Wahlsieger Putin will auf die Wahlverlierer zugehen

Seite 2: Besuch in einem Moskauer Wahllokal

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Wahlen sind in Russland traditionell Anlass für Feiern und Musik. So war es auch vor der Schule Nr. 2101 an der Großen Filowski Straße im Westen Moskaus, wo sich die Wahllokale Nr. 2881 und 2880 befinden. Vor dem vierstöckigen Schulgebäude ging es am Sonntag lebhaft zu. Die Stadtverwaltung hatte einiges dafür getan, damit die Stimmabgabe ein feierliches Ereignis wird.

Ein junger Trainer spielte mit Kindern Fußball, drei junge Angestellte der örtlichen Bibliothek verteilten Anstecker und Luftballons mit dem Aufdruck "März 2018. Ich habe den Präsidenten gewählt" und in einem Zelt wurden Wurst und Konserven zu vergünstigten Preisen verkauft. Kartoffeln kosteten nicht 30 Rubel wie im Geschäft, sondern nur 20 Rubel. Eine Musikgruppe sang in gold-weißen Kostümen russische Volksmusik und tanzte.

Eine Musikgruppe singt vor dem Wahllokal russische Volkslieder. Bild:Ulrich Heyden

Viele Familien waren zum Wählen fast geschlossen angerückt. Eine junge Mutter, die mit ihrer kleinen Tochter und der Großmutter vor dem Wahllokal stand, sagte, "wir haben Putin gewählt. Wir sind für seinen Kurs. Und wir hoffen, dass er seine Versprechen einhält." Was die wichtigsten Aufgaben für den Präsidenten seien, wollte ich wissen, die sozialen Fragen oder die Sicherheit. "Natürlich die Sicherheit, denn wir sind eine Familie und wir haben Kinder."

Auf die Frage, ob die angespannte internationale Situation die Bereitschaft der Menschen zum Wählen erhöht, meinte die junge Mutter, "nein, zur Wahl zu gehen, das ist unsere zivile Verantwortung und Ausdruck unserer Gefühle und Wünsche. Amerika hat damit nichts zu tun."

Fernseh-Wahl-Debatten "wie im Zirkus"

Ein junger Mann erklärte, Putin werde die Wahl sicher gewinnen, denn die anderen Kandidaten hätten sich bei den Fernseh-Debatten völlig blamiert, indem sie versucht hätten, sich gegenseitig zu überschreien. Das seien keine Debatten, sondern das sei "ein Zirkus" gewesen. In Russland müsse dringend der soziale Graben beseitigt werden, der sich zwischen wenigen ganz Reichen und dem Rest des Volkes auftut. Sonst werde Russland sich nicht entwickeln können.

Verkauf verbilligter Lebensmittel vor Wahllokalen in Moskauer Schule Nr. 2101. Bild: Ulrich Heyden

Im Wahllokale 2881 mussten sich die Wähler mit ihrem Pass registrieren und bekamen dann einen Wahlzettel, den sie nach dem Ausfüllen in einen Scanner schieben mussten. Der Wahlzettel war auf der Rückseite mit einem Sicherheitssiegel versehen. Die großen Displays der beiden Scanner im Wahllokal 2881 zeigten um 15:30 in großen Ziffern an, dass 700 Menschen abgestimmt haben. 1940 Wahlberechtigte waren im Verzeichnis der örtlichen Wahlkommission registriert.

In der Flash-Card am Scanner sind die Wahlergebnisse gespeichert. Bild: Ulrich Heyden

Die Scanner sind mit der Wahlzentrale nicht verbunden, erklärte mir ein Mitglied der örtlichen Wahlkommission. "Die Daten werden auf einer Flashcard gespeichert. Um 20 Uhr (wenn das Wahllokal schließt, U.H.) schaltet sich der Scanner automatisch ab und der Printer druckt das Ergebnis aus." Das Wahl-Protokoll werde dann mit einem Sicherheitssiegel versehen und an die Zentrale Wahlkommission geschickt. Der Wahlausschuss des Wahllokals 2881 war mit Vertretern verschiedener gesellschaftlicher Organisationen besetzt. Auch ein Mitglied der oppositionellen Partei Jabloko befand sich darunter.

Außerdem gab es im Wahllokal vier Beobachter, von KPRF-Kandidat Pawel Grudinin, der Kandidatin Ksenia Sobtschak, von Wladimir Putin sowie von der Bürgerkammer.

Luftballon mit Aufschrift: "Meine Mama wählte den Präsidenten". Bild: Ulrich Heyden

Russen in der Ukraine durften nicht wählen

Die Menschen in der Ukraine, die einen russischen Pass haben, konnten ihr Recht auf Teilnahme an der russischen Präsidentschaftswahl am Sonntag nicht ausüben. Die russischen Konsulate in Kiew, Odessa, Charkow und Lviv hatten zwar geöffnet, doch die Konsulate wurden den ganzen Sonntag über von ukrainischen Polizisten und Ultranationalisten blockiert. In Odessa gab es eine Bombenwarnung für den Bezirk, in dem das russische Konsulat liegt.

Das ukrainische Innenministerium hatte am Freitag mitgeteilt, man werde Russen nicht gestatten, in den russischen Botschaften ihre Stimme abzugeben. Die Entscheidung wurde damit begründet, dass Russland die Präsidentschaftswahlen auch auf der Krim durchführen wolle. Nach einer Meldung der Nachrichtenagentur TASS riet das ukrainische Außenministerium den in der Ukraine lebenden Russen, zur Wahl nach Russland zu fahren.