Warum wir ein Bündnis für eine terrestrische Zukunft brauchen

Seite 3: Von "Eigenverantwortung" und "Freiheit" in der Corona-Pandemie

Endgültig als Fiktion dekonstruiert werden müsste in diesem Zusammenhang der vulgäre Freiheitsbegriff der die letzten Jahrzehnte dominierenden ("neoliberalen") Ideologie. Das eigentlich Erstaunliche an der politischen Reaktion auf Corona war, dass die politisch-medialen Eliten die Fiktionalität dieses Freiheitsbegriffs indirekt eingestanden – diese Steilvorlage aber von der politischen Linken nicht genutzt wurde.

Denn eingestanden wurde im Falle von Corona, dass die Bedingungen, Möglichkeiten und Folgen individuellen Handelns immer auch kollektive Bedingungen, Möglichkeiten und Folgen haben und wir alle intersubjektiv in einem großen Netz des Lebens miteinander verbunden sind und voneinander abhängen. In vielen anderen Fällen wurden und werden Einschränkungen individueller Freiheit zum Schutz der Freiheit anderer jedoch massiv bekämpft, geleugnet und verhindert.

So war der Diskurs der letzten Jahrzehnte von Appellen nach "Eigenverantwortung" und der Negation sozialer Bedingungen und Folgen individuellen Handelns geprägt und wurde mittels dieses invertiert-pervertierten Freiheitsbegriffs die Illusion aufrechterhalten, es handle sich bei einem Flug nach Teneriffa, Kauf eines SUVs oder Verzehr eines Schnitzels um eine "freie" individuelle Entscheidung, die in keinerlei Bezug zu den Freiheitsmöglichkeiten und Rechten anderer Lebewesen stünde.

Da dies aber nicht der Fall ist, werden wir für die Realisierung und den Erhalt der Freiheitsmöglichkeiten aller jetzigen und künftigen Lebewesen auf dem Planeten nicht um Einschränkungen individueller Freiheiten in den Industriegesellschaften herumkommen. Darauf wird zurückzukommen sein. Doch zunächst lautet die Frage, warum im Falle von Corona diese doppelte Unverhältnismäßigkeit existiert, in den Leitmedien nicht thematisiert wurde und warum die getroffenen Entscheidungen zur (vermeintlichen) Eindämmung von Sars-CoV-2 trotz ihrer epistemischen und ethischen Uneindeutigkeit von einer jeglichen Widerspruch mit Furor bekämpfenden Mehrheit der Funktionseliten als scheinbar einzig moralisch richtige und rationale Antwort auf Corona unterstützt wurden.

Ich möchte hierfür fünf Gründe anführen, die miteinander zusammenhängen, die doppelte Unverhältnismäßigkeit der Corona-Politik erklären und den Blick für eine umfassendere Analyse der Pathologien der entwickelten Moderne weiten. In mehrerer Hinsicht haben diese mit Abstraktion und Entfremdung sowie mit Machtverhältnissen und Interessen zu tun.