Warum geklonte Menschen auf sich warten lassen

Es sind grundsätzliche Probleme in der Entwicklung embryonaler Zellen, weswegen das therapeutische Klonen von Primaten auf der Stelle tritt und das reproduktive Klonen zunächst unmöglich ist

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Die Arbeitsgruppe von Gerald Schatten am Pittsburgh Development Center berichtet in Science über ihren permanenten Mißerfolg, 716 Eizellen von Rhesusaffen durch verschiedene Formen des Zellkerntransfers zum Leben zu erwecken. Nach Ansicht der Forscher liegt es an den Chromosomen und dem komplizierten System der Zellteilung (Miosis).

Die Anordnung der Zentromeren ist fehlerhaft. Das Kinesin Motor Protein Eg5 ist vorhanden, nicht jedoch ein zweites Motor Protein namens HSET. (Credit: Science)

"Die Chromosomen trennen sich nicht ordnungsgemäß. Von der ersten Zellteilung an gibt es falsche Entwicklungen und Störungen, die das Weiterleben unmöglich machen," so Gerald Schatten. "Wir markieren mit Antikörpern die Zellproteine und DNA, um den Ablauf der Miosis zu verfolgen. Dabei stellen wir fest, dass die Reaktionen, die normalerweise ablaufen, nicht oder mehrfach fehlerhaft funktionieren. Bereits der nächste Schritt potenziert die Störungen" erläutert Calvin Simerly, der Erstautor des Teams.

Zentrales Element ist die Spindel, die normalerweise die Ausrichtung der Chromosomen bewirkt und dafür Sorge trägt, dass die beiden neu gebildeten Zellen dasselbe Muster erhalten. Die Farbmarkierungen machen deutlich, wie sehr die Spindel im Vergleich zu normalen Zellen (vgl. Wenn die Zellen laufen lernen) deformiert ist. Selbst die gewöhnlichen Proteine, die unter regelrechten Bedingungen im Zellkörper nachgewiesen werden, fehlen oder sind unvollständig ausgeprägt. Dadurch entstehen im Verlauf der Spaltung chaotische Zustände mit falscher Zuordnung der Chromosomen oder ungleichen Chromosomenzahlen.

Defekte Spindel und falsch angeordnete Chromosomen bei der Zellteilung nach dem Zellkerntransfer. (Credit: Science)

Seit 1997, als die westliche Welt das Schaf Dolly kreierte, schien alles so einfach. Man nehme eine Eizelle, entferne den ursprünglichen Zellkern und ersetze ihn durch den Kern des gewünschten Individuums. Eingepflanzt in die Gebärmutter entsteht daraus das Ebenbild desjenigen, dessen Kern benutzt wird.

Weltweit sind Tausende von geklonten Tieren aufgezogen worden (vgl. Die heimliche Supermacht im Klonen). Neben Schafen sind es Kühe, Schweine, Ziegen und Mäuse. Ungleich seltener sind Berichte zum Klonen von Ratten, Kaninchen, Hunden und Katzen. Selbst bei den fünf bevorzugten Tierarten ist die Erfolgsquote außerordentlich gering: gemessen am lebenden Nachwuchs liegt sie zwischen 1-4 Prozent. Was bedeutet, dass auf 100 geklonte Eizellen, die in weibliche Tiere implantiert werden, bestenfalls vier lebensfähige Nachkommen geboren werden. Störungen im Muster oder in der Funktion der Chromosomen verursachen die vorgeburtlichen Schäden, die zum pränatalen Absterben oder zu Missgeburten führen. Ferner beweist der frühe Tod von Schaf Dolly, dass Überleben nicht normale Gesundheit bedeutet.

Der Zellkerntransfer geht von der simplen Annahme aus, dass Kern und Zytoplasma zwei voneinander trennbare Elemente sind. Das eine kann nicht ohne das Andere sein, und so wird der Transfer als eine Art Organtransplantation verstanden. Die ersten Erfolge bei Fischen und niedrigen Säugetieren schienen dieser Theorie Recht zu geben. Die offensichtlichen Misserfolge werden zumeist über technische Unzulänglichkeiten im Transfer oder nach der Implantation in die Surrogatmutter erklärt. "Wahrscheinlich liegt es am Mangel wichtiger Proteine. Während bei den Säugetieren immer noch funktionsfähige Reste erhalten bleiben, trifft das für die offenbar weitaus kompliziertere Eizelle von Primaten nicht mehr zu," versucht Gerald Schatten die Ergebnisse seiner Arbeitsgruppe zu erklären.

Der Misserfolg wurde indes von anderen Wissenschaftlern vorhergesagt. Die Kritiker sehen die Chromosomen in einer statischen Rolle: wie eine Bibliothek speichern sie die Informationen. Die eigentlichen Akteure sind small RNAs (vgl. Warum die Morgenröte des Genoms verblasst), die auf die Bibliothek zugreifen, sobald es die Funktion der Zelle erfordert.

Erst 1993 entdeckt besteht heute kein Zweifel mehr, dass small RNAs in jeder Tier- und Pflanzenzelle Schlüsselfunktionen kontrollieren. Dazu gehören die Regulation der Genexpression ebenso wie die Umwandlung von Zellen in spezifische Organzellen (u.a. Lunge, Leber, Gehirn). Small RNAs aktivieren oder deaktivieren ganze Chromosomen oder regionale Abschnitte. An Hefezell-Mutanten ist nachgewiesen, dass ohne small RNAs die Zellteilung versagt oder falsch abläuft, weil kein Heterochromatin gebildet wird.

Im Licht dieser Erkenntnisse ist für das reproduktive Klonen der vorläufige Endpunkt erreicht. Gerald Schatten erklärt:

Die heute benutzten Techniken, um das Schaf Dolly, Mäuse oder Haustiere zu entwickeln, funktionieren nicht bei nicht-menschlichen Primaten und sicherlich nicht beim Menschen. Ich will nicht behaupten, dass es immer so bleiben wird. Mit genügend Zeit und Material werden wir vielleicht einmal herausfinden, wie es wirkt. Auf jeden Fall funktioniert es heute und jetzt nicht.

Verflogen ist zugleich die Hoffnung der Genetiker auf den schnellen Erfolg des therapeutische Klonens. Mit der Methode des Zellkerntransfers entstehen zweifellos abnorme Zellen, schlimmstenfalls Krebszellen. Wahrlich keine gute Ausgangsbasis für therapeutisch geklontes Ersatzgewebe.