Wasserstoff-Pipeline H2Med: Etikettenschwindel

Seite 2: Überschüssige Erneuerbare Energien sind bisher nur ein Wunschtraum

Dass man es mit reiner Propaganda zu tun hat, wird nach Meinung des Autors besonders an dem Wunschtraum von der angeblich "überschüssigen Energie" aus erneuerbaren Quellen deutlich.

Wie der spanische Premierminister Sánchez seine Ankündigung umsetzen will, dass Spanien 2030 zehn Prozent des gesamten grünen Wasserstoffs für die EU produzieren will, weiß er und seine Regierung nämlich nicht. Er glaubt das entweder selbst nicht, oder er kennt nicht einmal den Energieplan der eigenen Regierung.

Der sieht nämlich vor, dass 2030 in Spanien nur 74 Prozent des Stroms bis 2030 aus erneuerbaren Quellen stammen soll. Ob das erreicht wird, ist ohnehin fraglich, aber von Überschuss ist darin jedenfalls keine Spur. Vielmehr wird auch darüber klar, dass auch Spanien über 2030 hinaus sogar für die Stromversorgung noch zu gut einem Viertel auf fossile Energieträger angewiesen sein wird.

Woher sollen hier also die Überschüsse kommen, um noch viel Wasserstoff für Europa zu produzieren? Es wird ihn nicht geben. Bestenfalls könnte ein – allerdings sehr kleiner Teil – aus Portugal kommen. Anders als Spanien, dessen Anteil der Erneuerbaren 2021 gerade bei 47 Prozent lag, kam der kleine Nachbar 2021 schon auf 59 Prozent.

Wegen der Dürre fällt das Land 2022 aber vermutlich auch deutlich zurück; zwischen Januar und November waren es nur gut 45 Prozent. Da es zuletzt stark geregnet hat, waren es im November zwar wieder 58 Prozent. 2022 wird Portugal wegen geringer Produktion aus Wasserkraft, aber kaum über die Marke von 50 Prozent kommen.

Es wird also auch Portugal 2030 kaum viel "überschüssige erneuerbare Energie" geben, mit dem man viel grünen Wasserstoff herstellen könnte. Und was man mit dem daraus unter erheblichen Verlusten hergestellten Wasserstoff in Zamora will, statt den Strom mit deutlich weniger Verlusten über Hochspannungsleitungen direkt nach Norden zu leiten, erschließt sich nicht.

Illusorisch

Allerdings geht es vermutlich bei der geplanten Wasserstoff-Pipeline, die als Landverbindung von Celorico da Beira nach Zamora geplant ist, darum, real ein Wasserstoff-Pilotprojekt zu versuchen. Dass aus dem angeblichen Herz des Vorhabens, der von BarMar zu H2Med mutierten Pipeline zwischen Marseille und Barcelona, jemals Wasserstoff fließt, ist angesichts der fehlenden Erfahrungen mit Wasserstoff-Pipelines illusorisch.

Das gilt besonders dann, wenn man die angekündigten Zeitpläne einhalten will. Ein technisch viel schwierigeres und viel teureres Unterwasser-Projekt zwischen 2025 und 2030 umzusetzen, wenn man nicht einmal einen Prototyp dieser Art an Land hat, ist schlicht wahnsinnig. Aber das weiß man vermutlich auch in Brüssel.

Man darf davon ausgehen, dass eine Gas-Röhre lediglich umgewidmet werden soll, da offiziell die EU keine fossile Infrastruktur mehr fördern will. Da man offiziell nun eine Wasserstoff-Pipeline bauen will, kann aus Brüssel nun die Hälfte der Kosten für eine Röhre übernehmen, in der am Ende bestenfalls doch nur Gas fließen wird.

Welchen Sinn macht es sonst, die Pipeline an der größten Regasifizierungsanlage Europas beginnen zu lassen wie einst auch MidCat?

Kritik an den Plänen: "Eine getarnte Gas-Pipeline?"

In Barcelona, wo das Gas mit großen Tankern im Hafen angeliefert wird, wird Flüssiggas (LNG) wieder in Gas umgewandelt. Das wird dann nach Marseille geschickt, da MidCat beerdigt wurde. Wie der angebliche Wasserstoff in den Hafen Barcelonas kommen soll und wo der produziert werden soll, weiß kein Mensch.

Vermutlich wird das dann nicht nur das besonders klimaschädliche Fracking-Gas aus den USA sein - nun der Gas-Hauptlieferant Spaniens -, sondern auch Tanker aus Katar.

So war auffällig, dass ausgerechnet der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck mit dem Wüstenstaat Gas-Lieferungen ab 2026 vereinbart hat. Das Gas aus dem Land soll sogar bis 2041 geliefert werden. Dabei will man doch angeblich aus der fossilen Energie bis 2030 aussteigen, dieses Gas soll über H2Med nach Marseille fließen und dann nach Norden.

Allerdings könnten die Gas-Tanker auch weiter über das Mittelmeer bis Marseille fahren, statt eine sehr teure Röhre zu verlegen. Schon deshalb ist das teure Projekt wahnsinnig und massive Geldverschwendung.

In vielen spanischen Medien wird kritisch mit den Plänen umgegangen. So fällt zum Beispiel ein Meinungsartikel in der größten Tageszeitung El País auf, in dem Ana María Jaller-Makarewicz im Titel fragt: "H2Med: eine getarnte Gas-Pipeline?"

Die Analystin für den Energiesektor am Institut für Energiewirtschaft und Finanzanalyse (IEEFA) kommt aus ganz anderen Gründen zu einem ähnlichen Ergebnis wie der Autor dieser Zeilen. Das lässt in einer Zeitung, die den Sozialdemokraten sehr nahesteht, schon aufhorchen.

Die Analystin meint, dass H2Med, wie alle Ausbau-Bemühungen durch den künftigen Gasbedarf gestützt werden müssten, sonst würden "die Regierungen riskieren, einen kostspieligen Fehler zu begehen, der die Verbraucher auf Jahre hinaus mit zusätzlichen Kosten auf ihren Energierechnungen belastet." Sie resümiert:

Es besteht ein konkretes Risiko, dass dieses Projekt in diese Kategorie fällt.

In Bezug auf Gas, sei es vor allem aus Sicht Deutschlands schneller und billiger, auch wenn die deutsche Nachfrage kurzfristig wieder anziehen sollte, bestehende Leitungen "mit Norwegen und den Niederlanden zu nutzen, die derzeit nicht ausreichend ausgelastet sind".