Weltwirtschaft auf Rezessionskurs?

Seite 2: Das Weltfinanzsystem ist "gefährlich instabil" geworden

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Die Entwicklung spiegelt sich (langsam und zurückhaltend) inzwischen auch in den Prognosen des IWF wieder. So erklärte die IWF-Chefin Christine Lagarde kürzlich, dass das Wachstum der Weltwirtschaft im laufenden Jahr "enttäuschend" ausfallen werde. Und vor dem Treffen in den Schweizer Bergen hat der IWF nun zum dritten Mal seine Prognosen nach unten korrigiert. Nun geht er für 2016 nur noch von einem Wachstum von 3,4% aus, während es für 2017 dann 3,6% sein sollen. Die hatte der IWF noch im vergangenen Oktober noch für 2016 vorhergesagt.

Doch schon jetzt bauen die Washingtoner vor, da es durchaus noch schlechter ausfallen könnte, da sich die Konjunktur in Schwellenländern wie in China weiter eintrübt. Bei der Schwesterorganisation ist man ohnehin schon jetzt skeptischer. Die Weltbank hat ebenfalls ihre Vorhersage nach unten korrigiert. Sie erwartet für das laufende und das kommende Jahr nur noch ein weltweites Wachstum von 2,9 und 3,1%. In diese Berechnungen ist zum Teil schon eingeflossen, dass die Frachtraten abstürzen. Dazu hat die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in ihrem letzten Ausblick längst davon gesprochen, dass die Weltwirtschaft entweder schon stagniere oder sogar schrumpfe.

Daneben weisen aber auch immer mehr Experten auf Parallelen in China zur Finanzkrise hin, die ab 2008 deutlich zu beobachten war. William White, der Vorsitzende des Review Committee der OECD, warnt im Gespräch mit dem schon erwähnten Ökonomen Evans-Pritchard vor neuen weltweiten Verwerfungen, da das Weltfinanzsystem "gefährlich instabil" geworden ist. Für White steht fest: "Die Situation ist schlimmer als 2007."

Zu einer ähnlichen Einschätzung war auch schon einmal der IWF vor 18 Monaten gekommen (IWF fordert einen besseren Kapitalismus), als Lagarde davon sprach, dass die Gefahren heute sogar größer seien als vor der Krise. White führt zudem aus, dass die Munition zur Bekämpfung von Krisen inzwischen fast vollständig verschossen ist. Die Schulden seien in den vergangenen acht Jahren überall in der Welt immer weiter gestiegen und haben immer neue Rekordstände erreicht, stellt er richtig fest. "In der nächsten Rezession wird offensichtlich werden, dass diese Schulden niemals mehr bedient oder zurückgezahlt werden können."

Und auch hier ist wieder China als Brennpunkt zu nennen, wo es in den vergangenen Jahren mit dem Boom auch einen regelrechten Verschuldungsboom gegeben hat, mit der dieser Boom wie in anderen Ländern zuvor finanziert wurde. Die Schulden des Landes, in dem in den letzten Jahren so viele Schulden gemacht wurden wie in keinem anderen Land, haben sich seit 2007 vervielfacht. So sieht sogar die konservative Zeitung "Die Welt" inzwischen beängstigende Parallelen zur Lehman-Pleite, die 2008 schließlich massive Schockwellen über den gesamten Erdball gesendet hat, die bis heute spürbar sind.

Die Zeitung spricht davon, dass sich ein "gefährlicher Cocktail" zusammengebraut habe, "der die globale Finanzwelt in eine tiefe Krise stürzen kann". Vieles spreche dafür, dass die Verschuldung der chinesischen Wirtschaft inzwischen dramatisch außer Kontrolle geraten sei. Die Unternehmen hätten in den vergangenen Jahren immer höhere Darlehen angehäuft. Seit 2008 stieg ihre Verschuldung jährlich um 21 Prozent an und damit sei sogar das Umsatzwachstum bei Weitem übertroffen worden. Die Schulden chinesischer Unternehmen machen nun etwa 160% der jährlichen Wirtschaftsleistung des Landes aus, während es im EU-Durchschnitt gut 100% sind.

Und werden die Kredite angesichts der schwächelnden Konjunktur faul, hätte das dramatische Auswirkungen auf das ohnehin fragile Banken- und Finanzsystem, das wiederum nicht nur China in den Abgrund reißen kann. Denn die Ansteckungsgefahren, das hat schon der Zusammenbruch der US-Investmentbank gezeigt, sind enorm. Und so verwies das OECD- Führungsmitglied gerade auch noch einmal aus Davos darauf hin, dass eben mit den Maßnahmen der Notenbanken zur Krisenbewältigung, das Problem des von Schulden getriebenen Wachstums über die niedrigen Zinsen nur verschärft worden sei. "Es war immer gefährlich, sich darauf zu verlassen, dass die Zentralbanken ein Solvenz-Problem lösen können", sagte White.

Während man in den USA damit begonnen hat, die Zinsen wieder leicht anzuheben, um die Geldschwemme zurückzufahren (Zinswende in den USA), ist davon in Europa dagegen keine Spur. Der Chef der Europäischen Notenbank (EZB) Mario Draghi will die Notenpresse sogar noch schneller als bisher schon laufen lassen. Nachdem den Süchtigen nach immer neuen Geldspritzen die letzte Ankündigung zu schwach vorkam, kündigte er nach der EZB-Ratssitzung am vergangenen Donnerstag neue Schritte für März an. Damit wurden die Börsen gestützt und der Euro weiter geschwächt, was im Rahmen des Währungskriegs eine zentrale Absicht der EZB-Politik ist, um die Exporte aus dem Euroraum zu stärken. Diese Politik wird immer gefährlicher, meint auch die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel.