Wegen Protesten gegen Rentenreform: Ratingagentur straft Frankreich ab
Bonität des Landes herabgesetzt: Politische Blockaden und die sozialen Bewegungen werden als Risiko für Macrons Reformagenda eingestuft. Die Regierung reagiert trotzig.
Das hatten Präsident Emmanuel Macron und die französische Regierung nicht erwartet. Die Ratingagentur Fitch hat die Gelbe Karte gezogen und Frankreichs Kreditwürdigkeit von AA auf AA minus herabgestuft.
Die Gründe, weshalb man die Bonitätsnote des Landes heruntergesetzt hat, sind vielschichtig. Von der Bestnote AAA, die Deutschland erhält, ist Frankreich nun drei Stufen entfernt. Ein zentraler Grund dafür sind die Dauerproteste gegen die Rentenreform.
Nach Ansicht der Veranstalter wurden am 1. Mai insgesamt 2,3 Millionen Menschen auf mehr als 300 Protestveranstaltungen mobilisiert. Die Polizei reduziert die Zahl auf 800.000. Die Gewerkschaften und Linkspolitiker sprechen dagegen von einem "historischen" 1. Mai. Was die Gewerkschaften längst ankündigten, bekräftigte auch die linke Europaparlamentarierin und Ko-Chefin der französischen Linksfraktion, Manon Aubry, :
Der Kampf gegen die Rentenreform ist nicht beendet.
Manon Aubry
Seit Monaten wird gegen die Reform von Macron, gegen die sich laut Umfragen eine deutliche Mehrheit stellt, wird im ganzen Land protestiert und gestreikt.
Dass die Schlacht nicht gewonnen ist, obwohl das Reformgesetz die Kammern passiert hat, davon geht auch die US-Ratingagentur aus. Sie sieht darin ein großes Problem: Fitch glaubt, dass der "soziale und politische Druck, der durch die Proteste gegen die Rentenreform deutlich wurde, die Haushaltskonsolidierung erschweren" werde.
Stärkung von radikalen Kräften
Die Agentur verweist in ihrer Begründung des Downgrading darauf, dass die Regierung ihre Mehrheit bei den Wahlen im Juli 2022 verloren hat und sie eine Abstimmung über die Reform in der Nationalversammlung umgangen hat, "indem sie die verfassungsmäßigen Befugnisse nach Artikel 49.3 nutzte". Das werde wahrscheinlich "radikale und gegen das Establishment gerichtete Kräfte" weiter stärken.
Politische Blockaden und (manchmal gewalttätige) soziale Bewegungen stellen ein Risiko für Macrons Reformagenda dar und könnten Druck für eine expansivere Fiskalpolitik oder eine Umkehrung früherer Reformen erzeugen.
Fitch Rating
Finanzminister Bruno Le Maire reagierte trotzig und bezeichnete die Einschätzung als "pessimistisch". Die Agentur unterschätze die Folgen der Strukturreformen, die in den letzten Monaten von der französischen Regierung verabschiedet wurden, erklärte Le Maire.
Ich glaube, dass die Fakten die Einschätzung der Agentur Fitch entkräften.
Bruno Le Maire
Der Finanzminister betonte, dass man die Strukturreformen fortsetzen werde und das auch könne. Le Maire beklagte und kritisierte, dass Fitch die positiven Prognosen der Regierung in Paris nicht abnimmt.
Die Ratingagentur hat ihre bisherige Wachstumsprognose für das Land abgesenkt. Hatte sie noch im November für das laufende Jahr ein Wachstum von 1,1 Prozent vorhergesagt, geht die Agentur nun nur noch von 0,8 Prozent aus. Auch hierbei wird auf Proteste und Streiks verwiesen. Die Prognose für 2024 wurde von 1,9 Prozent auf 1,3 Prozent gesenkt.
Hohe Staatsverschuldung und die Folgen
Verwiesen wird auch auf die hohe Staatsverschuldung. Mit 111,6 Prozent der Wirtschaftsleistung sei das der "höchste Wert" unter den mit AA bewerteten Staaten "und mehr als doppelt so hoch" wie der AA-Medianwert.
Der Schuldenstand sei im Vergleich zu Ende 2021 rückläufig gewesen, was auf ein solides nominales Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und den Abbau eines Liquiditätspuffers zurückzuführen war, der sich während der Covid-Pandemie angesammelt hatte.
Der Puffer sei teilweise zur Finanzierung des großen Energieversorgers EDF benutzt worden, der angesichts einer ausufernden Verschuldung und eines Rekordverlusts wieder vollständig verstaatlicht werden musste.
Fitch prognostiziert, dass die Staatsschulden bis Ende 2027 weiter stetig auf 114,3 Prozent des BIP ansteigen, das dann "etwa 17 Prozentpunkte über dem Niveau vor der Pandemie" liege. Dass die Regierung nach ihrem neuen Stabilitätsprogramm das Haushaltsdefizit bis 2027 auf 2,7 Prozent senken kann, wird bezweifelt, da die Prognose auf einem stärkeren Wirtschaftswachstum basiert, als Fitch prognostiziert.
Wir gehen davon aus, dass das Haushaltsdefizit in diesem Jahr 5,0 Prozent des BIP betragen wird und damit über dem für 2022 erwarteten Wert von 4,7 Prozent liegt, was auf ein schwächeres Wirtschaftswachstum und höhere inflationsindexierte Ausgaben zurückzuführen ist.
Fitch Ratings
Für 2024 erwartet die Agentur ein Defizit von 4,7 Prozent. Hier spielen natürlich auch höhere Zinsausgaben für den Schuldendienst eine Rolle, die mit der Herabstufung weiter steigen dürften. Schon im vergangenen Jahr seien sie um 15,2 Milliarden EUR oder 0,6 Prozent des BIP "stark angestiegen", so Fitch.
Die Agentur verweist darauf, dass ein relativ hoher Anteil der Staatsschulden innerhalb der nächsten 12 Monate fällig werden: "Wir gehen davon aus, dass die Zinszahlungen bis 2024 auf vier Prozent der Einnahmen ansteigen werden, verglichen mit dem AA-Median von 2,9 Prozent."