Was den Leuten gefällt, wirkt auch
Seite 2: Massenhaft Studien, bei denen "Gefallen" völlig durchfiel
- Was den Leuten gefällt, wirkt auch
- Massenhaft Studien, bei denen "Gefallen" völlig durchfiel
- Plausibilität ist oft wichtiger als alle Empirie
- Auf einer Seite lesen
Aber trotzdem gilt auch bei kritischer Betrachtung: Wenn die Testpersonen im Pretest von einer Werbung sagen, dass sie ihnen gefällt, dann ist das ja schon mal ganz gut. Aber sonderlich aussagekräftig ist das ja nun auch wieder nicht.
Allerdings hatte auch vorher nie jemand behauptet, das sei schlecht. Hinterher, nach der umständlichen Forschung, kann man dasselbe sagen. Im Grunde genommen ist also überhaupt nichts dabei herausgekommen - aber viele Werbeforscher und viele Werber glauben noch immer, aufs Gefallen komme es mehr als auf alles andere an. Tut es aber trotzdem nicht.
Auf die grundlegende Rolle der "Gefälligkeit" (Likeability) von Werbung kam man in den USA erstmals 1985. Damals führte das Ogilvy Center for Research & Development (OCRD), San Francisco, eine Studie über "Likeable TV Advertising" durch. Dabei ergab sich: Je sympathischer der Verbraucher einen Spot findet, umso eher wird er von dessen Botschaft überzeugt. Schade übrigens, dass die deutsche Hochsprache bei Weitem nicht die Ausdrucksstärke wie manche süddeutschen Dialekte hat, die von "Megeligkeit" sprechen, was von der Richtung und Bedeutung der "Likeability" sehr viel näher kommt.
Verbraucher, denen die getesteten TV-Spots "sehr gut" gefielen, waren fast doppelt so häufig von der Qualität des beworbenen Produkts überzeugt wie die, denen die Spots nur "ganz gut" gefielen oder die keine Meinung äußerten.
Die Mehrheit derer, denen die Spots "sehr gut" gefielen, war indes immer noch nicht von der Qualität des Produkts überzeugt. Gefielen ihnen die Spots allerdings nur "ganz gut" oder hatten sie ihnen gegenüber "keine Meinung", so nahm der Prozentsatz der Nicht-Überzeugten deutlich zu.
Ja, schon in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts hatte der US-amerikanische Marktforscher Horace Schwerin (1914-2013) in einer Untersuchung bei US-Soldaten festgestellt: Werbebotschaften, die den Umworbenen gefallen, wirken stärker als Botschaften, die ihnen nicht gefallen.
Doch ist das eine Erkenntnis? Dass einem etwas, das einem überhaupt nicht gefällt, machtvoll wirkt, ist doch von vornherein gar nicht anzunehmen.
In den Jubel über die mächtige Rolle des "Gefallens" bei der Wirksamkeit von Werbung mischten sich alsbald einige Wermutstropfen. In einer ähnlichen Untersuchung, die Allen R. Kuse 1991 mit sieben Paaren erfolgreicher und nicht so erfolgreicher Werbespots durchführte, fand er überhaupt keine Korrelation zwischen "likeability" und "effectiveness in the marketplace".
Deshalb führte das Marktforschungsinstitut Gallup & Robinson 1992 gleich noch eine Studie durch, die alle Befunde der ARF-Studie flugs wieder erhärtete. Ging’s da überhaupt noch um Klärung oder nur noch darum, einander die verschiedenen Forschungsbefunde um die Ohren zu schlagen?
Nigel S. Hollis, Forschungsleiter beim Institut Millward Brown in San Francisco, formulierte 1995 nagende Zweifel an der Wichtigkeit des "Likeability"-Paradigmas in einem Aufsatz mit dem Titel "Like It or Not. Likeability is Not Enough." (Ob’s Euch gefällt oder nicht. Gefallen allein reicht nicht).
Die Millward-Brown-Forscher hatten in ihrer eigenen Studie herausgefunden, dass "Likeability" den Verkaufserfolg von Werbung in vielen Fällen übertrieb und in anderen Fällen untertrieb. Nach Hollis erwiesen sich "Enjoyability" und "Involvement" als wesentlich verlässlichere Indikatoren.
Auch die beiden Werbeforscher Steven P. Brown und Douglas M. Stayman erschütterten in einer Metaanalyse den Glauben an die Erfolgsträchtigkeit von gefälliger Werbung. In "Metaanalysen" untersuchen Wissenschaftler eine größere Anzahl von empirischen Studien und fassen zusammen, was denn dabei so herausgekommen ist.
Brown und Stayman studierten rund 60 Einzelanalysen und konstatierten, dass die Einstellung zur Werbung ("attitude toward advertising") anschließend zwar einen Einfluss auf ihren Verkaufserfolg hat, dass dieser Einfluss jedoch vielfach überschätzt werde.
Die Einstellung zur Werbung beeinflusse unmittelbar die Markenkenntnis ("brand cognition"). Diese wiederum bestimme die Markeneinstellung ("attitude toward brand"). Über den Umweg der Markeneinstellung also spielt danach die "Likeability" schon eine gewisse Rolle, aber keine so arg große.
Und schließlich - so fanden die beiden Metaanalytiker heraus - sind auch die Produktkategorie, bestehende Einstellungen zu Marken und die Werbeträger wichtige Faktoren, die einen Einfluss auf den Verkaufserfolg der Werbung ausüben.
Nach und nach zerbröselt der Monofaktor als Garant für Verkaufserfolg
So allmählich zerbröselt der Monofaktor "Likeability" als Garant für den Verkaufserfolg der Werbung im Wechselbad widersprüchlicher Forschungsbefunde...
In seinem vielbeachteten Buch "Getting it Right The First Time" (Wie man es gleich beim ersten Mal richtig macht) hat der noch immer am meisten respektierte Werbeforscher der Gegenwart, John Philip Jones von der Syracuse University, noch einmal ganz andere Zahlen präsentiert: Nur in 41 Prozent der Fälle sind "Gefallen" und "Markenerinnerung" geeignet, den Verkaufserfolg von Werbung vorherzusagen. Das bedeutet auch: In der überwiegenden Mehrheit der Fälle (69 Prozent) tun sie es nicht.
Selbst die Werbeerinnerung ("advertising recall") ist mit 54 Prozent ein viel verlässlicherer Prädiktor. Der konkurrenzlos beste Prädiktor hingegen ist nach Jones "brain processed advertising" (wörtlich: die hirnverarbeitete Werbung): Vorhersagerate 91 Prozent.
In jüngster Zeit mehren sich in den USA die Zweifel daran, dass die "Likeability" wirklich so ein einzigartiger Prädiktor für den Verkaufserfolg von Werbung ist. Da gingen die US-Amerikaner an eines ihrer Nationalheiligtümer und nahmen 2001 die Wirksamkeit von Werbung während des Superbowls genauer unter die Lupe - für die Amerikaner ein Sportereignis wie die Fußballweltmeisterschaft.
Zu ihrem eigenen höchsten Erstaunen fanden sie massenhaft Werbung, die alle Befragten stets als außerordentlich "likeable" einstuften. Aber die Verkaufszahlen der zugehörigen Produkte waren geradezu mickrig.
Da gab es eine stattliche Reihe von Werbespots, von denen die Leute sagten, sie seien höchst "likeable", aber wenn sie gefragt wurden, ob sie die beworbenen Produkte kaufen wollten, sagten sie: "Nein." Ausgerechnet zwischen "likeability" und "purchase intent" (Kaufabsicht) klaffte bei vielen, aber nicht bei allen Produkten eine große Lücke. Das bedeutet nichts anderes als: "Likeability" kann den Verkaufserfolg von Werbung eben nur manchmal vorhersagen.
Doch eine Aussage, die da lautet: "Manchmal funktioniert’s, manchmal aber nicht", taugt vielleicht, um die Flugeigenschaften eines russischen Flugzeugs zu beschreiben. Aber als wissenschaftliche Aussage ist sie nichtssagend.
In Deutschland untersuchten der Gesamtverband Kommunikationsagenturen (GWA) und das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) bald darauf denselben Themenkomplex und kamen zu ähnlichen Befunden wie die ARF: Werbung, die den meisten Konsumenten gefällt, ist zugleich auch am werbewirksamsten.
Das Gefallen wiederum hängt in erster Linie vom Unterhaltungswert und weniger vom Informationswert eines Werbespots ab. Das bedeutet im Umkehrschluss auch: Verkaufswirksame Werbespots gefallen den Zuschauern auch überdurchschnittlich gut.
Diese These überprüfte die GfK-Marktforschung, Nürnberg, 1991 in einer Grundlagenstudie, in deren Mittelpunkt die Gefälligkeit von Spots und ihr ökonomischer Erfolg standen. Dabei untersuchte sie 985 Spots aller Produktkategorien in realistischen Sehsituationen.
Wirkungsvoll ist danach ein Spot, wenn er sich im Umfeld der Konkurrenzspots durchsetzt und die "motivationale Schubkraft" aufweist, die Zuschauer zur beworbenen Marke hinzulenken. Dies ist vor allem für die längerfristige Werbewirkung von Bedeutung.
Unter dem Druck der ständig zunehmenden Werbeflut wachse die Bereitschaft der Verbraucher, Programm- und Werbeinhalte "wegzuzappen", die ihnen nicht gefallen. Umgekehrt erhöhe ein Spot, der den Verbrauchern gefällt, die Zuwendungsbereitschaft und habe damit größere Chancen, seine Botschaft zu vermitteln.
Die Marktforscher eiern ziemlich hilflos durch die Landschaft
Als Wirkungsmaße wurden die Fähigkeit des Spots, sich im Umfeld durchzusetzen und den Markennamen zu verankern (= Durchsetzungsfähigkeit), und die Fähigkeit des Spots, zur beworbenen Marke hinzustimmen (= motivationale Schubkraft), herangezogen. Die Analyse von Likeability und Durchsetzungsfähigkeit zeigte einen relativ schwachen Zusammenhang.
Auch in der Analyse des Gesamtergebnisses nach Teilgruppen war der Zusammenhang zwischen Likeability und Durchsetzungsfähigkeit bei Männern größer als bei Frauen und bei Älteren stärker als bei Jüngeren. Nach Produktkategorien unterteilt zeigten sich besonders starke Zusammenhänge zwischen beiden Kriterien in den Bereichen Lebensmittel, Getränke, Haushaltswaren und OTC-Produkte. Bei Verwendung der motivationalen Schubkraft als Indikator für die Verkaufswirksamkeit eines Werbespots ergab sich ebenfalls nur ein sehr schwacher Zusammenhang zwischen Likeability und Verkaufswirksamkeit.
Im zweiten Schritt analysierte die Studie alle Werbespots, die sowohl eine sehr hohe Durchsetzungsfähigkeit wie eine sehr hohe motivationale Schubkraft haben, und diejenigen Spots, die nur eine sehr geringe Durchsetzungsfähigkeit und geringe motivationale Schubkraft haben.
Die durchschnittliche Bewertung dieser beiden Gruppen unterscheidet sich grundlegend. Spots, die besonders wirksam sind, gefallen überdurchschnittlich, und Spots, die nicht wirksam sind, gefallen auch nicht. Dementsprechend sind Spots, die extrem gut gefallen, auch sehr viel wirksamer als Spots, die extrem schlecht ankommen - analysiert wurden jeweils die zehn Prozent Spots mit bester oder schlechtester Bewertung.
Eine gewisse Mindestakzeptanz ist also notwendig, um überhaupt eine Wirkungschance zu haben. Wird diese Mindestakzeptanz nicht erreicht, schaltet der Verbraucher zumindest geistig ab. Er blendet sich aus. Andererseits gibt es Werbespots, die so gut ankommen, dass sie aus sich heraus wirken und im Extremfall Markenwahl und Markenwechsel bedingen.
Während die Faktoren, die dafür verantwortlich sind, dass ein Spot gefällt, weitgehend bekannt sind, gibt es kaum Anhaltspunkte dafür, wodurch sich Spots, die gefallen und wirksam sind, von solchen unterscheiden, die gefallen, aber nicht wirksam sind.
Um dies herauszufinden, wurden alle Spots mit hoher Likeability in zwei Gruppen unterteilt: zum einen in Spots mit hoher Likeability, hoher Durchsetzungsfähigkeit und hoher motivationaler Schubkraft; zum anderen in Werbespots mit hoher Likeability, aber geringer Durchsetzungsfähigkeit und geringer motivationaler Schubkraft. Diese Spots wurden anhand der Datenbank statistisch untersucht und darüber hinaus einer qualitativen Analyse unterzogen.
Wirksame Spots mit hoher Likeability zeichnen sich im Vergleich zu unwirksamen Spots mit hoher Likeability also durch folgende Charakteristika aus:
- Bei wirksamen Spots ist die Likeability kein Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck. Anders ausgedrückt: Nichtwirksame Spots setzen sehr häufig schöne Bilder ein - insbesondere Kinder, Tiere, attraktive Darsteller oder schicke Umgebungen -, die zwar gefallen, aber keinen Bezug zur Marke oder zur Markenpersönlichkeit haben. Schlüsselreize halt.
Die schönen Bilder ersetzen gewissermaßen die fehlende Werbeidee. Diese Spots sind zwar oft "kreativ". Doch diese Kreativität ist unproduktiv. Sie erwächst nicht aus der Marke. Die Spots gehen gewissermaßen "in Schönheit" baden - aber baden gehen sie auf jeden Fall. - Bei wirksamen Spots hingegen dramatisiert das, was den Konsumenten gefällt, die spezifischen Eigenschaften der beworbenen Marke. Ob ein Spot gefällt oder nicht, ist also weniger entscheidend als das, was den Leuten an ihm gefällt.
Gelehrter ausgedrückt: Relevant ist ausschließlich die für eine Marke produktive Likeability. Dieser Befund steht indes in krassem Widerspruch zu den Befunden der ARF-Studie, die ja lauten: Egal was gefällt, wenn es gefällt, wirkt es auch.
Spots, die nicht gefallen, aber trotzdem wirksam sind, zeichnen sich nach den Befunden dieser Studie vor allem dadurch aus, dass sie einen spezifischen USP (Unique Selling Point) kommunizieren.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.