Weltweit größtes Freihandelsabkommen geht in die Endrunde

In den Philippinen rührt sich noch einmal Widerstand gegen das RCEP-Abkommen. Kritiker befürchten bei Zustandekommen verheerende Auswirkungen auf 2,2 Milliarden Menschen

Auf den Philippinen mobilisieren Organisationen von Landwirten, Fischern, Arbeitern, der Zivilgesellschaft und mittelständischer Unternehmen Proteste gegen die Ratifizierung des weltweit größten Freihandelsabkommen.

Das Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP, auf Deutsch: Regionale umfassende Wirtschaftspartnerschaft) soll am 1. Januar 2022 in Kraft treten und wird bei Zustandekommen neben den Philippinen weitere 14 Staaten – Australien, Brunei, Kambodscha, China, Indonesien, Japan, Südkorea, Laos, Malaysia, Myanmar, Neuseeland, Singapur, Thailand sowie Vietnam – umfassen — und damit 2,2 Milliarden Menschen und etwa 30 Prozent des Welthandels.

Die Philippinen stehen kurz vor der Ratifizierung. Darum haben in den vergangenen Wochen die Proteste gegen das in großer Geheimhaltung ausgehandelte Abkommen nochmals zugenommen.

Insbesondere der Widerstand von Bauernverbänden gegen die Ratifizierung hat sich verschärft. Deren Verbände haben schon in der Vergangenheit kritisiert, dass sie nicht zu den Verpflichtungen der Philippinen in Bezug auf den Agrarsektor konsultiert worden seien.

Arbeiter und Bauern eint die Sorge um ein Wettrennen nach unten, was Löhne und Arbeitsstandards betrifft. Wie andere große Freihandelsabkommen historisch belegt haben, könnte auch das RCEP die derzeitige Praxis großer ausländischer Unternehmen unterstützen, auf den Philippinen zu investieren, um den dort bestehenden Niedriglohnsektor auszunutzen.

Gleichzeitig befürchten Gewerkschaftsführer, dass die durch das Abkommen drohenden weiteren Verschlechterung der Arbeitsbedingungen noch mehr Filipinos dazu zwingen, in andere Länder auszuwandern, um dort Arbeit zu finden. Mehr als zehn Millionen Filipinos leben bereits jetzt in 200 Ländern der Welt.

Das RCEP droht Lebensstandards nicht nur auf den Philippinen zu senken. Wie ähnliche Freihandelsabkommen geht besondere Gefahr auch von seinen Klauseln über das "geistige Eigentum" aus.

Sorge um Patente auf Saatgut

Gerade im Globalen Süden führen solche Klauseln beispielsweise zu rigiden Patenten auf Saatgut von Konzernriesen wie Monsanto, heute Bayer. Landwirte können dann ihr eigenes Saatgut nicht mehr benutzen und werden gezwungen, Jahr um Jahr ihre Lizenzen zu erneuern.

Sollte das RCEP durchkommen, wird es auch erweiterte Patentrechte auf potenziell lebensrettende Medikamente einführen. Dies befürchtet unter anderem die philippinische Health Alliance for Democracy (HEAD).

Aber auch im digitalen Raum geht große Gefahr aus. So wurde in der Vergangenheit immer wieder erst durch Leaks bekannte Teile des IT-Kapitels des Vertrages hingewiesen, dass laut Rechtsexperten ernsthafte Risiken für die Privatsphäre und die Meinungsfreiheit darstelle.

Wie das Manila Bulletin am 8. Dezember berichtet, kommt es nun vor Vertragsratifizierung nochmals zu einer erheblichen Protestwelle auf den Philippinen.

Bauernverbände drohen, Senatoren bei der Wiederwahl nicht zu unterstützen, wenn sie das Mega-Handelsabkommen nicht aufgeben. Die Stimmen aus ländlichen Gebieten sind für eine Reihe der Senatoren nicht unerheblich.

Die Federation of Free Farmers (FFF) forderte die Senatoren auf, ihre Loyalität gegenüber den Landwirten des Landes unter Beweis zu stellen, indem sie das Abkommen ablehnen, wie die Hauptstadtzeitung berichtet.

Nach der Verfassung müssen mindestens 16 oder zwei Drittel der 24 Senatoren dem Vertrag zustimmen, bevor das Land dem Handelsblock beitreten kann.

"Dies wird ein Lackmustest sein, insbesondere für die Senatoren, die sich im Mai 2022 zur Wiederwahl stellen. Viele Landwirte haben genug von der Import-Import-Import-Politik der derzeitigen Regierung, und wir werden dafür sorgen, dass sie wissen, wie ihre Senatoren in dieser Frage, in der es um Leben und Tod geht, abgestimmt haben", zitiert die Zeitung Raul Montemayor, einen Repräsentanten des Bauernverbandes.

Die Gruppe führt offizielle Daten an, die bestätigen, dass die versprochenen Vorteile – mehr landwirtschaftliche Arbeitsplätze, Investitionen und Handelsvolumen – aus früheren Handelsabkommen im Allgemeinen nicht eingetreten sind.

Handelsdefizit seit WTO-Beitritt gewachsen

Gerade die kleinen Landwirte seien ohnehin schon seit den 1990er-Jahren mit dem Beginn der Freihandelspolitik unter die Räder gekommen. Exporte des Landes seien hingegen nur bei Bananen-, Ananas- und Kokosnussproduktion gewachsen, die im Allgemeinen von großen Agrarunternehmen und nicht von Kleinbauern angebaut und gehandelt werden.

Während vor dem Beitritt des Landes zur Welthandelsorganisation (WTO) im Jahr 1995 die Agrarexporte die Importe überstiegen, hat sich das Handelsdefizit seitdem auf über 400 Milliarden Pesos im Jahr 2018 aufgebläht.

"Trotz der rosigen Vorhersagen einiger Ökonomen gibt es keine Anzeichen dafür, dass das RCEP diesen Trend umkehren wird. Die Erfahrungen der letzten 25 Jahre der Handelsliberalisierung lassen vielmehr erwarten, dass es noch schlimmer werden wird", sagte Montemayor gegenüber dem Manila Bulletin.

Auch andere Vertreter des Agrarsektors stimmen damit überein: In der vergangenen Woche sagte der Geschäftsführer des weitaus größeren Verbandes der Lebensmittelproduzenten Samahang Industriya ng Agrikultura (Sinag), Jayson Cainglet, dass der philippinische Agrarsektor seit dem Beitritt zur WTO kein bemerkenswertes Wachstum erfahren habe.

Wie Montemayor ist auch Cainglet der Ansicht, dass die angeblichen Gewinne in den Bereichen Handel, Produktion und Beschäftigung nie stattgefunden haben.

"Die WTO hat unser Land zu einem Nettoimporteur von Nahrungsmitteln gemacht und unsere jahrzehntelange Fähigkeit zerstört, unsere eigenen Nahrungsmittel zu produzieren. Die WTO hat unsere Ernährungssicherheit untergraben, und noch viel mehr unsere Ernährungssouveränität, bei der wir über unsere eigene Landwirtschafts- und Ernährungspolitik entscheiden", sagte Cainglet.

Gleichzeitig sei der versprochene Marktzugang für Entwicklungsländer wie die Philippinen nie zustande gekommen, da die WTO eigentlich dazu gedacht war, die Marktchancen für die großen Akteure wie die USA und die EU und neuerdings auch China und die anderen Mitglieder der G8 zu erweitern.