Wer verhindert die Untersuchung der Absturzstelle von MH17?
Die Rhetorik schlägt Wellen im Ukraine-Konflikt
Gerade hat der britische Regierungschef Cameron erklärt, das Verhalten von Russland gleiche dem Deutschlands - und das gleich vor dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg. Cameron setzte also ganz und wenig deeskalierend auf das Kriegsszenario, um es aber gleich wieder abzubauen. Natürlich werde man keinen Dritten Weltkrieg beginnen, aber Russland müsse in die Schranken gewiesen werden, um zu verhindern, dass es auch die baltischen Staaten oder andere Nachbarländer bedroht.
Eine Formulierung, die man immer wieder hört, ist, dass die Separatisten und Russland eine Untersuchung des Absturzgebiets der MH17 ver- oder behindern. Noch immer können die Experten des internationalen Teams dieses nicht betreten. Während von westlichen und ukrainischen Medien den Separatisten die Schuld in die Schuhe geschoben wird, liegt der Grund dafür aber in dem Versuch der ukrainischen Streitkräfte, das Gebiet unter Kontrolle zu bringen.
Gleich nachdem Präsident Poroschenko einen Waffenstillstand in einem Umkreis von 40 km um den Absturzort verkündet hatte, begannen die ukrainischen Streitkräfte und Milizen auf die umliegenden Städte und Dörfer vorzurücken. Es kam zu heftigen Kämpfen, die weiter andauern. Sie machen es unmöglich, dass die Absturzstelle untersucht werden kann, weil die Sicherheit der Experten nicht garantiert werden kann. Die OSZE berichtete gestern, man habe wegen der Kämpfe in unmittelbarer Umgebung nicht weiterfahren können. Man verzichtet auf Schuldzuweisungen. Russische Medien suggerieren, die Ukraine wolle damit eine Aufklärung verhindern. Das ist natürlich Propaganda, aber es bleibt doch die Frage, warum ausgerechnet hier Kämpfe geführt werden müssen.
Die OSZE macht auch klar, dass es nicht nur Probleme mit den Separatisten gibt, was aber in den westlichen Medien ausgeblendet wird. So hätten ukrainische Soldaten, als sich die OSZE-Beobachter einer Straßensperre in Nyzhnia Vilhkova näherten, ihre Gewehre auf diese gerichtet. Die OSZE-Beobachter fuhren nicht weiter, sondern kehrten um. Die Errichtung eines "humanitären Korridors" für die Einwohner von Lugansk sei gescheitert. Als Grund wird fehlende Kommunikation und Absprache zwischen den ukrainischen Behörden und den Vertretern der "Volksrepublik" genannt. Dass dies wichtig ist, zeigt, dass beispielsweise 40 Prozent der Einwohner der 120.000-Einwohner-Stadt Severodonetsk, die kürzlich von den ukrainischen Streitkräften eingenommen wurde, geflohen sind. Die stark aufgeblähte Geschichte mit den entführten Waisen wird von der OSZE auch nüchtern beschrieben.
Russland beschwert sich gerade, dass die OSZE-Beobachter an der russsich-ukrainischen Grenze, aber auf russischer Seite bei den Grenzübergängen Donezk und Gukowo nicht sicher seien. Russland hatte die Mission gefordert, nachdem behauptet wurde, das Land würde schwere Waffen an die Separatisten über die Grenze liefern. Angeblich hätten die USA, Kanada und die Ukraine das verhindern wollen, die ukrainische Regierung war dagegen, weil dies irgendwie zu einseitig sei. Die Beobachter sind nun nach Ria Novosti in Rostow eingetroffen, was Russland nutzt, um die ukrainische Regierung aufzufordern, die Kampfhandlungen an der Grenze zu beenden. Zuletzt lagen Russland und die Ukraine mitsamt den westlichen Ländern, allen voran die US-Regierung, im Clinch, wer nun über die Grenze schießt. Die Ukraine hat nun auch Satellitenbilder vorgelegt, die beweisen sollen, dass aus Russland auf die Ukraine geschossen wird. Das russische Außenministerium stellt die Situation so dar:
Die Einladung internationaler Beobachter ist ein weiterer Ausdruck des guten Willens Russlands, das alle nur möglichen Anstrengungen zur Deeskalation der innerukrainischen Krise und zur Schaffung von Bedingungen für eine sofortige Aufnahme von Verhandlungen zwischen den rivalisierenden Seiten unternimmt. Kiew und westliche Länder sollen ihre unbegründeten Anschuldigungen fallen lassen, wonach Russland die Grenze unzureichend kontrolliert.
Auch wenn das nicht bedeutet, dass Russland keine Waffen oder andere Unterstützung an die Separatisten liefert, ist es immerhin eine Geste der Kooperation, die Grenzübergänge von der OSZE kontrollieren zu lassen. Dass Moskau auf die erneute Verschärfung seinerseits mit Drohungen reagiert, dass die Preise für Öl und Gas aus Russland steigen könnten, ist wenig verwunderlich. Wenn Sanktionen eingesetzt werden, um etwas zu erzwingen, dann beginnt das Tit-for-Tat-Spiel. So hat Russland die Einfuhr von Lebensmitteln aus Polen verboten - angeblich aus gesundheitlichen Gründen.
Wie Propaganda funktioniert, kann man am Beispiel des auf der Absturzstelle gefundenen Teddybärs sehen, den ein Separatist den Kameras entgegengehalten hat. Um die Welt ging ein Bild, auf dem ein nicht sonderlich gepflegter Separatist neben seinen rauchenden Kollegen einen Teddybär hochhält.
Das wurde dann zu dem Vorwurf, dass sich "betrunkene Gorillas", so etwa der Spiegel, "sich zwischen Kinderleichen so aufführen, als seien sie auf einer Kirmes". Man ist halt so eingenommen von der Richtigkeit seiner eigenen Vorurteile, dass man keinen zweiten Blick riskiert, der die Verve der moralisierenden Attacke auf den einmal ausgemachten Bösen möglicherweise relativieren könnte.
Ob der Separatist betrunken war, ist eine Frage der Spekulation. Ganz offensichtlich, so ein Video hat er für die anwesende Journalistenmeute den Teddybär hochgehalten. Aber das war keine Geste des Triumphes. Er legte den Teddybär dann achtsam zurück, bekreuzigte sich und zeigte seine Anteilnahme oder Erschütterung. Das war aber nur Thema in Blogs, für die auf das böse Russland fixierten Mainstream-Medien spielte das keine Rolle, für die Politik allemal nicht.