Welche Zukunft bleibt deutschen Krankenhäusern?
Teure Kliniken: Sollen sie vor der Insolvenz gerettet werden? Gesetzliche Krankenkassen wollen deutlich weniger Krankenhäuser. Heißt der Trend: Konzentration auf lukrative Behandlungen?
Die Corona-Pandemie hatte zu einer kräftigen Verminderung der Leistungen von Krankenhäusern geführt. Mit Ausgleichszahlungen konnten die dadurch bedingten Erlösminderungen aufgefangen werden, so dass das Jahr 2020 für Krankenhäuser unterm Strich wirtschaftlich besser war als 2019.
Das ließ sich dem "Krankenhaus Rating Report 2022" entnehmen. Sollte die Leistungsmenge nach der Pandemie jedoch niedrig bleiben und keine Ausgleichszahlungen mehr geleistet werden, stehen die Krankenhäuser wieder vor gewaltigen Herausforderungen.
Ohne die Sonderzuwendungen von 2020 wird es für viele Krankenhäuser schon bald sehr eng. Dies gilt vor allem für Krankenhäuser im ländlichen Raum und für Patienten, für die eine schnelle Versorgung überlebenswichtig ist.
Die neunzehnte Ausgabe des "Krankenhaus Rating Report", der im Rahmen des ″Hauptstadtkongress 2023 – Medizin und Gesundheit″ vorgestellt wurde und gemeinsam vom RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung und der Institute for Healthcare Business GmbH (hcb) in Kooperation mit der Bank im Bistum Essen (BIB) erstellt wurde, stellte fest, dass sich die wirtschaftliche Lage deutscher Krankenhäuser im Jahr 2021 wieder verschlechtert hat.
Elf Prozent liegen demnach im ″roten Bereich″ mit erhöhter Insolvenzgefahr. Ihre Ertragslage hat laut des Berichts negativ entwickelt, 32 Prozent der Kliniken notieren auf Konzernebene einen Jahresverlust.
Maßgeblich für die schlechtere wirtschaftliche Lage der Kliniken, so stellt der Bericht fest, sei der Rückgang der Ausgleichszahlungen im Rahmen der Covid-19-Pandemie bei einem nach wie vor geringen Leistungsniveau der Krankenhäuser.
Dem deutschen Gesundheitswesen wird attestiert, dass es vor großen Herausforderungen steht, für die es aktuell nicht gerüstet sei.
Wenn die Statistik das Leben nur rudimentär abbildet
Auf die Frage, wie viele Kliniken Deutschland für eine gute Versorgung brauche, will eine Berechnung des Verbands der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ermittelt haben, dass künftig 1.247 der noch knapp 1.700 Krankenhäuser für die Versorgung der deutschen Bevölkerung ausreichen würden, also auf etwa 400 derzeit noch bestehende Krankenhäuser verzichtet werden kann.
Diese 400 Kliniken müssten nun erklären, warum sie gebraucht würden und unnötig Fachkräfte bänden. Diese Vorstellung geht davon aus, dass die Fachkräfte, die bei einer Schließung dieser Kliniken entlassen würden, dann wie selbstverständlich bei den verbliebenen Einrichtungen weiterarbeiten würden.
Die GKV-Berechnung nimmt an, dass 1.247 Kliniken für die medizinische Versorgung der Bevölkerung in Deutschland ausreichen würden. Für eine erweiterte oder umfassende Notfallversorgung würden sogar 422 Kliniken genügen.
358 Kliniken mit Notfallstufe gäbe es darüber hinaus in einem Fahrzeitradius von 30 Minuten. Außerdem gäbe es 272 Fachkrankenhäuser mit mindestens 500 vollstationären somatischen Fällen und 64 alleinstehende Kinderkrankenhäuser, Schlaganfall-Stationen oder Traumazentren. Zudem bräuchte es 131 regionale Krankenhäuser, ohne die die Versorgung vor Ort nicht sichergestellt wäre.
Die Gesetzlichen Krankenkassen wollen mit ihrer aktuellen Berechnung sicherstellen, dass sie künftig nur noch für die Behandlung in solchen Krankenhäusern bezahlen müssen, welche die geplanten bundesweit geltenden Qualitätsstandards mit ihren einheitlichen Kriterien für die Ausstattung erfüllen.
Die Ausstattung der Krankenhäuser müsste jedoch von den jeweiligen Bundesländern finanziert werden, was diese seit vielen Jahren nicht mehr wie eigentlich vorgesehen leisten.
An diesem Punkt scheiterten bislang auch die Verhandlungen der Länder mit dem Bundesgesundheitsministerium. Aktuell müssen sich die Kliniken auf solche Eingriffe konzentrieren, bei welchen sie sehr effizient arbeiten können und gut verdienen.
Nur so können sie die anstehenden Investitionen ermöglichen, wobei es den Kliniken auch kaum verübelt werden kann, wenn sie unter den gegebenen Bedingungen vorrangig in solche Bereiche investieren, die einen schnellen Return on Investment ermöglichen.
Um diese Entwicklung zu beenden, muss es für die Kliniken dringend zur Einführung einer fallmengenunabhängigen Vorhaltefinanzierung der Krankenhausleistungen kommen, die den Mengenanreiz bei den geleisteten Eingriffen reduziert und die Daseinsvorsorge stärkt.
Demografischer Wandel in Europa
Da das Erwerbspersonenpotenzial in Deutschland in den kommenden Jahren stark sinken wird, weil die geburtenstarken Jahrgänge schrittweise den Arbeitsmarkt verlassen und die geburtenschwachen Jahrgänge aus den 2000er-Jahren in den Arbeitsmarkt eintreten, steht die Gesundheitspolitik vor dem Dilemma, dass der Knappheit von Fachkräften mit qualifizierter Zuwanderung nur bedingt entgegengewirkt werden kann.
Denn da der demographische Wandel die Bevölkerungsstruktur in ganz Europa prägt, muss man die Anwerbung von Fachkräften auf andere Kontinente ausdehnen, wobei dort dann das Problem entsteht, dass die flexibelsten und am besten ausgebildeten Fachkräfte abgeworben werden und ihrem Heimatland nicht mehr zur Verfügung stehen.
Ergänzen will man das Gesundheitswesen künftig durch eine effiziente Patientensteuerung. Dahinter verbirgt sich die Etablierung einer sogenannten Gatekeeper-Funktion mit sozial abgefederten Eigenbeteiligungen und dem Ausbau der Gesundheitskompetenz in der Bevölkerung.
Bislang reduziert sich diese in den meisten Fällen auf den Heilungsanspruch der Versicherten. Die Eigenverantwortung der Patienten beschränkt sich meist auf die Bezahlung der Krankenkassenbeiträge.