Welfare Queen, oder: Warum die Vergangenheitsbewältigung zum Exportgut werden muss
Seite 3: Was lernt man für Deutschland daraus?
- Welfare Queen, oder: Warum die Vergangenheitsbewältigung zum Exportgut werden muss
- US-Konservative sind oft keine
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Man wirft heute die verschiedensten Populisten aus den USA, Großbritannien, den Niederlanden, Frankreich, usw. in einen Topf und spricht gerne von einer drohenden Gefahr. Man kann nach obiger Analyse allerdings leicht feststellen: Es gibt auch große Unterschiede.
Viele vermeintlich konservative US-Bürger sind im Grunde genommen eher individualistische Wirtschaftsliberale. Da das politische System in den USA aber nur zwei große Parteien kennt und es schwierig bis unmöglich ist, eine dritte aufzubauen, landen viele Wirtschaftsliberale bei den Republikanern. In der Bundesrepublik Deutschland hatte man aber schon immer die FDP und die Union. Da konnten Liberale und Konservative getrennte Wege gehen. Und so stark ausgeprägt wie in den USA ist der reine Wirtschaftsliberalismus in Deutschland auch nicht, wie man am bescheidenen Abschneiden der FDP sieht.
Die Unionsparteien - deutsche Konservative - wollen im Gegensatz zu den heutigen US-Republikanern nicht um jeden Preis den Staat klein und unfähig machen. Stattdessen erkennt seit 1950 der herrschende Ordoliberalismus (auch soziale Marktwirtschaft genannt) an, dass unregulierte Märkte immer wieder zu unerwünschten Ergebnissen führen. Daher muss der Staat regelmäßig eingreifen, um die Marktwirtschaft zu retten. Weil der Staat es nicht besser weiß als der Markt, soll der Staat allerdings erst intervenieren, wenn der Markt dabei ist zu versagen - so jedenfalls der Leitsatz im Ordoliberalismus.
Auch Adam Smith wird in Deutschland anders interpretiert. Anselm Görres, ein Mitbegründer des Adam-Smith-Preises für marktwirtschaftliche Umweltpolitik, sagte mir einmal: "Wenn man Smith liest, erkennt man einen gewissen Geist. Es geht ihm nicht um Gier, sondern um Fairness."
Die Körperstrafe - auch in der Familie - ist in Deutschland verboten, und nach einem starken Mann als politischen Führer sehnt sich hierzulande anscheinend nur eine sehr kleine Minderheit: Seit den Äußerungen Höckes zum Holocaust-Denkmal ist die AfD wieder unter 10% gesunken. Dass Kinder sich vor ihren Eltern fürchten sollten, wie mein alter Spielkamerad aus Mississippi meint, glauben wohl wenige Deutsche.
Dass ärmere Haushalte massenhaft gegen ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen stimmen, ist kein weit beklagtes Phänomen in der deutschen Politik. Kein Bundesland hat 2009 Mittel aus Merkels Konjunkturpaket aus Trotz oder Ideologie abgelehnt. Und statt den Sozialstaat abschaffen zu wollen, wie viele Amerikaner, liefen viele Deutsche zum ersten SPD-Kanzlerkandidaten über, der versprach, die Beschränkung des Sozialstaats in der Agenda 2010 zu revidieren. Kein deutscher Politiker wirft Hartz-IV-Empfängern vor, den Sozialstaat zu missbrauchen, um "wie Königinnen" zu leben.
Und meine deutschen Freunde finden es irgendwie cool, dass ich mit einem Newton Knight, der mitten in Mississippi gegen die Sklavenstaaten kämpfte, entfernt verwandt bin.
Craig Morris ist Mitautor von Energy Democracy: The Germany Energiewende to Renewables, der ersten Geschichte der Energiewende, und seit August deutscher Staatsbürger.