Wer hat Vorteile vom Thüringer Politzirkus?
Seite 2: Wenn der Kampf gegen rechts politische Inhalte ersetzt
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Nun kann man Emotionalisierung eines bürgerlich-demokratischen Wahlvorgangs und die schiefen historischen Vergleiche nicht entschuldigen, wenn es um den Kampf gegen rechts geht. Doch genau hier besteht ein weiteres Problem.
Nach Kemmerichs Wahl schien es in Deutschland nur noch Antifaschisten zu geben, die so ganz besorgt über das waren, was in Erfurt geschehen ist. Gab es denn keinen Politiker oder Experten, der ganz unaufgeregt wie Axel Kissler im konservativen Magazin Cicero erklärte: "Das ist kein Dammbruch, das ist Demokratie?"
Zumindest kamen sie in den Medien in den Stunden nach der Thüringen-Wahl nicht vor. Oder traute sich niemand, sich so zu äußern, aus Angst, dann als Parteigänger der AfD geschmäht zu werden? Das wäre in der Tat trauriges Ergebnis eines Klimas, in der es nur noch Dauerempörte gibt.
Wenn von Merkel bis zur Linken fast alle gleich klingen, ist nicht der Antifaschismus in Deutschland ausgebrochen. Vielmehr orientieren sich alle auf eine ominöse bürgerliche Mitte, die schließlich auch Kemmerich für sich in Anspruch genommen hat. Dass in der Distanz zur AfD selbst bei manchen Konservativen die Linke nicht mehr miterwähnt wurde, mögen deren Realpolitiker als großen politischen Erfolg verbuchen. Sie sind stolz, dass man mit ihnen Staat machen kann.
Doch für Menschen, denen es wirklich noch um gesellschaftliche Alternativen zu dieser Politik der Mitte geht, ist das eher ein Zeichen, dass die Linke in Thüringen nun die Sozialdemokraten ersetzt, die Angst haben müssen, unter die 5 % Hürde zu kommen.
Ramelow ist jetzt der neue Sozialdemokrat und so mittig, dass ihn beim besten Willen niemand mehr unter Extremismusverdacht stellen kann. Nur eine Landtagsabgeordnete der Linken, Johanna Scheringer-Wright, warnt immerhin: "Noch zwei solche Siege und wir sind tot".
Sie erkennt, dass eine Partei, die derart mit dem Status quo verbunden wird, sicher für die reibungslosen Kapitalgeschäfte gebraucht wird, aber für Menschen, die eine andere Gesellschaft wollen, nicht mehr interessant ist. Ramelow würde am liebsten die Wahl von Kemmerich vergessen machen, sich selbst noch einmal zur Wahl stellen und dann als Kandidat der Mitte so weitermachen, als wäre nichts gewesen.
Der Kampf gegen rechts soll dann nur verdecken, dass da kein Quäntchen mehr einer kritischen Haltung zu Staat und Nation vorhanden ist. Das aber wäre die Aufgabe einer Linken. So kann der scheinbare Erfolg im antifaschistischen Klein-Klein auch ein weiterer Pyrrhussieg sein.
Die Linke wird noch weniger unterscheidbar gegenüber den anderen Mitteparteien, eine linke Opposition ist nur in sehr begrenztem Maße außerhalb des Parlaments zu finden. Derweil kann sich die AfD noch besser als autoritäre Alternative im System verkaufen.
Dauerempörung auch beim Semperoper-Preis
Die Praxis der Dauerskandalisierung trägt auch außerhalb der Landespolitik seine Früchte. Das lässt sich beim Theater um den Preis der Semperoper in Dresden gut nachvollziehen. Der wurde dem ägyptischen Diktator al-Sisi schon ausgehändigt. Nun wurde er wieder zurückgezogen, weil ein Paar B-Promis wie Peter Maffay mit Auftrittsboykott gedroht haben.
Der ägyptische Herrscher wird darob sicher nicht traurig sein. Schließlich laufen die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Ägypten bestens. Insgeheim halten viele al-Sisi zugute, dass er mit den Moslembrüdern im Land kurzen Prozess gemacht hat. Doch davon wollen deutsche Opernbesucher nicht behelligt werden und daher wird es jetzt nichts mit dem Preis.
Übrigens sind einige derjenigen, die dort auftreten wollten, nach Presseberichten bedroht worden, bevor die Preisverleihung rückgängig gemacht wurde. Solche Drohszenarien sind nun eigentlich das Gegenteil von dem, was die Gesellschaft der Toleranten propagiert. Doch wer wird es schon so genau nehmen, wenn es um die gute Sache geht?