Anonymität ist eine Frage der Sicherheit

Update: Eine Email von der "European Security Advocacy Group" und ein Interview mit dem Gründer

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Europaweit von Portugal bis Norwegen, von Russland bis zur Türkei werden die Anzeigen der Antiterrorismus-Kampagne der ominösen "European Security Advocacy Group" in großen Zeitungen geschaltet. Die spanische Zeitung ABC hat letztes Wochenende Norman Vale über die Kampagne interviewt. Unklar aber bleibt weiterhin, woher das Geld wirklich kommt.

Update am 18.10.: Nachdem im Gegensatz zu den deutschen Anzeigen bei den Anzeigen etwa in der NZZ immerhin eine Emailadresse der "European Security Advocacy Group" angegeben war, auch wenn es sich um einen Hotmail-Account handelt, hatte ich eine Mail mit der Frage geschickt, was die Ziele der Stiftung seien, warum die Anzeigen nur in Europa geschaltet wurden und wer die Geldgeber sind. Hier die Antwort, die allerdings nicht viel weiter hilft, wohl aber bestätigt, dass der Gründer der Stiftung tatsächlich Norman Vale ist:

Dear Mr Rötzer,

We thank you for noting the European Security Advocacy Group ad in your newspaper and contacting us for some information.

Just after 9/11, a group of concerned people and companies began the process of creating a Foundation and raising funds to develop and implement a public awareness campaign that was launched the week of 15 September. That effort is currently running in 10 European countries.

For the present time, the sponsors have asked for anonymity and we will honor that request for a number of reasons. ICOM and Vale International are the advertising agency and spokesperson, respectively.

Once again we thank you for your interest in the European Security Advocacy Group.

Best regards

ICOM p/o EASG

Wir hatten bereits darauf hingewiesen, dass wohl Norman Vale, Direktor der Beratungs- und Werbeagentur Vale International und lange Zeit Generaldirektor der International Advertising Association, hinter der Kampagne steckt (Wer steckt hinter der "European Security Advocacy Group"?). Das bestätigt der Artikel in der konservativen Zeitschrift ABC. Danach habe Vale nach dem 11.9. den Plan gefasst, mit einem Projekt an das schreckliche Ereignis zu erinnern und daher die Stiftung "European Security Advocacy Group" gegründet. Warum diese allerdings weder in den USA selbst noch in arabischen Ländern ihre Kampagne durchführt, sagt der Befragte weder, noch wurde er danach gefragt. Wer auch immer noch hinter Vale diese Kampagne finanziert und orchestriert, so scheint das Ziel zu sein, weniger den Terroristen das Wasser abzugraben, als die skeptischen Europäer den amerikanischen "Krieg gegen den Terrorismus" schmackhafter zu machen.

Vale verlangte von seinem Gesprächspartner in New York, seinen Namen nicht zu nennen. Er sei nämlich sehr besorgt und wolle weiterhin ein freier Mensch bleiben, "der durch Manhattan gehen kann, ohne mehr an seine Sicherheit zu denken als jeder andere Nordamerikaner". In dem Artikel wird er daher nur als "N." geführt, aber alle Hinweise - New Yorker, führender Werbefachmann in den USA - weisen darauf hin, dass es Norman Vale sein muss.

Vale habe, so versichert er, zwei Jahre gebraucht, um die Stiftung zu gründen und am 14.9.2003 die ersten Anzeigen europaweit zu schalten. Er habe überlegt, wie er alle Angehörigen der Werbebranche, in der er seit 35 Jahren gearbeitet habe, einsetzen könne, "um die allgemeine Öffentlichkeit darauf aufmerksam zu machen, dass der Weg, Konflikte zu lösen, nicht in der Verwendung von Gewalt und Terror liegt". Er habe mehr und mehr Menschen für die Idee gewonnen, sich dem Thema in Anzeigen mit positiven Aspekten zu nähern. Es sollten nicht die schrecklichen Folgen der Anschläge gezeigt werden, sondern er wollte die Auswirkungen des Terrors unter verschiedenen Gesichtspunkten "auf Kinder, Frauen, die Ausbildung, die Wirtschaft, das Wohlergehen der freien Gesellschaften" deutlich machen.

Spenden von Einzelpersonen und Unternehmen

Man müsse stets auf die Bedrohung des Terrors hinweisen, so Vale ganz in der Diktion der Bush-Regierung, "weil es sich um permanente Gefahr für alle Gesellschaften handelt. Sie kennt keine Grenzen und ist, was noch wichtiger ist, eine Bedrohung auch für die künftigen Generationen. Deswegen darf man keine Sekunde verlieren, um das Menschenmögliche zu machen, damit dieser Einfluss verringert wird." Ein Werbemensch denkt dabei natürlich an Werbung. In Moskau habe er sich während einer Konferenz an die internationale Vereinigung unabhängiger Werbeagenturen ICOM gewandt und dafür Patrick Walhain, den Präsidenten der Werbeagentur Dassas und Regionaldirektor der ICOM, gewinnen können.

Auf deren Website findet man auch keinen Hinweis auf die Kampagne, aber offenbar muss Walhain nicht anonym bleiben. Dafür aber die Geldgeber der Kampagne: "Spenden von Einzelpersonen und Unternehmen", sagt Vale, von beiden Seiten ungefähr in gleicher Höhe. Der spanische Journalist fragt, ob dazu auch Konzerne wie Coca-Cola oder McDonald's gehören. Das wäre durchaus denkbar, denn die besonders durch den Irak-Krieg weltweit angewachsene antiamerikanische Stimmung schädigt auch das Geschäft der multinationalen Konzerne, die als amerikanische Firmen auftreten. Aber auf diese Frage will Norman nicht mehr antworten und schiebt wieder die Sicherheit vor: "Man kann sich vorstellen, dass die Diskretion über die Partizipierenden eine Frage der Sicherheit ist." Ob eine Anzeigenkampagne wirklich Gefahren mit sich bringt, ist wohl zu bezweifeln, zumal Vale ja bedenkenlos seinen französischen Vermittler nennt. Und auf die Frage, ob dahinter nicht vielleicht doch die CIA oder die amerikanische Regierung stecken würde, entgegnete Vale:

Vielleicht denken das manche, aber das stimmt nicht.

Aber so ganz will/kann man ihm das nicht abnehmen, wenn er fortfährt:

In keiner Weise beeinflusst diese Annahme die Botschaft, die ich vermitteln will.

Er habe keine politischen Absichten, wolle auch nicht Sympathien bei den Europäern für die US-Amerikaner gewinnen, sondern lediglich, dass die Menschen eine "allgemeine Haltung der Solidarität gegenüber dem Terror" einnehmen.

Nach der spanischen Werbeagentur Veinte Segundos, die für die Werbekampagne in Spanien zuständig ist, wird es erst einmal fünf Annoncen geben, die abwechselnd veröffentlicht werden sollen. Eine sechste sei vorbereitet für den Fall eines großen Anschlags. Für 2004 werde man die Botschaft auch im Radio verkünden. Überdies würde die Wirksamkeit der Kampagne begleitend untersucht.