Wer steckt hinter der "European Security Advocacy Group"?
Seit einiger Zeit gibt es eine mysteriöse Anzeigenkampagne mit dem Slogan: "Keine Macht dem Terrorismus!", der Geldgeber bleibt im Dunklen - steckt die US-Regierung mit einer Image-Kampagne dahinter?
Seit einiger Zeit stoßen die Leser der Süddeutschen Zeitung in den Wochendausgaben auf den ersten Seiten auf Anzeigen in der Größe immerhin einer Viertelseite (Junior Page, nach SZ-Preisliste: 13.252 Euro), die von einer "European Security Advocacy Group" stammen und irgendwie gegen den Terrorismus gerichtet sind. Geheimnisvoll aber bleibt, wer hinter dieser ominösen Gruppe steckt und was mit diesen Anzeigen eigentlich bezweckt werden soll. Am wahrscheinlichsten ist, den Krieg gegen den Terrorismus zu rechtfertigen - und damit der US-Regierung wieder ein besseres Image zu verpassen.
Es verwundert eigentlich, warum dieser schon seit einigen Wochen laufenden Kampagne bislang noch keine kritische Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Das könnte natürlich bedeuten, dass Anzeigen ihre Wirkung verfehlen, vor allem auf Journalisten, die den politischen Teil von Zeitungen lesen. Tatsächlich wurden auch wir erst durch einen Telepolis-Leser darauf hingewiesen. Leider haben wir nicht viel herausgefunden und können nur Vermutungen anstellen. Daher bitten wir Leser, falls sie weitere Informationen haben, sie uns doch zukommen zu lassen: Florian Rötzer. Interessant wäre, wo diese Anzeigen noch geschaltet werden, ob die "European Security Advocacy Group" doch bekannt ist, ob es Informationen über Norman Vale und seiner möglichen Verbindung zur US-Regierung gibt oder seiner Affinität zum Kampf gegen den Terrorismus.
Die Slogans bestimmter Kampagnen sind bekannt: Der Vorreiter Keine Macht den Drogen, möglicherweise angeregt durch Ton Stein Scherben-Song "Keine Macht für Niemand" hat einige Nachfolger gezeugt, beispielsweise "Keine Macht dem Zufall" (Sparkasse) oder "Keine Macht dem Stress" (ein Buchtitel), aber auch manche nicht so ernsthaften Abkömmlinge wie "Keine Macht den Doofen". Bundespräsident Rau hatte am 14. September 2001 womöglich das Fundament für die Anzeigenserie in seiner Rede gelegt: "Keine Macht dem Terror - Solidarität mit den Vereinigten Staaten von Amerika". Die "European Security Advocacy Group" schließt sich dem an und fordert: "Keine Macht dem Terrorismus!"
Offenbar soll mit leicht eingängigen Begründungen "dem Terrorismus" der Boden entzogen werden. So wird beispielsweise in der Anzeige, die in der Wochenendausgabe vom 4./5. 10. geschaltet wurde, gefragt: "Was sind für Eltern, die ihre Kinder in eine Märtyrerschule schicken?" Man will die Eltern mitnehmen, in denen man ihnen unterstellt, dass sie ja nur das Beste für ihre Kinder wollen, weil sie diese in ihrer Notlage - es kann sich offensichtlich nicht um Eltern in Deutschland handeln - auf Schulen schicken, "die von Terroristen finanziert werden". Beispiele für solche Schulen werden keine angegeben, nur dass der Schulbesuch kostenlos sein und sie von "'karitativen' Organisationen, nicht selten aus Drogengeldern" finanziert würden.
Im Kern dieser Schulen liege allerdings ein "besonderer Religionsunterricht": "Die Lehrer predigen Hass und rufen zum bewaffneten Kampf, zum 'Heiligen Krieg' auf. Und sie schwärmen von der großen Ehre und Auszeichnung, sein Leben als Selbstmordattentäter zu opfern." Das biete den "ärmsten Kindern eine Karriere" - auf "perverse, kranke Art". Der Schluss daraus lautet: Es ist alles so irrational. Aber was ist an Terrorismus schon rational?"
Genauso an der Oberfläche bleiben die anderen Anzeigen stehen. Am 20./21.09. etwa ging es um die Entlarvung einer Erklärung für die Ursache des Terrorismus:
Die schlimmsten Terroristen kommen fast immer aus den besten Familien. Nach gängiger Meinung sind Terroristen das Produkt von Armut und Verzweiflung. Aber das ist bestenfalls die halbe Wahrheit.
Dafür gibt es immerhin Beispiele:
Zum Beispiel Osama Bin Laden. Bevor er als Chef der berüchtigten Al Quaida zu trauriger Berühmtheit gelangte, war er lediglich der verzogene Sohn eines milliardenschweren Bauunternehmers in Saudi-Arabien. Andere Protagonisten des Terrors haben einen ähnlichen Werdegang. Der Vater des Jihad in Ägypten wuchs in einer Familie von Ärzten und Lehrern auf. In Europa waren die führenden Köpfe der Bader-Meinhof-Bande Kinder der bürgerlichen Mittelschicht.
Die wirklich Armen werden von den reichen Terroristenführern verführt, sind "Opfer eines gnadenlosen Rekrutierungssystems von Verführung, Demagogie und geistiger Manipulation". Der Verdacht keimt langsam, dass die Anzeigen suggerieren wollen, es gebe einige Menschen, die aus unerfindlichen Gründen Hass predigen und Anhänger für ihren Glauben durch eine perfide Propaganda und andere Manipulationen finden. Daher muss man gar nicht wirklich nach den Ursachen fragen, die Terrorismus - deutlich wird auch nirgendwo gemacht, was denn genau daruntre verstanden werden soll, schließlich sehen sich manche "Terroristen" als "Freiheitskämpfer" gegen eine Besatzungsmacht - hervorbringen oder stützen, sondern muss ebenfalls mit Propaganda dagegen vorgehen.
Ähnlichkeiten mit der Argumentation des Weißen Hauses
Das erinnert fatal an die mit militärische Macht verknüpfte "strategische Kommunikation" auf die die Bush-Regierung seit Jahren setzt. Die "Bösen" mit ihrem grundlosen, mit der falschen und falsch ausgelegten Religion verbundenen "Hass" auf Amerika und die Zivilisation müssen ausgemerzt werden, die Sympathisanten oder auch Kritiker des "Kriegs gegen den Terrorismus" a la Bush haben - wenn sie nicht verblendet sind - nur falsche Bilder im Kopf, die man durch "Spin" oder eben Propaganda zurecht biegen kann, weil etwa die Politik der US-Regierung, der russischen Regierung oder der israelischen Regierung zur Gegnerschaft keinen Anlass bietet (Beraterstab von Bush fordert mehr Geld für Propaganda). Auch im Fall des Irak hatte man versucht, das Hussein-Regime nicht nur als bedrohlich wegen der angeblich existierenden Massenvernichtungswaffen hinzustellen, sondern auch als "apparatus of lies", als Meister der Listen und des Schwindels, hat aber offenbar zu denselben Mitteln gegriffen, um den Angriff zu rechtfertigen.
Steckt also möglicherweise die US-Regierung, also das Außenministerium (das allerdings mit Besetzung und vorzeigbarem Erfolg seine Probleme hat), das Pentagon oder das 2002 gegründete Office of Global Communications (OGC) des Weißen Hauses (Das DARPA-Überwachungsprojekt soll an die Leine gelegt werden) dahinter? Nicht nur die Art der Argumentation und der hinter den Anzeigen steckende Ansatz der Terrorismusbekämpfung könnten für eine solche Vermutung sprechen. Auffällig ist auch, dass die Antiterrorismus-Kampagne keinen expliziten Hinweis auf die USA gibt (aber durchaus implizit das Vorgehen rechtfertigt). Besonders seltsam ist vor allem, dass die "European Security Advocacy Group", die doch eigentlich interessiert sein müsste, Öffentlichkeit zu finden, sich nicht zu erkennen gibt und eine Art Geheimgesellschaft zu sein scheint, die im Verborgenen bleiben will. Sollen also die Motive hinter der Kampagne nicht durch den Urheber in einem anderen Licht erscheinen.
(Fast) ergebnislose Suche nach den Hintermännern
Neugierig geworden hatte ich mich an die Anzeigenabteilung der SZ gewandt. Dort wurde mir mitgeteilt, dass man die Anzeigenkunden schütze, aber auch nicht wisse, wer diese Gruppe sei. Ich durfte ein Fax schicken, das an die für die Anzeigenkampagne verantwortliche Werbeagentur weiter geleitet wurde. Freundlicherweise rief man mich von dort nach einigen Tagen sogar an, aber die Dame sagte ebenfalls, sie wisse nicht, wer der Kunde sei. Es müsse sich um eine europaweite Kampagne handeln, die Anzeigen sollen auch in weiteren großen Tageszeitung geschaltet werden - Bitte an die Leser, uns doch mitzuteilen, in welchen Zeitungen im In- und Ausland ähnliche Anzeigen gesehen wurden -, der Auftrag sei aus Frankreich gekommen. Auf die Frage, ob es gar nicht interessant sei, den Auftraggeber gerade bei solchen doch politischen Kampagnen zu kennen, bekam ich nur zur Antwort, dass damit das Gespräch beendet sei.
Weitere Internetrecherche half nichts. Bei einem Blog aus Norwegen bin ich jedoch über den Hinweis gestolpert, dass die Antiterror-Kampagne auch in Norwegen stattfindet und Anzeigen in der Tageszeitung Aftenposten geschaltet wurden. Aftenposten habe erklärt, hinter der Anzeigenkampagne stehe eine Stiftung von Norman Vale, dem Direktor und Gründer von Vale International. Dieser habe in Frankreich - siehe oben - Dassas Publicité mit der Durchführung der Kampagne beauftragt, die in Norwegen von TIBE Inferno ausgeführt wurde.
Vale stammt aus der Werbebranche, war bis 1991 Managing Director der weltweit agierenden Werbeagentur Grey International mit Sitz in New York. Überdies war er 11 Jahre lang der Generaldirektor der International Advertising Association. Zeit seines Lebens habe er, so heißt es in seiner Bio, als Konsultant auch für Regierungen und Politiker gearbeitet, habe in Deutschland, Puerto Rico und Spanien gelebt und kenne die die "gesellschaftliche und wirtschaftliche Kultur" in mehr als 100 Ländern. Auch Vale International unterstreicht, man habe "global experience, knowledge and contacts", sei in 75 Ländern beheimatet und könne so ziemlich alles machen, auch im Auftrag von Regierungen.
Propaganda statt Tat
Am letzten Wochenende (Scan der Anzeige ) ging es um die "Heldenhaftigkeit" der Terroristen, die "ausgerechnet Frauen und Kindern Waffen und Bomben an die Hand geben". Hier wird nun besonders aus der hohlen Hand propagiert. Eine Studie habe gezeigt, dass "Kinderterroristen in den letzten zehn Jahren in tausende von Angriffen verwickelt" gewesen seien. Gemeint sind wohl damit Kindersoldaten, die in Bürgerkriegen zum Kämpfen gezwungen wurden. Diese Gruppen mag man zwar Terroristen nennen, aber al-Qaida selbst ist bislang nicht dafür bekannt. Das aber will man in der Anzeige unterstellen, ohne deswegen einer direkten Falschaussage überführt zu werden, also heißt es: "Undenkbar? Leider wahr. Aber bei Al Qaida und Konsorten muss man mit allem rechnen."
Natürlich wird nicht erwähnt, dass al-Qaida und andere Terrorgruppen auch einmal als "Befreiungskämpfer" von den USA unterstützt und mitunter dadurch groß wurden. Ganz ähnlich ist dies auch bei anderen Argumenten: "Vereinbarungen wie die Genfer Konventionen scheint es für diese 'Kriegsherren' nicht zu geben. Bestenfalls spotten sie darüber." Dass auch bei den Kämpfern gegen die Terroristen, vor allem bei den USA, die Genfer Konventionen wenig zählen, lässt man weg (und gibt damit wieder den Terroristen argumentatives Futter für Einseitigkeit). Die weitere Behauptung, dass die "Hauptquartiere" der Terroristen in Wohngebieten liegen würden und sie die Menschen zu lebenden Schutzschilden machen, klingt eher nach Äußerungen, wie sie zahlreich vor und während des Irak-Kriegs vom Pentagon gemacht wurden. Auch hier heißt es wieder, dass die "verbrecherischen Machenschaften" mit einer "übergeordneten Sache" begründet und die Menschen, wieder die "verführten und missbrauchten Frauen und Kinder", um ihre Zukunft betrogen werden.
Man würde dennoch meinen, obgleich ja die verzogenen Terrorchefs aus reichen Elternhäusern stammen, dass die Bekämpfung des Terrorismus dann auch etwas damit zu tun haben könnte, den armen, verführten, getäuschten und missbrauchten Menschen eine andere Zukunft vor Augen zu stellen oder tatkräftig dazu einzutreten, dass sie eine andere haben können. Das aber scheint den Geldgebern, die im Hintergrund bleiben wollen, doch völlig egal zu sein. Sie meinen offenbar hingegen, sie könnten mit einigen rhetorischen Kniffs die Menschen davon überzeugen, dass der Terrorismus auf dem Boden eines grundlosen Hasses wächst und ansonsten nur die Köpfe irgendwie durch Tricks umprogrammiert. Allerdings scheint man hier eine Falle zu treten, wenn man einerseits wie al-Qaida aus dem Hinterhalt agiert wie Terrorgruppen - anstatt Propaganda der Tat halt Propaganda durch Werbung - und sich nicht für die "Taten" verantwortlich zeigen will, und andererseits das angebliche Vorgehen der Terroristen durch Lug und Trug wie einem Spiegelbild dem eigenen Vorgehen gleicht.