Warum wir ein Bündnis für eine terrestrische Zukunft brauchen
Seite 4: Warum gab es kaum Debatten über Alternativen?
- Warum wir ein Bündnis für eine terrestrische Zukunft brauchen
- Welche Folgen hatte die Lockdown-Politik?
- Von "Eigenverantwortung" und "Freiheit" in der Corona-Pandemie
- Warum gab es kaum Debatten über Alternativen?
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Erstens wurde und wird der politische und leitmediale Konsens in Bezug auf die scheinbare Alternativlosigkeit und moralische Richtigkeit der Corona-Politik von Funktionseliten getragen, die von den Schädigungen und Einschränkungen der Lockdowns deutlich weniger betroffen war als weite Teile der Bevölkerung. Ein von Geschäftsterminen, Ausstellungseröffnungen und Opernbesuchen bereinigter Terminkalender konnte zunächst gar nicht als Schädigung, sondern als Befreiung empfunden werden.
Für einen Großteil der arbeitenden Bevölkerung hingegen gab es weder die Möglichkeit zum Homeoffice noch eine geräumige Altbauwohnung oder ein Haus auf dem Land, um sich "sozial zu distanzieren" und dennoch weiterzuarbeiten. Oder wie es der Autor und Kunstkritiker J.J. Charlesworth in einem Tweet auf den Punkt brachte:
There was never any lockdown. There was just middle-class people hiding while working-class people brought them things.
Zweitens bedeutete die Lockdown-Politik für die besonders Vermögenden nicht nur eine weniger gravierende Erfahrung von Einschränkungen, sondern ein historisch einmaliges Wachstum von Vermögen. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, hält fest, dass "2020 für die Hochvermögenden das finanziell erfolgreichste Jahr in der Menschheitsgeschichte" war: Milliardäre konnten ihre Vermögen während der Pandemie um fünf Billionen Dollar steigern, was einem Anstieg um rund 60 Prozent innerhalb eines Jahres auf 13 Billionen US-Dollar entspricht.2
In einer noch vor Corona verfassten Studie aus dem Januar 2020 kam Oxfam zu dem Ergebnis, dass die reichsten 2.153 Personen mehr Vermögen besitzen als 60 Prozent der Weltbevölkerung.3 Die politische Reaktion auf Corona hat diese horrende Macht- und Vermögensungleichheit noch mal massiv verschärft. Der beispiellose Anstieg der Vermögen der Superreichen erklärt sich vor allem mit den gigantischen Anleihekaufprogrammen der Zentralbanken.
Die amerikanische Notenbank kaufte zeitweise mehr als eine Million Dollar Staatsanleihen pro Sekunde,4 mittlerweile sind es weiterhin 120 Milliarden Dollar pro Monat für Staatsanleihen und hypothekengesicherte Wertpapiere. Das bis März 2022 laufende "Pandemic Emergency Purchase Program" (PEPP) der Europäischen Zentralbank beläuft sich insgesamt auf 1,850 Milliarden Euro.
Während von dieser unvorstellbaren Geldschwemme hauptsächlich Besitzer von Aktien und sonstigen Vermögenswerten, also Reiche und Superreiche profitierten und mit ihr die sich zuspitzenden Widersprüche des Kapitalismus und die Agonie des Finanzsystems noch einmal bemäntelt werden konnten,5 schätzt die Weltbank, dass 2020 durch die Pandemiepolitik weltweit 111 bis 149 Millionen Menschen in absolute Armut gefallen sind.6 Und in einem Bericht vom November 2020 bezifferte das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen die Zahl der Menschen, die akut zu verhungern drohen, auf rund 272 Millionen Menschen, was einen Anstieg von 121 Millionen infolge der Pandemiemaßnahmen bedeutet.7 Allein dies würde genügen, um die Verhältnismäßigkeit der Lockdown-Politik massiv in Frage zu stellen.