Wenige brennende Bush-Puppen
Wird man die Wahrheit über George W. Bush (in 30 Sekunden) beim Superbowl erfahren?
Mit bushkritischen 30 Sekunden-Spots, die während der Vorphase des amerikanischen Präsidentenwahlkampfs im Fernsehen laufen (vgl. Die Wahrheit über George W. Bush in 30 Sekunden), will die Aktivistengruppe MoveOn.org ihr Scherflein dazu beitragen, um die Wiederwahl des amtierenden und nicht unbedingt weltweit geschätzten US-Präsidenten George Bush junior zu verhindern. Zu diesem Zweck hat sie einen Werbespot-Wettbewerb mit einem ansehnlichen Jurorenteam ausgerufen, dessen Gewinner diese Woche in New York ermittelt wurde. Auserkoren wurde ein einfacher, aber wirksamer Spot mit Kindern, der auch dem normalen US-Bürger seine Gießkanne nicht verbiegt.
Die 1,7 Millionen Mitglieder sowie andere Bush-Gegner waren von MoveOn.org aufgerufen worden, die eingesandten 1500 Filmvorschläge per Internet in einer Vorauswahl zu bewerten. Am Wettbewerb teilnehmen wiederum konnte jeder über 15 Jahre alte Einwohner der USA, wenn sein Spot nicht direkt zur Abwahl Bushs aufforderte. Dementsprechend waren in den Filmen wenige brennende Bush-Puppen zu sehen. Zwei Beiträge allerdings, die sich des direkten Vergleichs Bushs mit Hitler nicht enthalten konnten, sorgten zwar für einen aufmerksamkeitsheischenden Skandal um die Kampagne in den amerikanischen Medien, wurden aber von den insgesamt 2,9 Millionen Online-Wählern nicht in die Vorauswahl mit einbezogen. Wegen der "hohen Qualität der Einsendungen" sind dann noch einige Zusatz-Kategorien wie "beste Animation" geschaffen worden.
Die prominent besetzte zwanzigköpfige Endjury (bestehend u.a. aus den Filmemachern und Regisseuren Michael Moore, Gus Van Sant und Michael Mann, dem Prog-Pop-Aktivisten Moby, dem Hip-Hop-Zaren Russell Simmons, den Komödianten Margeret Cho und Al Franken, den Rockmusikern Michael Stipe und Eddie Vedder und der Journalistin Katrina vanden Heuvel) wählte dann aus den übrig gebliebenen 14 Finalisten den Haupt-Gewinner. Dieser ist der 38jährige Familienvater Charlie Fisher aus Denver mit seinem Beitrag Child's Pay.
In diesem Kurzfilm sind Kinder zu sehen, die Müllsäcke auflesen, Teller waschen, in Hotels putzen, in einer Kfz-Werkstätte arbeiten, am Fließband Flaschen begutachten und als Kassiererin im Supermarkt in einem patriotischen Akt das amerikanische Bruttosozialprodukt steigern helfen. Dazu wird der Slogan "Guess who`s going to pay off President Bushs 1 trillion Dollar deficit?" (Raten Sie mal, wer das Billionen-Defizit von Bush abbezahlen muss?) eingeblendet. Der Spot soll also keinen Medien-Skandal provozieren und sich auch nicht an jene Amerikaner richten, die ohnehin schon meinen, dass der Truthan-Ober-Anschneider (vgl.Wag The Turkey) der Nation abgewählt gehört, sondern soll den unbedarften US-Bürger über die sozialen Tendenzen der gegenwärtigen Innenpolitik von George Bush aufklären.
Unterstützt wird der ungewöhnliche Werbefeldzug von dem milliardenschweren reuigen Ex-Spekulanten George Soros (vgl. Kampf der Giganten), der versprochen hat, jeden zweiten für die Kampagne gespendeten Dollar bis zu einem Betrag von fünf Millionen mit einem Dollar aus seiner eigenen Schatulle zu vergelten. Gezeigt werden soll das Werk im Fernsehen bei CNN insgesamt 30 Mal während der Rede des Präsidenten zur Lage der Nation. Außerdem wird über eine Ausstrahlung während des zuschauerqotenträchtigen Superbowl spekuliert. Das wäre dann der erste politische Werbespot, der während des amerikanischen Sportereignisses landesweit gesendet worden ist. Im Anschluss an die Preisverleihung in New York sind übrigens dann zur Entzückung des Publikums noch Public Enemy und Moby aufgetreten. So nah beieinander können eben manchmal Himmel und Hölle sein.
Es bleibt indes abzuwarten, ob der Kampagne mehr Erfolg beschieden ist als seinerzeit der prominenten Unterstützung des demokratischen Präsidentschaftskandidaten George McGovern. Für dessen Feldzug warb zwar sogar Andy Warhol mit einem Anti-Nixon-Bild. Doch ohne Erfolg: McGovern fuhr 1972 mit 38 Prozent die bislang schlimmste Niederlage für die Demokraten ein.