"Wenn irgendjemand diese Firmen besteuert, dann sollte es ihr Heimatland sein"

Grafik: TP

Die OECD soll eine internationale Lösung im Streit um Digitalsteuern für Marktbeherrscher finden

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Seit dieser Woche lässt der US-Handelsbeauftragte Robert Lighthizer sein Büro offiziell die Verhängung von Strafzöllen gegen Österreich, Tschechien und Italien prüfen. Anlass dafür sind die so genannten "Digitalsteuern", mit denen die Regierungen dieser Länder Einnahmen großer amerikanischer Internetunternehmen wie Google und Facebook abschöpfen möchten. In Tschechien müssen sie sieben Prozent ihres Werbeumsatzes abführen, in Österreich fünf und in Italien drei.

Macron legte Digitalsteuer auf Eis

In absoluten Zahlen gemessen sind die Einnahmen, die man sich davon erwartet, allerdings nicht sehr hoch: In Tschechien rechnet der Finanzminister mit 196 Millionen Euro im ersten Jahr, sein österreichischer Kollege kalkuliert mit lediglich 20 bis 25 Millionen Euro. Bei so niedrigen Beträgen könnte es sehr leicht sein, dass der finanzielle Schaden amerikanischer Strafzölle die Einnahmen aus der Digitalsteuer übersteigt.

Das könnte einer der Gründe dafür sein, warum die französische Staatsführung ihre im letzten Jahr verabschiedete dreiprozentige "Taxe GAFA" von Google, Amazon, Facebook, Apple und etwa 25 anderen Unternehmen (vgl. Frankreich verabschiedet nationale Digitalsteuer) vorerst nicht erhebt. Offiziell begründete der französische Staatspräsident Emmanuel Macron das Moratorium mit einer seinen Worten nach "exzellenten Diskussion" mit dem US-Präsidenten Donald Trump, nachdem Lighthizer ein 2,4 Milliarden Dollar schweres Paket aus strafzollträchtigen französischen Exportschlagern wie Champagner, Käse, Kosmetik und Mode präsentiert hatte (vgl. USA planen Milliardenzölle gegen Frankreichs Digitalsteuer).

OECD statt EU

Vorher wollte die französische Staatsführung die Steuer auf "digitale Aktivitäten" über die EU durchsetzen, in der der zweieinhalb Jahrzehnte lang durchgehaltene Versuch, aus Rücksicht auf die Vertreter von Urheber- und anderen Immaterialgeüterrechten, an einem Status Quo Ante Internet festzuhalten, das Entstehen eigener großer Internetkonzerne nicht unbedingt beförderte (vgl. EU plant GEMA-Abgaben auf Cloud Computing und EU-Parlament stimmt für faktische Uploadfilterpflicht).

Die EU-Kommission, die eine Digitalsteuer zuerst befürwortete, setzt jetzt ihrem (inzwischen aus dem europäischen Facebook-Stützpunkt Irland kommenden) neuen Handelskommissar Phil Hogan nach auf eine "internationale Lösung im Rahmen der OECD" - der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Sie hat nicht nur 27, sondern 37 Mitglieder, unter denen sich auch die Vereinigten Staaten befinden.

Washingten und Brüssel sehen sich gegenseitig übervorteilt

Den Standpunkt, auf dem letztere in der Digitalsteuerfrage stehen, fasste ihr Präsident im letzten Jahr in folgendem Satz zusammen: "Wenn irgendjemand diese Firmen besteuert, dann sollte es ihr Heimatland sein." Washington ist nämlich - anders als Brüssel - nicht der Meinung, dass die Konzerne die Europäer zugunsten der Amerikaner benachteiligen, sondern dass es eher umgekehrt läuft. Facebook etwa wirft die amerikanische Bundessteuerbehörde IRS vor, dass das Unternehmen mit Konstruktionen wie dem Dutch Sandwich und dem Double Irish (vgl. Wie "geistiges Eigentum" und Steueroasen zusammenhängen) Gewinne in Europa mit 12,5 anstatt in den USA mit 21 Prozent versteuert (vgl. US-Steuerbehörde verklagt Facebook: Neun-Milliarden-Dollar-Strafe droht).

Die deutsche Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag von 2018 vereinbart, "Maßnahmen für eine angemessene Besteuerung der digitalen Wirtschaft [zu] ergreifen", ist aber bislang noch nicht den Weg Frankreichs, Österreichs und Tschechiens gegangen. In den drei Parteien, aus denen sie sich zusammensetzt, gibt es auch Stimmen, die sich explizit gegen so einen Vorstoß einsetzen. Carsten Linnemann, der Vorsitzende der Mittelstandsunion, sagte dem Westfalenblatt dazu diese Woche, wer "das Betriebsstätten-Prinzip aufheben und dort die Steuern eintreiben will, wo die Umsätze anfallen", der "brauch[e] sich nicht wundern, wenn die anderen Länder dann ebenfalls reagieren" und wenn "unser erfolgreicher, exportorientierter Mittelstand dann mit voller Wucht betroffen wäre".

"Unterm Strich", so Linnemanns Schätzung, "würden wir [mit so einem System] in Deutschland weniger Steuern einnehmen". Seiner Ansicht nach ist es "für einen fairen Wettbewerb gar nicht entscheidend […], wo Steuern gezahlt, sondern dass überhaupt Steuern entrichtet werden". Deshalb brauche man statt einer Digitalsteuer "eine weltweite Mindestbesteuerung". Andere Stimmen geben zu bedenken, dass der größte Teil einer Digitalsteuerlast indirekt heimische Unternehmen treffen wird, wenn sie die großen Konzerne Eins zu Eins an ihre Werbekunden weitergeben. Und wieder andere fürchten, dass die derzeit ruhenden fünfundzwanzigprozentigen amerikanischen Strafzölle auf deutsche Automobile sehr schnell wieder auf dem Tisch liegen würden, wenn Berlin oder Brüssel Pläne für eine Digitalsteuer konkretisieren.

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