Was verbindet Rechtsextremisten und Islamisten?

Seite 2: Ideologische Überschneidungen

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Neben dem Antisemitismus lassen sich noch weitere Gemeinsamkeiten zwischen deutschen Nazis und Islamisten anführen: Beide lehnen die offene Gesellschaft ab, sind gegen die Gleichberechtigung der Frau genauso wie gegen Homosexualität. Auch Marxismus, Universalismus, Menschenrechte lehnen sie ab. Sie vertreten einen rigorosen Wahrheitsanspruch, propagieren Männlichkeitskult und Militarismus und teilen die Welt in Gut und Böse.

Gerade die heutige Salafisten-Szene in Deutschland zeichne sich dadurch aus, dass ständig Takfir gemacht werde, so Michael Kiefer: Permanent würden andere Muslime zu Ungläubigen erklärt, bis nur noch die eigene Kleingruppe als rechtschaffende Muslime übrigbleibe. Zwischentöne gebe es nicht mehr, alles werde nur noch im Haram-Halal-Diskurs bewertet. Was, wie Michael Kiefer betonte, "sehr unislamisch" sei, weil der Islam nicht nur erlaubt/verboten kennt, sondern auch die Kategorie verpönt, in die zum Beispiel Rauchen falle.

Doch es gibt auch Unterschiede: Zwar teilen Islamisten die Welt in Gläubige und Ungläubige, aber die islamische Umma, die Gemeinschaft der Gläubigen, unterscheidet sich ziemlich von der Volksgemeinschaft. Denn dort ist die ethnische Herkunft nicht von Bedeutung, jeder kann beitreten. Anders die Volksgemeinschaft, die als biologisches System konstruiert ist. Mit Rückgriff auf die Natur rechtfertige der Rechtsextremismus gesellschaftliche Ungleichheit und Hierarchisierung, so der Sozialwissenschaftler Fabian Virchow.

Grenzen der Gemeinsamkeit

Michael Kiefer sah dennoch Gemeinsamkeiten: Ob Volksgemeinschaft oder Umma, immer gehe es um "Aneignung von Ursprünglichkeit". Es gehe um die Schaffung einer von der Natur oder Gott gewollten Gemeinschaft. "Das eint beide, wenn auch mit unterschiedlichen Konzepten", so Kiefer. Dem wollte Fabian Virchow so nicht folgen, er sieht hier einen großen Unterschied, den "Beitritt per Bekenntnis", den es bei Rechtsextremen nicht gebe. Solche Unterschiede dürften nicht verwischt werden. Virchow ist deswegen skeptisch, ob sich Islamismus und Rechtsextremismus so einfach auf einen Nenner bringen lassen. "Wir können uns da noch kein abschließende Urteil erlauben."

Andere Tagungs-Teilnehmer sahen durchaus Ähnlichkeiten: "Prinzipiell ist eine islamistische Ideologie rechts, weil sie auf Ungleichheit setzt", sagte der Türkei-Experte Christoph Ramm. "Auf der Ebene der Feindbilder sehen wir sehr viele Parallelen", meinte auch Politikwissenschaftler Ismail Küpeli. Wenn in der Türkei Armenier oder Juden als angebliche innere Feinde ausgemacht würden, dann unterscheide sich das nicht stark von der deutschen Rechten. Außerdem gebe es "ähnliche Methoden, mit Wahrheit umzugehen". Mit den "Grauen Wölfen" habe die Türkei außerdem eine rechtsextreme Gruppe, die ursprünglich türkisch-nationalistisch ausgerichtet war, sich aber inzwischen teilweise islamisiert hat.

Parteienvergleich im Praxistest

Dass die Ähnlichkeiten zwischen rechts und islamistisch jedoch nicht immer groß sind, zeigte ein Direktvergleich zwischen Schweizerischer SVP und türkischer AKP. Nicht dass die Referenten nicht Experten auf ihrem Gebiet gewesen wären. Aber die Diskussion verzettelte sich schnell in Spezialfragen der türkischen Politik. Mit der Schweiz hatte das dann doch wenig zu tun. Obwohl es selbst dann noch Gemeinsamkeiten gibt: Beide Parteien seien letztlich gegen das Konzept der Menschenrechte, bemerkte Doris Angst. Und Erdogans AKP sei in ihrer paranoiden Ablehnung von Minderheiten anschlussfähig an Antisemitismus, befand Christoph Ramm und verwies auf die türkische Unterstützung für das umstrittene Gaza-Hilfsschiff Mavi Marmara.

Vielleicht traf es eine Frau im Publikum am besten, die einfach von "erzreaktionären Strömungen" sprach, die leider zunähmen. Denn schließlich ging es auf der Tagung auch darum, Strategien sowohl gegen Rechtsextremismus als auch gegen Islamismus in seiner aktuellen Ausprägung als Salafismus zu finden. Viele der rund 150 Teilnehmer kamen aus der Bildungs- und Jugendarbeit, auch der Veranstalter, die Info- und Bildungsstelle gegen Rechtsextremismus. Bislang hatte die sich allerdings eher mit Neonazismus beschäftigt. Das hat auch mit der Herkunft zu tun: Angesiedelt ist sie im Kölner EL-DE-Haus: Dort war früher die Gestapo-Zentrale von Köln, heute ist das Haus eine NS-Dokumentationsstätte.