Waffenverbotszone in Leipzig

Seite 2: b) Unklare Kontrollbefugnisse

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Mit der Einführung der Waffen- und Gefährlichegegenständeverbotszone erhielten die sächsischen Sicherheitsbehörden keine zusätzlichen Kontrollbefugnisse, die sich aus den Verordnungen ergeben würden (vgl. Landtagsdrucksache 6/12890). Bei Personenkontrollen innerhalb der Verbotszone muss die sächsische Polizei auf bereits bestehende Befugnisse aus dem Polizeigesetz zurückgreifen. Anlasslose Personenkontrollen sind dabei nur in einem eng begrenzten Rahmen möglich, beispielsweise an sogenannten "gefährlichen Orten" nach § 19 Abs. 1 Nr. 2 SächsPolG, an denen nach § 23 Abs. 1 Nr. 4 SächsPolG Personendurchsuchungen durchgeführt werden können.

Der innerstädtische Bereich rund um die Leipziger Eisenbahnstraße ist seit Jahren als ein solch "gefährlicher Ort" eingestuft. Es ist also davon auszugehen, dass die meisten Kontrollen und Durchsuchungen zur Einhaltung der Waffen- und Gefährlichegegenständeverbotszone nach § 23 Abs. 1 Nr. 4 SächsPolG durchgeführt wurden. Mit der Einführung der Verbotszone für das Mitführen von Waffen und gefährlichen Gegenständen erstreckt sich die Verbotszone über ein größeres Gebiet, als es der bisherige Kontrollbereich nach § 19 Abs. 1 Nr. 2 SächsPolG abbildete. Dieser Kontrollbereich reichte lediglich von der Eisenbahnstraße/Höhe Rosa-Luxemburg-Straße bis zur Hermann-Liebmann-Straße (Stichtag 30. Oktober 2018, vgl. Landtagsdrucksache 6/14914). Die Verbotszone erstreckte sich jedoch deutlich darüber hinaus und bis zur Elisabethstraße. Ein Konstruktionsfehler der Waffenverbotszone trotz monatelanger Arbeit des sächsischen Innenministeriums an diesen Verordnungen für die Verbotszone, der in das Gesamtbild passt.

Bild: Polizei Sachsen

Als die Sächsische Staatsregierung auf diese fehlende Deckungsgleichheit hingewiesen wurde, erweiterte die Polizeidirektion Leipzig kurzerhand den Kontrollbereich (vgl. Landtagsdrucksache 6/16077). Da noch zum 30. Oktober 2018 der Kontrollbereich der Polizei kleiner war als die am 4. Oktober 2018 veröffentlichte Verbotszone lässt sich der Eindruck nicht ganz von der Hand weisen, dass nicht die Lageeinschätzung der sächsischen Polizei über die Kriminalitätsbelastung an dem in Rede stehenden Ort ausschlaggebend für die räumliche Festlegung der Waffen- und Gefährlichegegenständeverbotszone war, sondern dass die Lageeinschätzung nachträglich der Verordnung angepasst wurde. Ob und wie viele unberechtigte Personenkontrollen durchgeführt wurden, weil beispielsweise den kontrollierenden Polizeibeamtinnen und -beamten die fehlende Deckungsgleichheit nicht bewusst war, lässt sich im Nachhinein nicht mehr feststellen.

Ohnehin ist es für die kontrollierten Personen nahezu unmöglich zu wissen, ob sie sich tatsächlich gerade in einem Kontrollbereich aufhalten und ob die Angabe der Rechtsgrundlage, nach der sie kontrolliert werden, zutrifft. Die Sächsische Staatsregierung führt hierzu aus:

Die Einschätzung muss einer stetigen Beurteilung und Überprüfung durch den örtlichen Polizeivollzugsdienst unterliegen, um den Voraussetzungen dieser Eingriffsbefugnis gerecht werden zu können. Bei dieser Lagebeurteilung und Ableitung der erforderlichen Maßnahmen handelt es sich um einen dynamischen Prozess mit permanenten Veränderungen. Aufzählungen im Rahmen der Beantwortung von parlamentarischen Anfragen betreffen als maßnahmenbezogen relevant genannte Orte. Dabei ist zu beachten, dass weder aus der Nennung eines Ortes folgt, dass auch künftig die Voraussetzungen einer Identitätsfeststellung nach § 19 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 SächsPolG vorliegen, noch umgekehrt aus der Nichtnennung der Schluss gezogen werden kann, dass diese nicht vorliegen.

Landtagsdrucksache 6/15964

Das heißt also, nur wer in den "dynamischen Prozess" der Lagebeurteilung eingebunden ist, kann überhaupt wissen, wann und wo sich gerade ein Kontrollbereich befindet. Den Otto-Normalbürgerinnen und -bürgern können sich somit das Instrument des Kontrollbereichs mitsamt den Kontrollbefugnissen einerseits und die Möglichkeiten der Wahrung der eigenen Rechte kaum bis gar nicht erschließen.

Auch mit dem zum 1. Januar 2020 in Kraft tretenden neuen Sächsischen Polizeivollzugsdienstgesetz (SächsPVDG) erhält die sächsische Polizei keine erweiterten oder neuen Befugnisse zur Durchsuchung von Personen und Sachen. Lediglich das Feststellen der Identität einer Person ist nunmehr nach § 15 Abs. 1 Nr. 7 SächsPVDG in Waffenverbotszonen unabhängig von anderen gesetzlichen Regelungen möglich. Sollten danach von einer Person die Identität festgestellt und zugleich die durch sie mitgeführten Sachsen einer Durchsuchung unterzogen werden, müsste dies auf eine andere Rechtsgrundlage gestützt werden, beispielsweise weiterhin auf die Anwesenheit an einem "gefährlichen Ort" nach § 27 Abs. 1 Nr. 4 und 5 SächsPVDG.

Warum mit der Neuregelung des sächsischen Polizeirechts neben der Identitätsfeststellung nicht zugleich die Durchsuchung von Personen in Waffenverbotszonen geregelt wurde, erschließt sich nicht. Die starke Unübersichtlichkeit der anzuwendenden gesetzlichen Regelungen besteht nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für die anwendenden Polizeibeamtinnen und -beamten.

Die Sächsische Staatsregierung argumentiert, dass das Durchsuchen von Personen, deren Identität nach dem neuem sächsischen Polizeirecht in Waffenverbotszonen festgestellt wurde, nach § 27 Abs. 2 SächsPVDG möglich sei (Landtagsdrucksache 6/18663). Dort ist geregelt:

Die Polizei kann eine Person, deren Identität nach diesem Gesetz oder anderen Rechtsvorschriften festgestellt werden soll, nach Waffen, Sprengmitteln und anderen gefährlichen Werkzeugen durchsuchen, wenn dies nach den Umständen zur Sicherung eines Polizeibediensteten oder zum Schutz eines Dritten gegen eine Gefahr für Leben oder Gesundheit erforderlich erscheint.

Landtagsdrucksache 6/18663

Dies betrifft zwar auch Personen, deren Identität nach § 15 Abs. 1 Nr. 7 SächsPVDG in Waffenverbotszonen festgestellt werden darf, erscheint aber unseres Erachtens nicht bei anlassunabhängigen Kontrollen anwendbar, denn § 27 Abs. 2 SächsPVDG setzt eine konkrete Bedrohungssituation für Polizeibedienstete oder Dritte voraus, was bei einer anlassunabhängigen Kontrolle eben nicht grundsätzlich vorausgesetzt werden darf.

Das Durchsuchen von Gegenständen, die durch die Person mitgeführt werden, ist hingegen weiterhin nicht möglich, es sei denn, die Polizei beruft sich auf eine andere Rechtsgrundlage wie die Anwesenheit in einem Kontrollbereich. Das setzt wiederum wie bisher die räumliche Deckungsgleichheit von Kontrollbereich und Waffenverbotszone voraus, wodurch mit der zusätzlichen Norm zur Identitätsfeststellung praktisch nichts gewonnen wurde. Daraus ergibt sich, dass bestenfalls § 15 Abs. 1 Nr. 7 SächsPVDG praktisch keine Anwendung findet, aber schlimmstenfalls rechtswidrige Durchsuchungen von Personen und Sachen durchgeführt werden.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.