Wendepunkt für die Menschenrechte und das Völkerrecht?
Der Internationale Strafgerichtshof stellt Haftbefehl für den sudanesischen Präsiden al-Bashir aus und belangt damit erstmals einen amtierenden Staatschef
Erstmals hat der Internationale Strafgerichtshof (ICC) einen Haftbefehl, den es seit 2002 gibt (Startschuss für den Internationalen Strafgerichtshof), gegen einen amtierenden Staatschef ausgestellt. "Omar Al-Bashir offizielle Funktion als amtierendes Staatsoberhaupt schließt weder seine Verantwortlichkeit für Verbrechen aus, noch verleiht ihm dies Immunität gegenüber der Strafverfolgung durch den ICC", heißt es in der Begründung für die mutige Entscheidung. Sie setzt ein Fanal, das einen weiteren, wichtigen Schritt zur Durchsetzung der Menschenrechte und des internationalen Rechts ausführt, allerdings ist die Gefahr auch hoch, dass sich der ICC als Papiertiger erweist.
Dem sudanesischen Präsidenten Omar al-Baschir werden Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen – ihn des Völkermords zu bezichtigen, wollte man aber doch nicht. Er wird für Angriffe gegen die Zivilbevölkerung in Darfur verantwortlich gemacht. Die Menschen würden getötet, exekutiert, vergewaltigt, gefoltert und vertrieben. Seit Beginn der Angriffe sollen 300.000 Menschen in Darfur getötet worden sein. Fast 3 Millionen Menschen wurden vertrieben oder sind geflohen. 35.000 Menschen seien direkt durch die politische Strategie der sudanesische Regierung getötet worden.
Die Richter fordern alle Mitgliedsländer des Rom-Statuts und alle Mitglieder des UN-Sicherheitsrats auf, bei der Festnahme und Überstellung des Präsidenten zu kooperieren. Ebenso wird die sudanesische Regierung zur Kooperation aufgefordert. Wenn die Regierung weiter trotz UN-Resolutionen nicht mit dem ICC zusammenarbeite, werde sich dieser an den Sicherheitsrat werden. Alle Staaten und Organisationen sind, auch wenn sie nicht das Rom-Statut unterzeichnet haben, durch die UN-Resolution 1593 aufgefordert, mit dem ICC zu kooperieren.
Der Strafgerichtshof kann seine Anordnungen nicht selbst durchsetzen. Die Mitgliedsstaaten des Rom-Statuts wären aber verpflichtet, den Gesuchten festzunehmen, wenn er sich auf ihrem Territorium aufhält (108 Staaten haben das Rom-Statut ratifiziert). Den Präsidenten in seinem Land festzunehmen, wenn dieses nicht kooperiert, ist praktisch unmöglich. Der UN-Sicherheitsrat könnte allerdings Sanktionen beschließen. China als enger Handelspartner von Sudan, wird hier aber aus eigenem Interesse heraus nicht mitspielen, Russland auch nicht, wo man bereits von einem "gefährlichen Präzedenzfall" sprach.
Auch die arabischen und afrikanischen Regierungen, oft auch nicht demokratisch legitimiert, werden den Haftbefehl kaum unterstützen. Jean Ping, der Vorsitzender der Afrikanischen Union, sagte, man müsse zwar Verbrecher verfolgen, aber dabei sollten Frieden und Gerechtigkeit nicht kollidieren. Zudem warf er dem Strafgerichtshof vor, sich nur gegen Afrika zu richten, aber nicht zu schauen, was im Irak, in Gaza, in Kolumbien oder im Kaukasus geschehen ist. Immerhin sind 30 afrikanische Staaten Unterzeichner des Rom-Statuts und damit verpflichtet, Sudans Präsidenten festzunehmen und auszuliefern. Die arabischen Staaten sind allesamt nicht dem Strafgerichtshof beibetreten.
Interessant wird sein, wie sich die US-Regierung dazu verhält. Die Bush-Regierung (US-Regierung zieht Unterschrift unter das Statut von Rom zurück) hat aktiv versucht, die Bildung des Strafgerichtshofs zu verhindern und andere Staaten unter Druck gesetzt, ihn zu boykottieren, weil man fürchtete, möglicherweise selbst belangt werden zu können. Der US-Präsident könnte sogar nach einem Gesetz mit Gewalt gegen den ICC vorgehen (US-Bürger und Alliierte sollen auch mit Gewalt vor dem Zugriff des Internationalen Gerichtshofs geschützt werden).
Der Sprecher des US-Außenministeriums rief alle Parteien im Sudan zur Zurückhaltung auf und erklärte, man werde weiterhin den Friedensprozess stärken. Auf die Frage, ob die USA al-Bashir festnehmen würden, wenn er US-Territorium betreten sollte, verweigerte er eine Antwort, weil das nur theoretisch sei. Wenn al-Bashit zum Hauptqaurtier der Vereinten Nationen gehen würde, sei das sowieso ein rechtlicher Sonderfall. Stur verweigerte er auch eine direkte Antwort auf die Frage, ob die US-Regierung die Entscheidung des Strafgerichtshofs begrüße. Ebenso wenig wollte er beantworten, ob die US-Regierung mit dem Strafgerichtshof kooperieren werde.
Sudan wies den Haftbefehl natürlich zurück, der von einer "neokolonialistischen Haltung" zeuge. Al-Bashir machte sich über ihn lustig und ergriff die Gelegenheit, schon einmal internationale Hilfsorganisationen aus dem Land zu weisen. Das dürfte die Situation der Menschen in Darfur noch weiter erschweren. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon erklärte, dass die Vereinten Nationen ihre Friedens- und Hilfsmissionen fortsetzen würden.