Washington wird ungeduldig und will Maduro Garantien für Abgang anbieten
in einem zynischen Machtpoker will ausgerechnet die US-Regierung den Internationalen Gerichtshof für einen Regime Change instrumentalisieren
Nach Auskunft der Maduro-Regierung ist die Stromversorgung in fast allen Landesteilen wiederhergestellt worden. Am 22. Juli hatte es erneut einen Blackout gegeben, die Regierung spricht von einem "elektromagnetischen Angriff", die Opposition will darin wieder die Unfähigkeit der Regierung sehen (Schon wieder ein landesweiter Blackout in Venezuela). Der von Washington lancierte Oppositionsführer Juan Guaidó hatte für das Wochenende mobilisiert, ohne großen Erfolg. Nach dem gescheiterten Putsch wird immer deutlicher, dass der fortwährend praktizierte Aktivismus - am Freitag sollen wieder die Massen auf die Straße - die Maduro-Regierung nicht zusammenbrechen lässt. Zudem finden unter norwegischer Vermittlung weiter Gespräche auf Barbados zwischen Opposition und Regierung statt, auch wenn dies weder Guaidó noch Washington gefällt, während Maduro den Dialog unterstützt.
In Washington scheint man allmählich zu zweifeln, mit Guaidó auf das richtige Pferd für den allerdings weiter angestrebten Machtwechsel gesetzt zu haben. Die Strategien, mit humanitärer Hilfe, einem scheinbar legalen Übergangspräsidenten mitsamt einem Regierungsapparat, der von den USA finanziert wird, der Isolierung des Landes, verstärkten Sanktionen, einem unterstützten Putschversuch, Drohungen einer Intervention sowie vielleicht auch mit Sabotageaktionen - die Maduro-Regierung macht für die Blackouts Washington und die Guaidó-Opposition aus -, haben nicht funktioniert.
Jetzt scheint man es mit einer anderen Strategie zu versuchen, die aber wohl auch nicht erfolgreich sein dürfte. Vizepräsident Mike Pence bestätigte gestern noch einmal den Rückhalt der US-Regierung für Guaidó, was dessen Abhängigkeit von Washington aber nicht unbedingt zu seinem Vorteil noch einmal hervorhebt: "6 Monate bestätigte die Nationalversammlung Juan Guaidó als Übergangspräsidenten Venezuelas. Die USA waren stolz, die erste Nation zu sein, die ihn als legitimierten Führer anerkannte. Unsere Unterstützung ist unerschütterlich. Wir stehen hinter Guaidó und wir fordern, dass Demokratie und Freiheit in Venezuela wiederhergestellt werden."
Sicherheitsberater John Bolton wiederholte die Unterstützung und forderte: "Maduro muss gehen." Gestern drohte Kuba-Hardliner Mauricio Claver-Carone, seit Sommer 2018 Leiter des Nationalen Sicherheitsrats für die "Westliche Hemisphäre", in einem Interview, dass Nicolas Maduro nur noch kurze Zeit habe, um zurückzutreten: "viel kürzer als bis zum Ende des Jahres". Wenn er nicht gehe, würden die Maßnahmen gegen ihn noch viel schärfer werden. Man habe ihm dies durch Personen, denen er vertraut, mitgeteilt.
Instrumentalisierung der Lima-Gruppe und des ICC
Als Instrument will Washington die Lima-Gruppe einsetzen, die von Washington aus lateinamerikanischen willigen Staaten gegen das Maduro-Regime organisiert wurde. Offenbar denkt man in Washington daran, ausgerechnet den seit Gründung verhassten Internationalen Gerichtshof (ICC) in Den Haag für seine Regime-Change-Absichten ins Spiel zu bringen (Der Internationale Gerichtshof fügt sich den Drohungen aus Washington). Venezuela und einige der Lima-Staaten sind Mitglied im ICC.
Der vor kurzem von der ehemaligen chilenischen Präsidentin und jetzigen UN-Hochkommissarin für Menschenrechte Michelle Bachelet veröffentlichte Bericht über Venezuela soll als Grundlage für das strafrechtliche Vorgehen dienen. Dort waren den Sicherheitsorganen schwere Menschenrechtsverletzungen wie willkürliche Exekutionen, Folter und politische Verfolgung vorgeworfen werden. Gegen den Bericht hat die Madruo-Regierung Einspruch erhoben.
Es sei Zeit für Maduro, so Claver-Carone, "bestimmte Garantien zu akzeptieren, um die Macht aufzugeben, oder mit der amerikanischen und internationalen Justiz konfrontiert zu werden". Nach Claver-Carone geht es um ein Diktat Washingtons, man biete keine Verhandlungen über die Zukunft des Chavismus an. Guaidó habe, so versicherte er, derzeit mehr Macht als zuvor. Die Lima-Gruppe hatte sich gestern getroffen und Strategien zum Machtwechsel vor allem auf der Grundlage des Bachelet-Berichts beschlossen.
Trump-Regierung will zur Präsidentschaftswahl einen Erfolg
Ein Informant aus der US-Regierung sagte dem Miami Herald, dass Washington überlege, Maduro die Garantie anzubieten, ihn nicht strafrechtlich zu verfolgen, wenn er die Macht abgibt und in ein anderes Land geht: "Ich glaube, er denkt weiterhin, dass wenn er beispielsweise in die Dominikanische Republik geht, wir kommen, ihn anzeigen und verfolgen. Ich glaube, das ist die Angst und das ist die einzige Möglichkeit für Verhandlungen mit Maduro." Das ist offenbar als indirektes Verhandlungsangebot gemeint. Auch er warnte, dass nun Eile angesagt sei, weil nach dem UN-Bericht der ICC den Fall aufgreifen könne. Das könne ihn nun bewegen, einen Ausweg zu finden.
Im Hintergrund dürfte stehen, dass Washington schnell einen "Erfolg" für die Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr benötigt und sich der geplante Machtwechsel, der Venezuela mit seinen Ressourcen wieder in die Hände der USA bringen würde, schon zu lange hinzieht und aussichtslos erscheint. Das sind auch keine guten Aussichten für Guaidó, der sich überlegen müsste, ob er bei dem Spiel gewinnen kann oder nur Spielfigur bleibt, die schnell fallengelassen wird.
Washington will zynisch den ICC instrumentalisieren, den es ansonsten bekämpft. Wenn die USA diesem nicht beitreten, sondern ihn zum Regime Change nur benutzen wollen, wird dies dem Ansehen der Vereinten Nationen und dem ICC weiter schaden, was durchaus auch im Kalkül der Strategen im Weißen Haus liegen könnte. Es würde aber auch noch einmal offenbaren, dass es Donald Trump und den Seinen nicht um Menschenrechte, Freiheit und Demokratie geht, sondern um wirtschaftliche und geopolitische Machtinteressen.
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