Was Irland und Simbabwe gemeinsam haben

Einer aktuellen Umfrage zufolge bewertet nur noch eine knappe Mehrheit der Menschen in der EU einen Verbleib ihrer Länder in dem Gebilde positiv

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In dem von der EU-Kommission in Auftrag gegebenen aktuellen Eurobarometer, für das zwischen März und Mai rund 30.000 Europäer befragt wurden, hielten aktuell gerade noch 52 Prozent die Mitgliedschaft ihres Landes in der EU für eine gute Sache – sechs Prozentpunkte weniger als bei der letzten Erhebung.

Die EU-Kommission macht in ihrer Interpretation einen wirtschaftlichen "Schlechtfühlfaktor" (sic!) für die Umfragewerte verantwortlich. Tatsächlich hegt der größte Teil der Befragten die Erwartung, dass sich die Wirtschaftslage im eigenen Land in den nächsten 12 Monaten verschlechtern wird. Erstmals sprach sich auch eine Mehrheit der Befragten dafür aus, dass die Wirtschaftspolitik in nationaler und nicht in europäischer Hand liegen sollte. Betrachtet man andere Ergebnisse der Umfrage, müsste die EU nicht nur den Lissabon-Vertrag komplett neu schreiben, sondern auch ihre Politik um 180 Grad ändern: Eine Mehrheit der Europäer ist nämlich dafür, dass die Gemeinschaftsorgane ihre Finger von renten-, steuer-, sozial-, bildungs- und gesundheitspolitischen Fragen lassen sollten.

Am EU-kritischsten ist die Haltung der Bürger in Österreich. Dort reagierte Ende der letzten Woche auch die Politik – allerdings mit einem eher halbherzigen Versuch, bei dem noch nicht klar ist, ob es sich eher um PR handelt, oder ob die Regierung die Linie innerhalb der EU-Gremien ernsthaft vertreten wird. Nachdem die SPÖ in Tirol in die Bedeutungslosigkeit gewählt wurde, befürworteten Kanzler Gusenbauer und der designierte Parteivorsitzende Werner Faymann in einem nicht mit dem Koalitionspartner ÖVP abgestimmten Brief an den Herausgeber der Kronen Zeitung Vorstöße in Richtung eines neuen EU-Vertrages, der über Volksabstimmungen in allen EU-Ländern ratifiziert werden sollte. Zahlreiche SPÖ-Landespolitiker äußerten Zustimmung zu dieser Idee.

Dagegen ließ der durch seine beleidigte Reaktion auf einen Scherz Berlusconis bekannte Euro-Sozialdemokrat Martin Schulz verbreiten, dass Österreich den Lissabon-Vertrag bereits ratifiziert habe und der "Diskussionsbeitrag" lediglich eine "Initiative der SPÖ und nicht der Sozialdemokratischen Fraktion" sei. Der CDU-Europapolitiker Elmar Brok, der den Vertragstext maßgeblich mitformulierte (und dem unter anderem der Verfassungsrechtler Hans Herbert von Arnim "legale Korruption" vorwirft), zeigte in seiner Reaktion, dass er in Sachen Arroganz durchaus mit dem simbabwischen Staatschef Robert Mugabe mithalten kann: "Es kann keine Änderungen zum Lissabon-Vertrag geben, die zu neuen Ratifizierungen führen."

Mit dieser Haltung steht Brok allerdings keineswegs allein. Wie in Harare hat man auch in Brüssel Schwierigkeiten eine Abstimmungsniederlage zu akzeptieren und will lieber so lange zur Urne bitten, bis das Ergebnis passt. Die Westdeutsche Allgemeine Zeitung zitierte am Freitag einen Informanten, dem zufolge eine zweite Abstimmung, in welcher der Vertrag mit dem EU-Verbleib verbunden werden soll, bereits beschlossene Sache sei. Regierungschef Brian Cowen und sein Kabinett wollten diese Entscheidung aber "noch nicht publik machen, um den Gegnern des Vertrags nicht in die Hände zu spielen".

Dass eine strikte Ablehnung der in Lissabon-Vertrag umbenannten EU-Verfassung nicht gleichbedeutend mit einem Austrittswillen aus der EU sein muss, das legen die Ergebnisse aus Irland und den Niederlanden nahe: Auf der Insel meinten 73 Prozent, dass die EU-Mitgliedschaft ihres Landes eine gute Sache sei, und in den Niederlanden, wo sich die Bürger vor drei Jahren ebenfalls klar gegen das Dokument ausgesprochen hatten, lag der Wert sogar noch 2 Prozentpunkte darüber.