spannungsgebiete, die sich auf den deutschen Grundgesetzartikel 26 (1) u. (2) beziehen müssten. Dort heißt es - neben der Genehmigungspflichtigkeit von Waffenexporten - dass "Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören (…) unter Strafe zu stellen" sind (Art. 26 (1)).

Eine derartige gerichtliche Klage kann sich sowohl gegen spezielle Rüstungskonzerne und Waffenhändler als auch gegen Waffenexporte in Spannungsgebiete genehmigende Regierungsmitglieder richten. Neben der Öffentlichkeitswirkung einer solchen Klage in den Medien könnte auch bereits die Durchführung eines derartigen Prozesses und die Notwendigkeit der eigenen Beteiligung der verantwortlichen Akteure für diese eine abschreckende Wirkung haben.

Waffenexporte generell verbieten?

In einem weiteren Schritt ist zu fragen, ob nicht Waffenexporte grundsätzlich verboten werden sollten. Dies würde existierende und zukünftige militärische Auseinandersetzungen austrocknen und den friedenschaffenden Aktivitäten der Vereinten Nationen ein größeres Gewicht geben.

In diesem Zusammenhang hört man sogleich das Argument: Wenn wir den Waffenexport stoppen, springen sofort andere Staaten und Rüstungskonzerne ein.

Mit dem gleichen Argument könnte man allerdings auch den Drogenanbau bzw. die chemische Herstellung synthetischer Drogen und den Drogenhandel in Deutschland erlauben. Auch hier handelt es sich um eine Ökonomie des Todes. Beide Ökonomien - Drogenhandel und Handel mit Waffen -sind besonders profitträchtig.

Dann wird häufig argumentiert: Deutschland habe nur einen Anteil von 6% der weltweiten Rüstungsexporte und daher wäre ein Verzicht auf Waffenexporte nur unbedeutend.

Hiergegen ließe sich argumentieren: Wenn Deutschland ein Signal setzen würde, hätte dies eine Wirkung mit Ausstrahlungskraft und deutsche Forderungen nach dem Stopp von Waffenexporten wären glaubhaft.

Auch wird immer wieder argumentiert, es würden Arbeitsplätze durch die Beschädigung der Rüstungsindustrie vernichtet. Hier ist zunächst noch einmal zu betonen, dass nicht alles produziert werden darf, was produziert werden kann, zumal wenn es gesellschaftlich und auch ökologisch schädlich ist. Außerdem gibt es eine Reihe von Möglichkeiten der Rüstungskonversion, die bereits konzeptionell entwickelt sind und mit denen sich die Rüstungsindustrie, auch in Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften, endlich einmal ernsthaft beschäftigen müsste.

Es geht hierbei um die Umstellung der Produktion auf gesellschaftlich nützliche und sozialökologisch verantwortliche Güter. Die Friedensaktivisten und Autoren Götz Brandt und Karl-Heinz Peil fordern hierbei, dass die Überlegungen zur Rüstungskonversion in allgemeine Überlegungen zur sozialökologischen Transformation auf globaler Ebene eingebunden sein sollten und konkretisieren dies wie folgt:

Die konzeptionellen Überlegungen zur Rüstungskonversion "müssen an den realen Bedrohungen ansetzen, wie es die Folgen der globalen Erwärmung und die Anfälligkeit gegen Pandemien sind. Solche Konzepte müssen auch Gegenstand einer transparenten Hochschulforschung sein, mit eindeutiger Abgrenzung gegen militärische und Dual-use-Forschung. (…) Statt Rüstungsgelder zu verschwenden für 'nationale Schlüsseltechnologien', muss z.B. eine gute Bezahlung für ‚systemrelevante‘ Pflegeberufe eingefordert werden, als Hebelwirkung für neue und notwendige Arbeitsplätze. Ähnliches gilt für das Bildungswesen und eine Mobilität für alle, gestützt vor allem durch den Ausbau des ÖPNV. Katastrophenfälle im Inneren sind immer auch eine Bewährungsprobe der öffentlichen Daseinsvorsorge. Dieses betrifft sowohl das Gesundheitssystem bei Pandemien, wie auch die Ressourcen für technische Hilfsleistungen bei Hochwasser oder Waldbränden".20

Die Umstellung der Rüstungsproduktion auf zivile, friedliche Güter einerseits und die Umlenkung staatlicher Gelder in die Förderung helfender und unterstützender Berufe, z.B. im Pflegebereich oder zur Beseitigung militärbedingter ökologischer Schäden21, sind gute Beispiele für eine Konversion einer Kriegsbranche in eine Friedensindustrie sowie der vernünftigen Verwendung öffentlicher Ressourcen.

Europäische Lösungen

Ein erster Zwischenschritt und eine strategische Forderung könnten darin liegen, Waffenexporte grundsätzlich nur noch in die EU und nicht mehr von der EU nach außen zu exportieren. Damit würde auch die Frage nach den Waffenexporten in Spannungsgebiete weitgehend entfallen.

Solange eine internationale Abrüstung noch nicht auf den Weg gebracht werden kann, könnte in deutlicher Abwendung zu den kostensteigernden Vorgaben der "Permanent Structured Cooperation" (PESCO) zumindest auf europäischer Ebene eine nationalstaatliche Abrüstung erfolgen, indem die Verteidigungsbemühungen auf der EU-Ebene gebündelt und damit ein deutlich verringerter Einsatz von Ressourcen zu planen ist. Dies würde eine bewusste Abkehr von der 2%-BIP-Doktrin der NATO bedeuten. Hierbei könnte eine in ihrer Bedeutungszuschreibung deutlich veränderte EDA eine führende Rolle spielen.

Die "European Defensive Agency" (EDA) ist eine zwischenstaatliche Agentur, die dem Rat der Europäischen Union untergeordnet ist. Sie könnte im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) mit dem erklärten Ziel der Reduktion der europäischen Verteidigungskosten ausgebaut werden - gegenüber der bisher weitgehend isolierten und sehr teuren nationalstaatlichen Technologieentwicklung.

Die GSVP müsste parallel dazu weiter entwickelt werden, um eine gemeinsame Verteidigungspolitik zulasten nationalstaatlicher Aufrüstung und Verteidigungsbereitschaft zu erreichen. Hieraus könnte eine europäische Friedensdividende gekoppelt mit einer Intensivierung auf Diplomatie beruhender EU-Außenpolitik resultieren, die auf dem Abbau von Feindbildern, z.B. gegenüber Russland und China, beruht.

Allerdings muss hierbei über entsprechende Beschlüsse, z.B. des EU-Parlaments, gewährleistet sein, dass die GASP nicht für eine weitere Aufrüstung genutzt wird, sondern im Sinne einer verbesserten Koordination der Verteidigungspolitik mit dem Ziel der Kostenreduktion festgelegt ist. Dies bedeutet dann eine politisch gewollte Abwendung ebenfalls von den Vorstellungen der PESCO zur mittelfristigen Steigerung der Verteidigungsausgaben von 20% für alle beteiligten EU-Staaten.22

Neben der Forderung nach einem Stopp von Waffenexporten und insbesondere Waffenverkäufen in Spannungsgebiete, die sich auf den Handel mit konventionellen Waffen beziehen, sind die Aktivitäten der Trägerin des Friedensnobelpreises "International Campaign to Abolish Nuclear Weapons" (ICAN) zu beachten, über die konventionelle Waffensystemen hinaus auch die nukleare Rüstung und entsprechende Rüstungsexporte grundsätzlich zu verbieten und zu ächten.

Die deutsche Bundesregierung ist aufgefordert, sich der Internationalen Kampagne zur Abschaffung der Atomwaffen anzuschließen und die in Deutschland von Seiten der USA stationierten Nuklearwaffen im Sinne nuklearer Deeskalation abschaffen zu lassen. Voraussetzung hierfür ist ein Vertrag mit Russland, der eine entsprechende nukleare Abrüstung ebenfalls auf russischer Seite festlegt.

Abschließend sollte noch einmal der um die Beendigung des Korea-Kriegs bemühte US-Präsident Dwight Eisenhower in einer Rede am 16.4.1953 zu Wort kommen:

Every gun that is made, every warship launched, every rocket fired signifies, in the final sense, a theft from those who hunger and are not fed, those who are cold and are not clothed. This world in arms is not spending money alone.
It is spending the sweat of its laborers, the genius of its scientists, the hopes of its children. The cost of one modern heavy bomber is this: a modern brick school in more than 30 cities. It is two electric power plants, each serving a town of 60,000 population. It is two fine, fully equipped hospitals.
It is some fifty miles of concrete pavement.
We pay for a single fighter plane with a half million bushels of wheat.
We pay for a single destroyer with new homes that could have housed more than 8,000 people. (…). . . This is not a way of life at all, in any true sense. Under the cloud of threatening war, it is humanity hanging from a cross of iron.

Dwight Eisenhower

Fazit

Es ist daher für die gegenwärtige politische Auseinandersetzung im Rahmen eines Gesellschaftssystems mit demokratischen Selbstanspruch, wie der Bundesrepublik Deutschland oder der EU, zu fordern: Parteien in der EU und in Deutschland sind bei Wahlen daraufhin zu überprüfen, ob sie sich entschieden gegen Waffenexporte in Spannungsgebiete positionieren und glaubhaft eine konsequente Friedenspolitik vertreten.

Demokratische Parteien, die grundsätzlich für die Abschaffung aller Waffenexporte aus der EU und für die Reduktion der nationalen Rüstungsausgaben eintreten, wären dementsprechend dann von den an Kriegsprävention und Friedenssicherung interessierten Wählerinnen und Wähler besonders zu unterstützen.

Wie fragwürdig ist es hingegen von Seiten rechtspopulistisch argumentierender Politiker, sich über die Anzahl der Flüchtlinge im eigenen Land zu ereifern, aber mit dem Argument der zu erhaltenen Arbeitsplätze in der Rüstungsindustrie selbst erst die Notwendigkeit für die Flucht aus den Spannungsgebieten durch Waffenexporte insbesondere in diese Regionen zu schaffen.

Prof. Dr. Klaus Moegling arbeitet am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der Universität Kassel. Er engagiert sich in der Friedens- und Umweltbewegung sowie im Bildungsbereich. Sein Buch "Neuordnung. Eine friedliche und nachhaltig entwickelte Welt ist (noch) möglich" ist inzwischen in der 3., aktualisierten und erweiterten Auflage 2020 erschienen (Verlag Barbara Budrich).

Email: klaus.moegling(at)uni-kassel.de

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