War Propaganda-Nestor Lippmann wirklich Propaganda-Kritiker?

Seite 3: Lippmann antwortet mit Hohn: Warum regt sich dieser Sinclair so auf?

Geht Lippmann darauf ein? Wie verteidigt er die manipulative US-Mainstream-Presse?

Lippmann wirft Sinclair vor, er würde ein Konzept einer absoluten Wahrheit vertreten, die durch "die Finanzwelt" mehr oder weniger bewusst unterdrückt werde.

Aber so meint Lippmann, auch die "antikapitalistische Presse" enthalte "Beispiele von Unfairness und Lügenhaftigkeit": Sinclair könne "niemanden, nicht einmal sich selbst davon überzeugen, dass die antikapitalistische Presse das Heilmittel für die kapitalistische Presse ist".11

Genauer gesagt, fragt Lippmann dort Upton Sinclair süffisant, warum dieser seinen Lesern nicht einfach den Rat gibt "das nächste radikale Blatt zu abonnieren". Als wäre nicht jede einzelne Seite von "The Brass Check" ein flammender Appell genau zu dieser Wahl -und voller Beweise dafür, dass eben diese freie Wahl durch ein korruptes, brutales und tückisches Presseregime unterdrückt wird. Lippmann Antwort scheint vor diesem Hintergrund nicht frei von einer gewissen Häme.

Und die Frage nach Fake News, Lügen, Hetz-Kampagnen? Lippmann wirft einfach wie Pontius Pilatus die Hände in die Luft und seufzt "Was ist Wahrheit!" Wenn es keiner genau weiß, wie die Philosophen sagen, wenn es die breite Masse ohnehin nicht interessiert, die man laut Lippmann am Besten von wichtigen Entscheidungen fern hält oder ihr eine Gehirnwäsche verpasst, warum regt sich dieser Sinclair dann so auf?

Seine radikalen Blätter machen doch ebenso ihre Propaganda und das ist laut Lippmann der Beweis, dass man "den Kapitalismus" nicht "für die Fehler der Presse verantwortlich machen" kann.12 Erstens ist diese Argumentation natürlich logisch falsch und zweitens wird Sinclair damit sehr rüde beiseite gelegt. Andere bewerten Sinclair Beitrag zur Pressekritik noch 80 Jahre später weit freundlicher.

Es war eine Zeit, die der heutigen verblüffend ähnlich ist und insbesondere die Korruption der Demokratie durch politische und wirtschaftliche Eliten widerspiegelt, deren Kontrolle über die Medien das öffentliche Bewusstsein, die Debatte und den Aktivismus abwürgt. Im Gegensatz zu heute war jedoch die radikale Kritik am kapitalistischen Journalismus während der Progressiven Ära ein beherrschendes Thema in der Linken, insbesondere in der sozialistischen, anarchistischen und progressiven Presse.

Dies war das Goldene Zeitalter der radikalen Pressekritik, und Upton Sinclair stand in seinem Epizentrum.

Scott, McChesney, Upton Sinclair und die Widersprüche des kapitalistischen Journalismus