Was, zur Hölle, ist ein Antikriegsfilm?
Die Gladiatoren von Mogadischu: Ridley Scotts imperialistischer Rettungsschocker "Black Hawk Down"
Mit Black Hawk Down hat Ridley Scott eine reißerisch-patriotische "Kampfreportage" vom US-Scharmützel im Kampf gegen Warlord Aidid in Mogadischu 1993 abgeliefert. Entstanden ist ein Schlachtengemälde der modernen High-Tech-Gladiatoren, die auch in Afghanistan zuschlugen. Durch die Dramaturgie der verzweifelten Rettung wird die Rolle der USA als Weltpolizei verklärt
Ohne Zweifel: "Black Hawk Down" hat sich neuartig und tief in die Bildkampflinien der Kriegsfilmgeschichte eingegraben. Ridley Scott gibt sich siegessicher: Er hegt in Interviews - mit deutschen Medien - keinen Zweifel daran, dass sich nach diesem Film keiner mehr zum Militär melden werde. Aber je nach Filmmarkt muss er mit anderer Zunge sprechen. Seit Lewis Milestones "Im Westen nichts Neues" wird viel darüber diskutiert, worin ein Anti-Kriegsfilm genau besteht. Sobald die Vorgeschichte absolviert ist und die Schrecken des Krieges auf der Leinwand erscheinen, geht von ihnen eine enorme Faszination aus. Je greller, je schriller, je rasanter und spektakulärer die Desaster inszeniert werden, desto filmischer wirkt das Ganze.
Alle Schauspielkunst, alle Theaterkulisse und alle malerische Ästhetisierung im Rahmen einer stabilen Welt kommen kaum dagegen an, dass Zerstörung, Verwüstung und Tod, dass das visuelle und akustische Trommelfeuer von Bildfragmenten und Sensationssplittern, von sinnlichen und übersinnlichen Verirrungen und Verwirrungen die größere Sensation darstellen. Nach Virilio hat der Blick des Kameraauges etwas per se Martialisches. Die Konvergenz von Krieg und Kino bestehe allein schon in der Parallelgeschwindigkeit des Filmbildtransportes und der Ausstoßfrequenz eines MGs. Erst in der Aufnahme einer Explosion scheinen Pulver und Zelluloid ihre volle ästhetische Faszination zu entfalten. Die Zerstörung erhält ihren Ort in einem wiederholbaren Zeitbild, die Schaulust trägt den Sieg über den Schock der ersten Wahrnehmung davon.
Aus der Übersicht feiert der Blick Zerstörung und Tod als Überleben, das Trauma wird zum Traum. Und ausgerechnet der humanistischste aller Kriegsfilme, "Im Westen nichts Neues", bestätigt dies mit einem schaurig grandiosen MG-Panorama-Schwenk, bei dem die aus ihren Gräben angreifenden Franzosen als eine Masse von abstrakt schreienden und im Nahbereich das Bajonett zückenden Wesen niedergemäht werden. Ridley Scotts Helden ergeht es ähnlich: Sobald sich die Rangers und die Delta Force auftragsgemäß aus der Sicherheitszone der US-Truppenstützpunktes ins Labyrinth von Mogadischu hineingehen, ist kein Halten mehr. In dem Viertel, das die Milizen des Warlords Mohamed Farrah Aidid kontrollieren, gibt es nicht nur eine Front, sondern vielfach verschachtelte Kampflinien: Hinter jeder Straßenkreuzung, auf Dächern und Gebäuden lauern die todesbereiten Desperados mit ihren selbstgebastelten Lafetten vom internationalen Waffenschwarzmarkt. Innerhalb kurzer Zeit verwandelt sich der Geheimauftrag, durch einen plötzlichen Coup ohne Gegenwehr, Aidid und seine Schlüsselleute bei einem konspirativen Treffen festzunehmen, in ein offenes Desaster:
Durch ein beduinenhaftes Signalsystem ist die ganze Stadt bereits in Alarmbereitschaft. Sobald sich der Fahrzeugkonvoi und die Luftflotte dem taktischen Einsatzort nähern, werden zwei Hubschrauber abgeschossen, gibt es Tote und Verletzte. Und die gestrandeten und verstreuten Soldaten müssen sich voller Angst gegen die Übermacht der Milizen und einen anbrandenden Mob wehren. Eine schier hoffnungslose Lage, die das Szenario der alten Western potenziert, wenn die Wagenburg der Siedler dem Druck der angreifenden Indianer kaum oder nicht mehr standhält. Und nun geht eine Hetzjagd im Straßenlabyrinth los, bei dem die tosende Kavallerie der Hubschrauber, Panzer und breiten Hummer-Geländewagen die patriotische und humanitäre Rettung der lebenden, verblutenden und toten Kameraden als ein einziges Trauma erlebt, als einen "Rettungsschocker", von dem man sich auch als Überlebender nicht erholen kann.
Das ist die entscheidende Rhetorik des Films, die ihn mit den Ereignissen und der Berichterstattung vom 11. September konvergieren lässt: Der Zuschauer erlebt den Auftrag, Aidid festzunehmen, nur als Vorspiel, und die nun folgende Bedrängnis der Protagonisten, ihre eigene Verteidigung und die Bergung der Hilflosen und Toten im mörderischen Kugelhagel der Somali-Milizen als Hauptaktion. Das militärische Scheitern wird zur Moral einer defensiven Handlungsstrategie aufgewertet. Die Verteidigung der Milizen zum hinterhältigen Anschlag umgefälscht.
Der Wahlspruch der Elitetruppen: "Keiner wird zurückgelassen", den Sam Sheppard als selbstverständlich beliebter General so schön aufsagt, macht aus den leistungsbesessenen Rangers und Delta-Forces bewaffnete "Feuerwehrleute" und "Sargträger", auf die man sich verlassen kann, die das Recht verteidigen, den Lebenden und den Toten, uneingeschränkt, immer wieder, den Weg freizuschießen und nebenbei, ja unbewusst den eigenen Misserfolg durch eine verzweifelte Rachephantasie ungeahnten Ausmaßes zu sühnen. So liefert Scott das Marathon einer mehrstündigen, fast ununterbrochenen Bataille, die mit 19 US- zu namenlosen 1.000 somalischen Toten endete, eine "sportive" Bilanz, die am Ende als zynisches olympisches Epitaph erscheint, unter exklusiver Namensnennung der 19 Opfer der "Ersten Welt". Wie wahr ist doch das Motto des Films: Plato: "Nur die Toten haben das Ende des Kriegs gesehen."
Politische und militärische Verwirrspiele
Die von der USA angeführte UN-Truppe sollte die durch Überfälle bedrohte humanitäre UN-Mission offensiv beschützen und war ermächtigt, die "kriminellen Machtinhaber" Somalias anzugreifen und zu stürzen. In Somalia hatte sich der Bürgerkrieg zwischen rivalisierenden Banden und Milizen zum Völkermord aufgeschaukelt, auch durch Nahrungsmittelraub, Verwüstung und Hungertod. Davon ist in den Titeln des Filmsvorspanns die Rede. Die einleitenden Szenen des Films machen klar, dass die Nahrungsmittelausgabe in der Stadt unter der Willkür und dem Kugelhagel von Aidis Leuten gesteuert und vereitelt wird.
Die Spezialeinheiten des US-Militärs verstehen sich auch außerhalb des internationalen Truppenverbandes als militärische Weltpolizei hinter den Kulissen, die weit über die Befugnisse der UN-Truppe hinaus mit hohem Risiko und bei Gelegenheit auch ohne Abstimmung mit den UN-Partnern operiert. Auch im Film zögert der General lange, bis er endlich die internationale Hilfe anfordert und seinen gescheiterten Coup aufdeckt. Der andauernde Streit der Amerikaner mit dem keineswegs einigen Rest der Welt, gerade auch bei internationalen Truppen- und Polizei-Einsätzen und rein humanitären Aktionen vor Ort, ist Legion, wird aber immer wieder unter der Decke der Nachrichtenpolitik gehalten. Im Falle der globalen Debatte um gewaltfreie Waffenkontrolle oder den gewaltsamen Eingriff im Irak wird die prädestinierte Einsamkeit der einzigen Supermacht um so deutlicher. Und dies macht Ridley Scotts Film als politisches und ästhetisches Beispiel so bemerkenswert.
Die Schusswechsel des Films und die Special Effects sind Blendwerk und Nebelkerzen einer falschen Politik. Das bekannte somalische Desaster gipfelte in der Szene eines endlos barbarischen Medien-Martyriums: Die Leiche eines massakrierten US-Soldaten wurde von aufgebrachten Somalis durch die Straßen der Stadt geschleift. Eine Szene, die aus patriotischer und privater Pietät im Film nicht vorkommt. Das damalige US-Desaster geschah, weil die instabile Lage am Indischen Ozean nicht angemessen eingeschätzt wurde und das US-Militär sich mit seinen expansiven Alleingängen in ein Scharmützel hineinmanövrierte, bei dem ein selbstmörderischer Straßen- und Häuserkampf eine professionelle High-Tech-Streitmacht aus der Lufthoheit auf den Boden holte und ihr dort eine empfindliche Niederlage bereitete.
Der Film liefert ein hochaktuelles Mikro-Modell für die Verwirrung politischer Kategorien: Die angezeigte Sicherheits-Prävention schwankt zwischen ein bisschen Frieden, gestiftet im Namen aller Nationen, und einer Prise Krieg, verpasst vom großen Bruder, in der Grauzone zwischen international abgestimmtem UN-Auftrag und einem angestrebten US-militärischen Hegemonialschlag.
Die chronische politische Schwäche der UN-Partner begründet die vermeintliche militärische Stärke der US-Spezialstreitkräfte, und von da aus führt der Weg gleich in die Hölle eines lokalen Low-Intensity-Konflikts, zu einem barbarischen Kurzzeit-Vietnam, das die USA unter dem Kriegsdienstverweigerer und hedonistischen Pazifisten Clinton nicht voraussehen wollte.
Die Gladiatoren von Mogadischu
Ridley Scott zieht alle cinematografischen Register, um dieses Weltpolizisten-Vietnam von Mogadischu zu inszenieren. Er erhielt dabei den offiziellen Beistand der Armee, wie schon bei seinem patriotischen Drama über die "martialische Gleichbefähigung" von Mann und Frau bei den Marines in "G.I. Jane". Und er kooperiert als Produzent mit dem Action-Blockbuster-Spezialisten Jerry Bruckheimer, der seine steile Karriere mit Ridleys Bruder Tony Scott antrat: durch den Yuppie-Werbefilm für Kriegsjetpiloten "Top Gun" mit dem jungen Tom Cruise. Bruckheimer holte sich mit der glatten "Titanic"-förmigen Inszenierung von "Pearl Harbour" eine heftige Schelte bei den US-Filmkritikern vor der Patriotismuswelle nach dem 11. September ein. Jetzt muss der damalige Hauptdarsteller Josh Hartnett noch einmal heran und unter den Helm. Und Bruckheimer soll wohl auch die patriotische Vermarktung des Films nach den Angriffen von New York und Washington verantworten. Scott und Bruckheimer stehen mit dem düsteren Katastrophenlook von "Black Hawk Down" ziemlich gut da. Die militär-moralischen Schauwerte sind immens (Der Militär-Unterhaltungs-Komplex).
Die aufwändige, in Marokko gedrehte Produktion gibt sich als wertfreie journalistische Kampf- und Katastrophen-"Reportage" nach Augenzeugenberichten, die der Journalist Mark Bowden zum gleichnamigen Buch verarbeitete. Unter dem allgemeinen Jubel der Medien schlägt Scott Spielbergs 30-minütige D-Day-Angriffssequenz aus "Der Soldat James Ryan": rund zwei Stunden atemlos schnelle Schnitte, verrissene Kamera, ständige Standortwechsel, relativ unauffällige digitale Bildbearbeitung, Video-Monitoring für die sorgenvolle, aber kampfbereite Einsatzleitung (wie schon in "Alien" und "Blade Runner") und vor allem mehrstöckige, multiperspektivische, ja zirzensische Schlachten und Abschlachtungen, wie in Scotts Dreamworks-Koproduktion "Gladiator": rüde, dreckig, klobig, klotzig, keineswegs mit ironisch-kritisch-eleganter Story-Line wie in "The three Kings", sondern als endlose Kette von Einfällen und Unfällen, dabei doch mit einer bestimmten Dezenz im Visuellen, einer teamorientierten, operativen Leerstellenhaftigkeit wie bei Counterstrike, die nur durch Amputationen und operative Eingriffe in die Eingeweide verletzt wird.
Dem britischen Regisseur gelingt es, dem somalischen Ernstfall in ein schießwütiges US-amerikanisches Rettungs-Solo zu verwandeln, das sich die Aliens möglichst lange vom Leibe hält. Das Pathos hält sich nur deshalb in Grenzen, weil es auf dem Höhepunkt der Handlung kaum Zeit für Gefühle gibt. Die Hauptangst in diesem Film besteht vor der Stille, die entstehen könnte, wenn Amerikas Magazine leer sind. Der Stille, bevor sich der jubelnde Sturm des Zorns erhebt, wenn die kolonisierten "Wilden" über die "zivilisierten" Kämpfer mit Buschmessern herfallen. Auch in diesem, wie in so vielen Kriegsfilmen, gibt es ethno-touristischen Kitsch in Sepia-Tönen: Wenn die Kombattanten an malerischen Elends- und Hungergestalten vorbeirasen, um auf die feisten Terroristen zu treffen, die nur ausnahmsweise mal einen lebenden Gefangenen nehmen; oder wenn einer der Marines ein Haus durchquert und den biblischen Blicken einer zitternden Madonna und ihrer jungen kraushaarigen Söhne begegnet, lässt "National Geographic" grüßen.
Der Gipfel der verklärenden Inszenierung wird erreicht, wenn die Kämpfer den Schauplatz der Schlacht verlassen, wenn die letzte mutige Nachhut zu Fuß hinter den Fahrzeugen einen Marathonlauf um ihr eigenes Leben startet. Im Hintergrund die Masse der drohenden Feinde. Ein Lauf in Zeitlupe, ohne Ende, nicht mehr von dieser Welt. Dann bejubeln heitere, freundliche und gesunde Kinder die völlig erschöpften Kämpfer am Eingang der von UN-Truppen kontrollierten "Sicheren Zone". Das "Pakistanische Stadion" nimmt Ridley Scotts neue Gladiatoren auf. Willkommen im Club. Pakistanische Soldaten im schottischen Outfit servieren frisches Wasser. Das Imperium ist wieder komplett. Nur heißt es jetzt: Bruckheimer und Scott, statt Bush und Blair.
Eine Metapher für eine postkoloniale Weltpolitik in Schieflage oder für Friedensbemühungen gleichberechtigter politischer Partner? Die Vermeldung von Aidids späterem Tod im Abspann nach der Bilanz der Opfer spricht eine eindeutige politische Sprache: Früher oder später kriegen wir dich doch. Ob du nun Aidid oder Bin Ladin oder Saddam Hussein heißt, ob du Warlord, Diktator oder gewählter Präsident bist: Wir sind die einzige unwiderstehliche Macht auf der Welt. Und wir entscheiden darüber, wie lange du dein Unwesen in unserer Arena treiben darfst.