Warum das Verbot des Kükentötens nicht ausreicht
Bis Ende 2021 wurden männliche Küken in der Regel massenhaft geschreddert oder vergast. Ein Verbot soll nun erweitert werden. An diesen Stellen ist Nachbesserung nötig.
Nach dem Willen des Bundeskabinetts soll es eine Anpassung beim Verbot des Kükentötens geben. Das kommt überraschend. Denn bis es überhaupt zu einem gesetzlichen Verbot in Deutschland gekommen ist, hat es lange gedauert. Und das, obwohl man bereits 2002 – in Artikel 20a des Grundgesetzes – auch den Tierschutz zum Staatsziel erhoben hatte.
Die Widerstände aus der Fleischindustrie waren wohl einfach zu groß und die Politik eher unwillig, um eine schnellere Umsetzung zu schaffen.
So bedurfte es erst einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, bevor der Gesetzgeber aktiv wurde. Seinem Urteil aus dem Jahre 2019 (NJW 2019, 3096) stellte das Bundesverwaltungsgericht folgenden Leitsatz voran:
Im Lichte des Staatsziels Tierschutz ist das wirtschaftliche Interesse an speziell auf eine hohe Legeleistung gezüchteten Hennen für sich genommen kein vernünftiger Grund im Sinne von § 1 S. 2 TierSchG für das Töten der männlichen Küken aus diesen Zuchtlinien. Ist jedoch absehbar, dass in Kürze Alternativen zum Töten der Küken zur Verfügung stehen, die den Brutbetrieb deutlich weniger belasten als die Aufzucht der Tiere, beruht eine Fortsetzung der bisherigen Praxis für eine Übergangszeit noch auf einem vernünftigen Grund im Sinne dieser Regelung.
Seit Anfang 2022 ist das routinemäßige Kükentöten gesetzlich verboten. Um die männlichen, aus wirtschaftlicher Sicht unbrauchbaren Tiere dennoch rechtzeitig ausfiltern zu können, setzt man deshalb bereits vor dem Schlüpfen an.
Das Geschlecht wird schon im Ei bestimmt: Handelt es sich um einen männlichen Hühnerembryo, wird die Bebrütung abgebrochen. An dieser Stelle soll es nun zu einer Anpassung im Tierschutzgesetz kommen.
Bislang ist es so, dass vom 1. Januar 2024 an zusätzlich ein Verbot gilt, die Bebrütung männlicher Embryonen unter Zuhilfenahme der Geschlechtsbestimmung ab dem siebten Bebrütungstag abzubrechen. Hintergrund ist das Schmerzempfinden der Hühnerembryonen. Dazu liegen dem Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) jetzt jedoch neue Erkenntnisse vor:
Ein Entscheidungshilfe-Vorhaben des BMEL ist zu dem Ergebnis gekommen, dass ein Schmerzempfinden der Hühnerembryonen erst ab dem 13. Bebrütungstag nicht mehr ausgeschlossen werden kann. Aus diesem Grund plant das BMEL, bei dem im Jahr 2024 greifenden Verbot den 7. durch den 13. Bebrütungstag zu ersetzen. Die hierfür erforderliche Gesetzesänderung soll so bald wie möglich und jedenfalls vor dem Jahr 2024 erfolgen.
Dennoch: Enttäuscht sein werden all diejenigen, die sich unter dem Wort "Anpassung" vor allem eine stärkere Ausweitung des Tierschutzes im Bereich der Hühnerindustrie vorgestellt haben.
Denn das Kükentöten steht in direktem Zusammenhang mit weiteren Tierwohlproblemen, ausgelöst vor allem durch wirtschaftliches Profitstreben.
Die Zucht und Mast der Legehennen sollte nach wie vor auf den Prüfstand gestellt werden. Ebenso die Tatsache, dass im europäischen Ausland das Kükentöten – sei es durch Schreddern oder Vergasen – teilweise noch gang und gäbe ist.
Oder der Umstand, wie die Tierschutzorganisation Peta berichtet, dass männliche Küken kurzerhand zum Vergasen ins Ausland transportiert werden.
Nicht nur Hinschauen, sondern auch Handeln ist daher wichtig, um den Tierschutz praktisch werden zu lassen. Und dafür haben wir sie ja, unsere Politikerinnen und Politiker.