Wer hat, dem wird gegeben?

Seite 2: Ganz andere verteilungspolitische Auswirkungen, als viele Zeitgenossen vielleicht auf den ersten Blick vermuten

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Auf die Vermögensverteilung dürfte die skizzierte Entwicklung noch wesentlich schwerwiegende Auswirkungen gehabt haben als auf die funktionale Einkommensverteilung. Auch dies bildet die offizielle Statistik nicht ab. Grob gesagt ergibt sich der Bodenwert aus den (steigenden Bodenerträgen) dividiert durch die (sinkenden) Zinssätze. Daher auch die Kritik von Stiglitz, Rognlie und anderen an Piketty, dass dieser mit dem Boden den wichtigsten Treiber der Umverteilung außer Acht gelassen habe.

So dürfte die Idee, die Bodenrenten abzuschöpfen - und gleichzeitig die Steuerlast von Kapital und v.a. von Arbeit zu reduzieren, ganz andere verteilungspolitische Auswirkungen haben, als viele Zeitgenossen vielleicht auf den ersten Blick vermuten. Die Bodenrente ist der Überschuss, der sich ergibt, nachdem aus dem Volkseinkommen die mobilen Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital bezahlt wurden. Sie stellt also eine Restgröße dar. Der Kaffee auf dem Frankfurter Flughafen ist nicht so teuer, weil die Mieten so hoch sind. Vielmehr sind die Mieten so hoch, weil in dieser Lage viel Kaffee entsprechend teuer verkauft werden kann.

Die Bodenrente ist in jedem Produktpreis enthalten - anders als die Entgelte für Arbeit und Kapital stellt sie aber volkswirtschaftlich gesehen keinen Kostenfaktor dar. Durch eine Bodenwertsteuer wird lediglich ein Teil dieser Restgröße in öffentliche Taschen umgeleitet. Weil es sich nur um die Umverteilung einer Restgröße, nicht aber um die Erhöhung von Kosten handelt, ist die Befürchtung unbegründet, die Bodenwertsteuer würde auf Mieten und Pachten sowie Produktpreise überwälzt. Ganz im Gegenteil wird Raum geschaffen, um die mobilen Produktionsfaktoren Kapital und v.a. Arbeit steuerlich zu entlasten.

Oder, einzelwirtschaftlich betrachtet: Kapital kann einer Besteuerung leicht ausweichen, Arbeit schwerer, Boden (bei entsprechend stringenter Planung) gar nicht. Wird beispielsweise eine Investition, sei es in eine Maschine oder in ein Gebäude, mit Steuern belastet, schmälert dies die Rendite. Die Reaktion: Es wird weniger investiert oder reinvestiert. Die Kapitalneubildung wird so lange unterlassen, bis das Kapital so knapp ist, dass die ursprünglichen Renditeerwartungen wieder hergestellt sind. Daher können Steuern auf Arbeit und v.a. Kapital überwälzt werden. Wird hingegen der Boden entsprechend seinem Ertragspotential ("highest and best potential use"), also unabhängig von der tatsächlichen Nutzung belastet, kann sein Besitzer nicht ausweichen. Er hat daher die Steuer zu tragen. Dies ist im Übrigen unabhängig davon der Fall, was in den Mietverträgen und den Gesetzen hinsichtlich der Überwälzbarkeit steht. Papier ist geduldig.

Unternehmensgewinne und Bodenrenten

Doch es geht bei dem Thema nicht nur um Hausbesitzer. Wenig bekannt und bewusst ist, dass auch der Kern von Unternehmensgewinnen insbesondere von Großkonzernen regelmäßig in Bodenrenten oder ähnlichen ökonomischen Renten besteht. Beispiel McDonald’s: Was ist das Kerngeschäft? Die meisten werden sagen, ein Burgerbruzzler. Falsch. McDonalds ist vor allem eine der weltgrößten Immobiliengesellschaften.

Oder nehmen wir die abgehobenste aller Branchen: Die Luftfahrt. Auf "koordinierten Flughäfen" ist die zeitliche Lage der Start- und Landerechte für den Geschäftserfolg entscheidend. Gute Zeitnischen bedeuten gute Geschäfte, wer schlechte Zeitnischen hat, zieht den Kürzeren. Zeitnischen sind aber nichts anderes als Bodennutzungsrechte. Eine zu vernachlässigende Größe? Mitnichten. Bei manchen Fluggesellschaften dürfte der Wert der Zeitnischen denjenigen der gesamten Flugzeugflotte übersteigen. In den Bilanzen der Airlines finden die Zeitnischen aber mangels Anschaffungskosten kaum Niederschlag. Die Zeitnischen werden nämlich entsprechend den international geltenden IATA-Regeln verschenkt - und zwar vorzugsweise an die großen und etablierten Luftfahrtgesellschaften, die diese dann unter bestimmten Umständen auch weiterverkaufen können. Allenfalls wird eine geringe Verwaltungsgebühr erhoben, die aber nichts mit dem Wert der Rechte zu tun hat.2 Der öffentlichen Hand entgehen hier Einnahmen, die sie sich v.a. bei den Arbeitnehmern wieder holt.

U.a. aus diesen Gründen wollte Joseph E. Stiglitz die von Henry George entwickelte und von anderen ausformulierte Idee der Besteuerung von Boden auf Vermögenswerte mit ähnlichen Eigenschaften übertragen (verallgemeinertes Henry George-Prinzip): So z.B. auf CO2-Verschmutzungsrechte, Fischereilizenzen, Funkfrequenzen et cetera.

Beschäftigt man sich intensiver mit dieser bis auf die Physiokraten zurückgehenden Denkrichtung, wird schnell klar, dass sie alles andere als überholt ist - das genaue Gegenteil ist der Fall. Der im Vorgängerbeitrag geschilderte Vorstoß der Initiative "Grundsteuer: Zeitgemäß! ist diesbezüglich ein wichtiger erster, aber immer noch ein sehr kleiner Schritt in diese Richtung.

Dirk Löhr ist Professor für Steuerlehre und Ökologische Ökonomik in Trier

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