Wasserstoff-Pipeline H2Med: Etikettenschwindel
- Wasserstoff-Pipeline H2Med: Etikettenschwindel
- Überschüssige Erneuerbare Energien sind bisher nur ein Wunschtraum
- Widerspruch im EU-Plan
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Wie die MidCat-Pipeline zum Wasserstoff-Projekt H2Med mutierte, damit die EU unter einem grünen Label die teure Röhre finanzieren kann. Was das Projekt über europäische Illusionen und Tricks verrät.
Die erste geplante Wasserstoff-Pipeline der Europäischen Union (EU) wird weder, wie angekündigt, um 2030 in Betrieb genommen, noch wird es beim angegebenen Kostenrahmen von 2,5 Milliarden Euro bleiben. Darauf kann man angesichts der abstrusen Planungen wetten.
Aus schwer nachvollziehbaren Gründen soll das Pilotprojekt einer Wasserstoff-Pipeline unter dem Mittelmeer das katalanische Barcelona mit der französischen Hafenstadt Marseille verbinden. Zusätzlich soll noch im Nirgendwo ein Teilstück über 250 Kilometer aus dem portugiesischen Celorico da Beira über die spanische Grenze nach Zamora führen, das nirgends angebunden sein würde.
Sicher: Es war nötig, Portugal, das schon beim gescheiterten MidCat-Pipeline-Projekt dabei war, irgendwie auch in das neue Projekt einzubinden. Was man aber in einer fast menschenleeren Gegend auf der spanischen Hochebene mit grünen Wasserstoff aus Portugal, der aus der zentralportugiesischen Kleinstadt Celorico da Beira über die spanische Grenze fließen soll, anfangen will, wäre die erste Preisfrage.
Spanien soll 2030 plangemäß "zehn Prozent des gesamten Verbrauch von grünem Wasserstoff in Europa, um die zwei Millionen Tonnen pro Jahr" produzieren, so der Plan mit den vielen Fragen, die im Folgenden dargelegt wird.
Beiträge zum Thema, wie das verlinkte Beispiel des öffentlich-rechtlichen spanischen Fernsehens RTVE, geben darüber keinerlei Auskunft. Sie geben unhinterfragt Wunschdenken weiter, PR; manche sprechen gar von "Propaganda".
Das Röhren-Projekt mit den vielen Fragen wurde am vergangenen Freitag zu Beginn des Gipfeltreffens der EU‑Mittelmeeranrainer in Alicante angekündigt. In der Küstenstadt der spanischen Region Valencia hatten Vertreter Spaniens, Frankreichs, Portugals und der EU‑Kommission die erste Wasserstoff-Pipeline der EU im Rahmen des Plans "Repower EU" begrüßt und angekündigt, dass die Pipeline "2030 ihren Betrieb aufnehmen wird."
Darüber berichtete hierzulande Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ); sie setzt die Ankündigung schon fast einer Tatsache gleich. Bestenfalls wäre aber hier ein "soll" möglich.
Von der Leyen: EU Teil der "Erfolgsgeschichte"
Wie RTVE macht sich auch die FAZ schlicht eine propagandistische Ankündigung zu eigen. Bei näherer Betrachtung und mit gesundem Menschenverstand ist allerdings stark zu bezweifeln, dass die Ankündigung umgesetzt werden können. Die FAZ zitiert die deutsche EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die aus Alicante posaunte, dass die EU "Teil dieser Erfolgsgeschichte" sein werde.
Denn die EU soll nämlich die Hälfte der geplanten hohen Kosten tragen. Doch – wie gewöhnlich bei Großprojekten – wird es dabei nicht bleiben.
Angesichts der Tatsache, dass es sich um eine Art Pilotprojekt handeln soll, dürfte mit einer massiven Kostenexplosion gerechnet werden, wenn man tatsächlich versuchen würde, die erste Wasserstoff-Pipeline zu bauen. Ohne jede Distanz übernimmt die FAZ auch das Wunschdenken und die Propaganda des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez.
Der behauptete nämlich in Alicante, dass Spanien bereits führend bei der Entwicklung erneuerbarer Energien sei und das Land "werde auch beim grünen Wasserstoff eine Vorreiterrolle spielen", so die FAZ über die Aussagen des Gastgebers des Gipfeltreffens.
Dass das mit allergrößter Wahrscheinlichkeit nur ein Etikettenschwindel ist, kann ziemlich leicht aufgezeigt werden. Man kann davon ausgehen, dass hier ein fossiles Projekt grün angestrichen wird, versehen mit dem Label "grüner Wasserstoff".
Der soll angeblich in großen Mengen aus "überschüssiger erneuerbarer Energie" auf der Iberischen Halbinsel produziert werden. Mit dem Öko-Etikett versehen, soll das Projekt der Öffentlichkeit schmackhaft gemacht und die sehr hohen Kosten gerechtfertigt werden, die wir als Steuerzahler dafür aufbringen sollen.
Ausgangspunkt MidCat
Gehen wir etwas zurück, um den Vorgang verständlich zu machen. Der Ausgangspunkt war die geplante Gas-Pipeline mit dem Namen "MidCat", für die sich Deutschland seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine plötzlich stark gemacht hatte.
Diese Röhre wurde von der größten Regasifizierungsanlage Europas im Hafen Barcelonas bis an den Rand der Pyrenäen verlegt. Über die einst von der EU als "prioritäres Infrastrukturprojekt" eingestufte Pipeline sollte eigentlich schon 2023 Gas aus Spanien über die Pyrenäen nach Frankreich fließen.
Darüber sollte das Gas dann über das französische Gasnetz auch nach Deutschland fließen. Damit hätte die Abhängigkeit von russischem Gas schon vermindert werden können.
Doch, wie Telepolis aufgezeigt hatte, ließ eine planlose EU-Energiepolitik zu, dass MidCat unter dem spanischen Sozialdemokraten Sánchez gestoppt wurde, da es sich um eine Investition im abtrünnigen Katalonien handelte.
Nun, da Bundeskanzler Olaf Scholz Druck gemacht hat, propagiert Sánchez ein "siebenfach teureres" Projekt, wie zum Beispiel die konservative Zeitung El Mundo über H2Med ätzt.
Weil jetzt auch der französische Präsident Emmanuel Macron dieses Vorhaben hofiert, führt der französische Präsident seine bisherige Argumentation ad absurdum. Denn zuletzt hatte Macron das MidCat-Projekt als zu teuer abgelehnt und erklärt, dass man keine neuen Gasverbindungen brauche.
Dagegen erklärte Macron in Alicante jetzt, dass das viel teurerere Projekt ganz im "Sinne der kollektiven Strategie" sei. Begründung: Man könne damit die Klimagas-Emissionen verringern und eine schrittweise "Abkehr von fossilen Brennstoffen hin zur Elektrifizierung des gesamten europäischen Kontinents mit Wasserstoff" einleiten. Ist das die Abkehr von der verrückten Atompolitik, die Frankreich nun in den Blackout führen dürfte?
Komisch nur, dass Macron erst kürzlich, auch weil es starken Widerstand in seinem Land gegen die Pyrenäen-Pipeline MidCat gab, plötzlich eine Gaspipeline BarMar unter dem Mittelmeer von Barcelona nach Marseille mittragen wollte, die nach Angaben von Experten mehr als doppelt so teuer gekommen wäre wie die Landröhre. Aber Fische sind keine Wähler, können sich nicht wehren, was zeigt, dass sein Geld-Argument nur vorgeschoben war.
Allerdings wurde auch schon auf BarMar das grüne Wasserstoff-Etikett geklebt. So sollte über die Pipeline nur "zunächst Gas, später aber grüner Wasserstoff" fließen.
Das war natürlich auch nur reines Wunschdenken, resp. Propaganda. Wie von Telepolis bereits aufgezeigt, sind Erdgas-Pipelines für den Wasserstoff-Transport aus verschiedenen Gründen völlig ungeeignet. Denn unter anderem greift der aggressive Wasserstoff den Stahl an und lässt ihn verspröden. Zudem stellt Wasserstoff aufgrund seiner geringen Masse und Größe sehr hohe Anforderungen an die Dichtigkeit der Infrastruktur.
Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags hat festgestellt, dass in die Gasnetze zwar "Methan in unbegrenzter Menge" eingeleitet werden könne. Aber: "Bei Wasserstoff, der mittels Elektrolyse erzeugt wurde, liegen die Grenzen derzeit bei 1-10 Volumenprozent", so eine Expertise des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags.
Mit Bezug auf das Umweltbundesamt (UBA) wird beispielsweise mit Blick auf den Verkehrssektor festgestellt, dass "Erdgas als Kraftstoff keinen höheren Wasserstoffanteil als zwei Vol.-% enthalten darf, da es bei höheren Konzentrationen zu einer Versprödung der Stahltanks von CNG-Fahrzeugen kommen kann".
So stellte das UBA fest:
Welche Rolle Wasserstoff künftig im Gesamtsystem spielen soll, ist noch weitgehend unklar. Weder ist geklärt, inwieweit eine erhöhte Beimischung von Wasserstoff in die bestehenden Gasnetze angestrebt werden soll, noch, ob und in welchem Umfang Wasserstoffnetze durch Neuaufbau oder Umwidmung bestehender Netze benötigt werden.
Umweltbundesamt
Es war also längst klar, dass dieser angebliche "neue grüne Energiekorridor" von Barcelona nach Marseille nur eine neue, noch teurere Investition in fossile Infrastruktur sein sollte, die eben auch über das Wasserstoff-Gespenst grün angestrichen wurde.
Nun bedient auch Macron das Märchen, wonach Wasserstoff ein Erdgas-Ersatz sein könnte. Auch dieses Märchen haben wir schon ausführlich zerpflückt und das kann hier nachgelesen werden.