Warum die Griechen über Faxgeräte in Deutschland lachen
Deutschland in der Flaute, gute Zahlen aus Athen: Das Verhältnis hat sich seit der Schuldenkrise verändert. Das hat auch mit Strukturreformen zu tun.
Die Wirtschaft in Deutschland steckt in einer Krise. Mit dem Staatsetat gibt es Probleme. Die Bundesregierung geht von einem Minus von 0,4 Prozent beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) für 2023 aus. Für 2024 wird eine leichte Erholung von 1,3 Prozent erwartet.
Der frühere EU-Pleitestaat Griechenland erwartet dagegen für 2023 ein Wachstum von 2,4 Prozent und für 2024 einen weiteren Zuwachs von 2,5 Prozent.
Haben die Reformen in Griechenland gewirkt?
Nun leidet auch Griechenland unter der Inflation, hohen Energiepreisen und hohen Rüstungsausgaben. Die EU-Vorgaben zur Begrenzung der Klimakatastrophe werden auch in Griechenland umgesetzt. Griechenland ist finanziell noch nicht endgültig gerettet, aber auf einem guten Weg dorthin.
Haben die von der Kreditgebertroika diktierten Reformen gewirkt?
Braucht vielleicht auch Deutschland die Reformen, die der jüngst verstorbene frühere Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble maßgeblich mitbestimmt hat?
Unter anderem versuchte Schäuble, Parlamentswahlen in Griechenland aufschieben zu lassen.
Reformen wirken – aber nicht die der Troika
Fakt ist, dass Griechenland aktuell Investoren anzieht, und es für seine Reformen gelobt wird. Allerdings nicht die Reformen, die seinerzeit von den Kreditgebern des IWF, der EZB und der EU, sowie über die Diktate der Eurogruppe auferlegt wurden.
Damals wurde, teilweise erpresserisch, einfach querbeet der Rotstift angelegt. Weil es den Kreditgebern schlicht um Zahlen ging, musste im Juni 2013 kurzerhand der öffentliche Rundfunk geschlossen werden, damit der IWF 2.656 Entlassungen öffentlicher Angestellter vermelden konnte.
Diese und weitere Entlassungen wurden später durch Entscheid des zuständigen obersten Gerichts als illegal erklärt. Genutzt haben sie ohnehin nicht viel. Mit Einstellungsstopps belegte Verwaltungen konnten mangels Personalmangel ihre Arbeit nicht mehr erledigen.
Eine Verwaltung mit monströser Bürokratie
Zur Zeit der Staatspleite wurde in aller Welt über die ineffektive griechische Verwaltung berichtet. Jedes Ministerium, jede Gemeinde, jede Präfektur und jedes Amt pochten auf die eigene Zuständigkeit.
Zwar gab es EDV-Systeme, jedoch waren die untereinander weder vernetzt noch kompatibel. Ergo mussten die Bürger von einem Amt zum nächsten geschickt werden, dort Wartezeiten in Kauf nehmen und schließlich mit einem Paket gesammelter Dokumente bei einem weiteren Amt den ersehnten Antrag stellen.
Der Personalmangel verschlimmerte die Situation nur noch mehr. Für die Privatwirtschaft bedeutete das Bürokratiemonster verlorene Arbeits- und Lebenszeit und damit empfindliche, aber unnötige Kosten.
Überlastung und Mangel in deutschen Ämtern
Ähnliche Situationen gibt es aktuell in Deutschland. Die Ämter und die öffentlichen Einrichtungen sind überlastet. In der Bundeshauptstadt Berlin scheint die Verwaltung trotz Online-Terminvergabe nicht in der Lage zu sein, Bürgern die Einhaltung von Fristen zu garantieren.
"Sollten Sie in einem Notfall, z.B. aufgrund abgelaufener Dokumente oder aus anderen nachvollziehbaren wichtigen Gründen Ihr Anliegen zeitnah erledigen müssen, gehen Sie bitte ohne einen Termin in eines der Berliner Bürgerämter und schildern Sie dort Ihren Notfall am Informationstresen", wird für solche Fälle empfohlen.
Der Personalmangel im öffentlichen Dienst wird sich in Berlin und weiteren Kommunen in Deutschland zeitnah weiter verschärfen.
Bildung, Verkehr und andere Bereiche betroffen
Er betrifft außer der Verwaltung auch weitere öffentliche Dienste wie Kitas und Schulen.
Auch beim ÖPNV, der für die Bekämpfung der Folgen des Klimawandels wichtig ist, fehlt es allerorts am notwendigen Personal.
Dass eine überbordende Bürokratie die Finanzmittel für die übrigen Dienstleistungen des Staats bindet und gleichzeitig neben Energiekosten, Lohnkosten und Steuern ein weiterer Standortnachteil ist, ist eine Binsenweisheit.
Trotzdem setzt die aktuelle Ampel-Koalition wie beim Beispiel der viel beworbenen Kindergrundsicherung auf mehr statt weniger Bürokratie.
Digitalisierung als effektive Sparmaßnahme
Die zart fortschreitende Digitalisierung wird ebenfalls nicht zielgerichtet umgesetzt. Was nutzt eine Digitalisierung, wenn Bürger für ein erweitertes Führungszeugnis erst einmal elektronisch einen Termin beim Amt anmelden müssen, dann mitsamt dem verlangten physischen Ausdruck für die Notwendigkeit der Beantragung des Führungszeugnisses persönlich zum Amt müssen, um danach einige Wochen auf die postalische Zusendung des Dokuments zu warten?
Dass dadurch zusätzliche Arbeitsschritte entstehen und mehr Verwaltungskräfte gebunden werden, sollte jedem verantwortlichen Planer bewusst sein. Dann gibt es am 27. Dezember behördliche Antworten, wie "aufgrund der Vielzahl der Anträge kann eine Bearbeitung leider frühestens im zweiten Quartal des kommenden Jahr (sic!) stattfinden."
Griechenland hat sich erneuert
Hier ist Griechenland tatsächlich in einer anderen Zeitepoche angekommen. Sämtliche Anträge des Alltags können von den Bürgern über eine vereinigte staatliche Plattform online beantragt werden. Unter gov.gr sind sämtliche Ministerien, Regionalämter, Kommunen unter einem Träger vereinigt.
Der Zugang zum System wird über die Zugangscodes zur Finanzverwaltungsseite geregelt. Damit ist die praktischerweise die unabhängige Behörde für öffentliche Einnahmen bei Anträgen auf Sozialgelder direkt eingebunden. Die Entscheidung über entsprechende Anträge erfolgt umgehend.
Für das besagte Führungszeugnis sind im griechischen Digitalsystem nur wenige Klicks, ohne Weg zum Amt, notwendig. Angeforderte Dokumente kommen nach kurzer Bearbeitungszeit mit elektronischer Unterschrift per Mail oder zum Download. Das spart Portogebühren.
KI-basierter Assistent hilft
Bei wiederholt abgerufenen Dokumenten, wie Geburtsurkunden, gibt es nach der ersten Beantragung keinerlei Bearbeitungszeit.
Weil auch mit einheitlicher Internetplattform die einzelnen Regeln der 21 Ministerien, 85 staatlicher Organisationen, 13 unabhängiger Behörden und 13 Regionen nicht für jeden transparent sind, gibt es mit mAIgov einen auf KI basierenden Assistenten, der bei der Antragsstellung hilft.
Vor gar nicht so langer Zeit schauten die Griechen neidisch auf Deutschland, wenn es um Behördengänge ging.
Nun amüsieren sie sich darüber, dass es in einigen deutschen Amtsstuben und Sozialversicherungsanstalten noch Fax gibt.
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