Warum es nächste Woche mit der Hilfe der Basken eine katalanische Regierung gibt

Seite 2: Puigdemont wird zumindest zunächst nicht Präsident werden

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Dass Puigdemont und Comín ihre Stimmen delegieren dürfen, ist aus juristischer Sicht nur logisch. Sie können derzeit Deutschland und Belgien nicht verlassen, weil über ihre Auslieferung nach Spanien entschieden wird. Sie verfügen gleichzeitig aber auch über alle zivilen und politischen Rechte. Zudem erlaubt auch Richter Pablo Llarena auch den Parlamentariern, die er willkürlich mit dubiosen Anschuldigungen wie Rebellion und Veruntreuung inhaftiert hat, ihre Stimmen delegieren zu dürfen.

Eigentlich müsste er sie auch ins Parlament lassen, da sie in einer Demokratie über die Unschuldsvermutung weiter über alle Rechte verfügen. Das verhinderte der Regierungsrichter am Obersten Gerichtshof aber, sonst hätte Katalonien längst mit Jordi Sànchez einen neuen Präsident. Sogar gegen die Auflagen des Menschenrechtskomitees der UNO hebelte Llarena im Dienst der Regierung die Rechte von Sànchez aus. Er sitzt deshalb selbst schon auf einem Schleudersitz, da er auch wegen Rechtsbeugung verklagt wurde. Das hatten auch spanische Verfassungsrechtler den Katalanen empfohlen, die nicht zusehen wollen, wie willkürlich demokratische Standards geschleift werden.

Die Frage der beiden Stimmen von Puigdemont und Comín sind von enormer Bedeutung. Denn nun können die beiden großen Unabhängigkeitsparteien, Gemeinsam für Katalonien (JxCat) und die Republikanische Linke Kataloniens (ERC) auch ohne die Stimmen der linksradikalen CUP einen Kandidaten im zweiten Wahlgang wählen. Dann reicht die einfache Mehrheit von 66 Stimmen, wenn sich die CUP enthält. Dürfte Comín oder Puigdemont aber nicht abstimmen, gäbe es ohne die CUP eine Pattsituation. Dürften beide nicht abstimmen, fiele jeder Kandidat der Unabhängigkeitsparteien auch in der zweiten Abstimmung durch.

Dass die CUP gegen einen neuen Kandidaten oder Kandidatin stimmt - aller Wahrscheinlichkeit aus Puigdemonts JxCat -, ist nahezu ausgeschlossen. Dass sich die Antikapitalisten Ende März im ersten Wahlgang enthalten hatten und damit Jordi Turull durchfallen ließen, was es dem Richter Llarena ermöglichte, ihn vor dem zweiten Wahlgang noch schnell zu verhaften und zu inhaftieren, hatte für einen Entrüstungssturm an ihrer Basis gesorgt. Der wäre noch stärker, würden sie sogar gegen einen von Puigdemont ausgewählten Kandidaten stimmen. Die CUP will, egal wie die spanische Rechtslage aussieht, den "legitimen Präsidenten" Puigdemont wieder ins Amt wählen.

Aber eigentlich ist nun für alle klar, dass Puigdemont offiziell - zumindest vorerst - nicht erneut katalanischer Präsident wird. Es ist sogar zu vermuten, dass er von der Schwesterpartei PNV in den Deal einbezogen, aber wenigstens darüber informiert worden ist. Für die PP ist es wichtig, um ihr Gesicht zu wahren, dass Puigdemont nicht erneut kandidieren kann. Dafür hatte sie bisher alles getan. In einer Sondersitzung des Kabinetts hat sie nun am Mittwoch auch eine Beschwerde gegen die Reform der katalanischen Parlamentsstatuten beschlossen, die eine Fernwahl Puigdemonts über eine Telematik-Lösung aus dem deutschen Exil ermöglichen sollte.

Das neue Gesetz wurde am frühen Mittwoch im Gesetzesblatt veröffentlicht und schon um 11 Uhr trafen sich die spanischen Minister, um es über das Verfassungsgericht wieder auszuhebeln. Dass das so unabhängige Gericht der Regierung nun einen Strich durch die Rechnung macht und nun keine vorläufigen Maßnahmen wie im Fall der Ciudadanos-Beschwerde verhängt, braucht niemand zu erwarten. Es war klar, dass das von Richtern bestimmte Gericht, die von PP entsandt wurden, die Planungen von Rajoy nicht durcheinanderwerfen werfen würden. Da auch in diesem Fall die höchsten Richter wie üblich Gewehr bei Fuß standen, weil es um ein Anliegen der Regierung ging, ist die Reform des Präsidentengesetzes nun auch wieder sehr schnell in Rekordzeit über die Bühne gegangen. In nur wenigen Stunden haben die Richter die Beschwerde angenommen und die Reform vorläufig ausgesetzt.

Es muss nun alles sehr schnell gehen, damit der Plan aufgeht. Belgien könnte ihn nämlich am 16. Mai durcheinanderwerfen. Aller Wahrscheinlichkeit wird das Land den zweiten Europäischen Haftbefehl gegen Toni Comìn abweisen. Den ersten hatte Llarena wegen Aussichtslosigkeit schon freiwillig im vergangenen Herbst zurückgezogen. Das bedeutet, dass er sich dann wieder frei bewegen kann. Derzeit darf er Belgien nicht verlassen, kann also nicht ins katalanische Parlament, ohne die Auflagen zu brechen. Das ist gleichzeitig Voraussetzung, um seine Stimme delegieren zu können.

Im Fall von Puigdemont müsste die Tatsache, dass er Deutschland wegen dem spanischen Haftbefehl nicht verlassen darf, eigentlich dazu führen, dass er in Abwesenheit gewählt werden kann. Doch das wird das Verfassungsgericht auf Druck der Regierung verhindern, daran zweifelt eigentlich auch niemand.

Weist Belgien die absurden Vorwürfe gegen Comín zurück, dann dürfte er seine Stimme ab dem 16. nicht mehr delegieren. Deshalb dürfen wir davon ausgehen, dass spätesten am kommenden Montag - vermutlich früher - der erste Wahlgang stattfinden wird, um vor dem 16. eine Investitur im zweiten Wahlgang sichern zu können. Bleibt nur noch abzuwarten, wen Puigdemont nun als Vertreter benennt, um vor Ort in Katalonien den Präsidenten zu geben. Er wird aber im Hintergrund aus Deutschland oder Belgien weiter die Fäden ziehen. Geplant ist, dafür einen Rat der katalanischen Republik zu gründen, der im Exil eine Art parallele Regierung darstellt. Vermutlich wird Puigdemont noch die Entscheidung des Verfassungsgerichts abwarten, um dann zum Plan D zu greifen und einen Vertreter zu benennen.

PP scheint die Auslieferung von Puigdemont derzeit nicht mehr erzwingen zu wollen

All diese Vorgänge, die nun den Weg zur Regierungsbildung freimachen, werfen auch ein neues Bild darauf, dass in Deutschland auch die Auslieferung an Spanien wegen angeblicher Untreue wankt. Die Rebellionsvorwürfe Llarenas hatte das Oberlandesgericht (OLG) in Schleswig-Holstein ohnehin schnell als "von vorneherein unzulässig" abgehakt und ihn aus der Haft entlassen. Die angebliche Veruntreuung kann Llarena aber ebenfalls nicht untermauern, denn er kann nicht beweisen, dass die Regierung Puigdemont öffentliche Gelder für das Unabhängigkeitsreferendum ausgegeben hat. Dass es strafbar ist, Geld für Vorhaben nach Beschlüssen des Parlaments auszugeben, ist ohnehin zweifelhaft.

Dazu kommt noch, dass das Referendum vom Verfassungsgericht erst nach der Durchführung rechtskräftig verboten wurde. Schon deshalb ist die Anschuldigung mehr als fraglich. Sogar der spanische Finanzminister hatte kürzlich erklärt, dass kein Euro für das Referendum geflossen sei. Und Cristóbal Montoro muss es wissen, schließlich hatte Spanien den Katalanen schon vor der Abstimmung die Finanzhoheit genommen und die Finanzen unter Aufsicht von Montoro gestellt.

Dass Montoro seinen Richter Llarena derart vor den deutschen Kollegen bloßgestellt hat, könnte auch mit dem Deal zu tun haben. Denn die PNV würde es erneut unter Druck bringen, wenn der legitime Präsident, der Chef der Schwesterpartei, ausgeliefert und im Knast sitzen würde. So dürfte die PP derzeit kein reales Interesse an einer Auslieferung haben und entsprechend verhält sich auch der Finanzminister. Llarena hat, so sehen es Zeitungen in Katalonien, seinen Konflikt mit Montoro nun nach Schleswig verlagert.

Die geforderten Nachweise einer angeblichen Veruntreuung - also Ausgaben für das Referendum - liefert er dem OLG nicht. "Ich kann dazu definitiv keine Aussagen machen, da ich den Bericht des Finanzministeriums nicht erhalten habe", schreibt Llarena den deutschen Richtern. Um nicht ganz im Regen zu stehen, schließlich klagt er 23 Menschen an und hat einige sogar inhaftiert, fabuliert er angesichts fehlender Beweise von der "Kraft der Indizien". Ob diese substanzlosen Indizien die deutschen Richter beeindrucken werden, darf stark bezweifelt werden.

Der belgische Anwalt von Comín ist überzeugt, dass Belgien ihn und die beiden Exilierten ehemaligen Regierungsmitglieder Lluís Puig und Meritxell Serret angesichts dieser Lage nicht ausliefern wird, womit es das OLG in Schleswig noch schwerer hätte, dem Ansinnen Llarenas nachzukommen. Paul Bekaert meint, Belgien sei "demokratisch" und wolle keinen "Missbrauch" des Europäischen Haftbefehls, der für ihn "auf der Hand" liegt. Über ihn sollen "Verbrechen verfolgt werden, aber keine Politik". Der Anwalt verwies auch auf die Absonderlichkeit, dass ein Land zweimal solche Haftbefehle ausstellt. Die Lage wird für Llarena brenzlig, werden alle Anträge abgelehnt. Er stünde schnell als Sündenbock da und könnte angesichts der Klagen gegen ihn sehr bald selbst auf einer harten Anklagebank sitzen.

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