"Wenn du nicht vernünftig wirst, vererbe ich dir das Haus!"
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Christian Rathner zur Wirtschaftskrise in Griechenland. Teil 1
Während in Griechenland die Arbeitslosenquote und der Anteil der arbeitslosen Jugendlichen auf die Rekordmarke von 28 Prozent beziehungsweise 61,4 Prozent klettert und Schulkinder im Unterricht schon mal vor Hunger in Ohnmacht fallen, werden hierzulande für die Erklärung der Krise in Griechenland nach wie vor nicht ökonomische und politische, sondern moralische Kriterien herangezogen.
Über die Schicksale, die hinter den Nachrichten stecken, erfährt man aber wenig. Diesen widmet sich der ORF-Journalist Christian Rathner in seinem Buch Durch die Krise kommt keiner allein - Was Griechenland Europa lehrt, in dem er nicht nur beschreibt, wie sich die Wirtschaftskatastrophe in den Alltag der Menschen frisst, sondern auch zeigt, wie sich die Menschen ihrer Not zu erwehren versuchen.
Herr Rathner, was machen Bulgarien und Rumänien besser, um ökonomisch besser dazustehen als Griechenland?
Christian Rathner: Ist das so? Ich weiß über Bulgarien und Rumänien zu wenig, um das beurteilen zu können. Aber Griechenland derzeit ökonomisch in den Schatten zu stellen, ist keine besondere Großtat. Nach Zahlen, die das Athener "Institut für Arbeit" vor kurzem vorgelegt hat, ist die griechische Wirtschaft seit 2010 um 25 Prozent eingebrochen. Solche Dimensionen gibt es sonst nur nach einem Krieg, für Friedenszeiten ist eine so gewaltige Rezession eigentlich undenkbar. Folgerichtig sagte mir ein griechischer Journalist: "Es ist, als hätten wir einen Krieg verloren."
"Die griechische Tragödie wäre ein Anlass, die Konstruktion der Eurozone zu überprüfen"
Der griechische Nationalkünstler Mikis Theodorakis schreibt, dass Griechenland nur zwei Probleme hätte: den übermäßigen Ankauf von Rüstungsgütern und die Korruption. Der Ökonom Yanis Varoufakis behauptet, nicht Griechenland, sondern Lehman Brothers, die Wall Street und die Deutsche Bank hätten die Krise von 2009 in Griechenland ausgelöst ...
Christian Rathner: Ich weiß nicht, was ein Nationalkünstler ist und ob der Komponist Theodorakis einer ist. Auf jeden Fall ist er ein Mensch, der im Lauf seines Lebens mehrfach für sein Land und seine Überzeugung gekämpft und auch - in schwer vorstellbarem Ausmaß - gelitten hat, vor allem im Bürgerkrieg unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg und in der Zeit der Militärdiktatur, die das Land von 1967 bis 1974 ihren rückwärts gewandten Vorstellungen von Ordnung und Disziplin unterwarf.
Theodorakis wie auch der Athener Ökonom Varoufakis sind keineswegs naiv, was die griechische Politik der vergangenen Jahrzehnte betrifft. Im Gegenteil, sie zählen zu ihren schärfsten Kritikern. Aber worauf sie aufmerksam machen, ist, dass diese Krise - besser gesagt: diese Katastrophe in ihrer ganzen dramatischen Zuspitzung - weder in Griechenland ihren Anfang genommen hat noch aus den Fehlern griechischer Politik zureichend erklärt werden kann.
Mir leuchtet es ein, wenn Yanis Varoufakis die problematische Konstruktion der Eurozone dafür verantwortlich macht, dass ein strukturschwaches Land wie Griechenland nach dem Kollaps der Weltwirtschaftskrise nicht mehr auf die Beine kommt. Wenn produktive Länder oder Zonen dieselbe Währung wie sogenannte Defizit-Gebiete haben, ist die Entstehung eines dramatischen Ungleichgewichts nur eine Frage der Zeit, denn Geld - meist in Form von Schulden - und Güter wandern vom Überfluss zum Defizit. Man müsste also von vornherein eine Struktur schaffen, die der Blasenbildung entgegen wirkt.
Insofern wäre die griechische Tragödie vor allem ein Anlass, die Konstruktion der Eurozone zu überprüfen und neu zu denken. Stattdessen stößt man große Teile der griechischen Bevölkerung mit einer harten und aus meiner Sicht ideenlosen Austeritätspolitik in Armut und Verzweiflung.
Die hiesige Presse mitsamt der meisten Politiker hingegen sehen die entscheidende Ursache in der südländischen Hängematten-Mentalität der Griechen ...
Christian Rathner: Die Krise mit einer "Hängematten-Mentalität" der südländischen Griechen erklären zu wollen, greift völlig daneben. Dass die Griechen gerne feiern und tanzen, ist kein Hinweis auf Faulheit oder Arbeitsunlust. Die Statistik weist sie sogar als besonders arbeitsfreudig aus. In solchen Fernurteilen spiegeln sich uralte Stereotypen und Vorurteile, die den Realitätscheck nicht überleben. Schon bei Karl May war der Grieche immer die Figur mit dem miesesten Charakter. Verunglimpfungen dieser Art müssen im gemeinsamen Europa unbedingt der Vergangenheit angehören.
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