Wer zahlt für die Endlager?

Bild Uni Bremen

Die Energie- und Klimawochenschau: Über lückenhafte Finanzen der Stromkonzerne, den Anteil des Klimawandels am syrischen Bürgerkrieg, verheerende Waldbrände in den USA und Probleme der deutschen Automobilhersteller

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Die Nachricht kommt nicht ganz überraschend, wäre aber dennoch geeignet, das eine oder andere politische Erdbeben auszulösen, wenn die Öffentlichkeit nicht gerade von anderen Dingen eingenommen wäre: Die Rückstellungen der großen Energiekonzerne reichen bei weitem nicht aus, um langfristig ihre alten Atomkraftwerke und deren radioaktiven Hinterlassenschaften sicher zu verwahren.

Das geht aus einer Untersuchung des Bundeswirtschaftsministeriums hervor, über die dieser Tage diverse Zeitungen berichten. Demnach betragen die vorhandenen Rückstellungen 38 Milliarden Euro, zusätzliche 30 Milliarden Euro seien jedoch vonnöten. Bei RWE, so schreibt RP-online, fehlen zum Beispiel 7,5 Milliarden Euro. Das ist etwas mehr als der derzeitige Börsenwert des Konzerns.

Nach dem Bekanntwerden des Fehlbetrags rauschten die Kurse (E.on, RWE) der Energiekonzerne am Dienstagvormittag in den Keller, konnten aber im weiteren Tagesverlauf rund die Hälfte bis zwei Drittel der Verluste wieder wett machen. Langfristig befinden sich die Notierungen der beiden Konzerne allerdings schon seit Jahren im Sinkflug, der Mitte August in einen Sturzflug überging. Dessen Ende wiederum ist bisher nicht in Sicht.

AKW Isar 2. Bild: Bjoern Schwarz/CC-BY-SA-2.0

Beide Unternehmen sind offensichtlich reichlich angeschlagen und kommen mit dem Verlust ihrer Oligopolstellung nicht zurecht. Damit stellen sich auch Fragen nach der Sicherheit der vorhandenen Rückstellungen. Aus den Vorstandsetagen wird zwar dementiert, dass es eine Lücke gäbe, doch offenbar geht die Finanzplanung sowohl E.ons als auch RWEs davon aus, dass sich die Rückstellungen mit realen 4,5 Prozent verzinsen lassen. Real heißt in diesem Fall, dass die Inflationsrate berücksichtigt wird. Die Untersuchung des Wirtschaftsministeriums geht hingegen von einer leicht negativen realen Verzinsung aus. Das ist recht konservativ. Andererseits haben sowohl E.on als auch RWE mit ihren Auslandsinvestitionen in Kohle- und Gaskraftwerke in den letzten Jahren Milliarden Verluste eingefahren. Von einer positiven Verzinsung des eingesetzten Kapitals konnte beim besten Willen nicht die Rede sein.

Angesichts der sich damit anbahnenden Belastungen für die öffentlichen Haushalte, die gegebenenfalls vor allem beim Endlager für hochradioaktiven Müll für die Atomkonzerne - neben den genannten auch Vattenfall und EnBW - einspringen müssen, fordert die Anti-AKW-Kampagne .ausgestrahlt, dass die Dividendenzahlungen an die Aktionäre sofort eingestellt werden.

Jetzt muss es vordringlich darum gehen, die notwendigen Beträge zu sichern, bevor nichts mehr zu holen ist. Das wird nur funktionieren, wenn Eon, RWE und Co das Geld in einen öffentlich-rechtlichen Fonds abgeben müssen und gleichzeitig weiter für Kostensteigerungen haften. Von den Konzernen fordere ich, dass sie jegliche Zahlung von Dividenden an ihre Aktionäre einstellen, solange das Geld für die Folgekosten der Atomkraft nicht gesichert ist. Es kann nicht sein, dass die Anteilseigner noch immer große Beträge aus dem Unternehmen abziehen, während darüber diskutiert wird, ob am Ende die Steuerzahler für die Atommüll-Kosten einspringen müssen. Wer viele Milliarden mit der Atomkraft verdient hat, muss auch für die Folgen geradestehen.

Jochen Stay, .ausgestrahlt

Das hieße, E.on, Vattenfall, EnBW und RWE müssten, wenn es nach den AKW-Gegnern ginge, die offensichtlich noch vorhandenen 38 Milliarden Euro aus ihren Konzernen herauslösen, was vermutlich auf den Verkauf erheblicher Teile des Betriebsvermögens hinausliefe. Eine offene Frage ist dabei, ob das überhaupt angesichts der fraglichen Rentabilität von Steinkohlekraftwerken möglich wäre.

Andererseits ist eine schnelle Stilllegung von Kohlekraftwerken aus klimapolitischer Sicht geboten, sodass diese nicht nur aufgrund des Vormarsches der sauberen Konkurrenz sondern auch der politischen Rahmenbedingungen schnell weiter an Wert verlieren werden. In einer solchen Situation ist zu erwarten, dass die Vorstände im Interesse ihrer Aktionäre so viel Vermögen wie möglich aus dem Konzern herausziehen, sodass letztlich auch die existierenden Rückstellungen gefährdet werden.

Letztlich wäre das Beste vermutlich, wenn erst ein Kohleausstiegsgesetz formuliert und verabschiedet wird, das für ein geordnetes, möglichst rasches Ende der fossilen Ära sorgt. Damit wäre der Wert der verbleibenden fossilen Kraftwerke klar und auf dieser Basis könnte dann die Einzahlung der Rücklagen in einen öffentlich-rechtlich verwalteten Fonds für die Abwicklung der Atomwirtschaft verlangt werden. Dieses Kapital könnte schließlich, sofern es noch nicht zum Einsatz kommt, gut verzinst in den Ausbau der erneuerbaren Energieträger investiert werden und somit die Energiewende weiter vorantreiben.

Ungebrochener Trend des arktischen Eisschwunds

In der Arktis neigt sich derweil die Zeit des Eisschwunds dem Ende. Wie diese Grafik zeigt, hat sich in der letzten Woche die Fläche des Eisgebietes, das heißt, jener Meeresfläche die zu mindestens 15 Prozent mit Eisschollen bedeckt ist, so gut wie nicht geändert. Das diesjährige Minimum könnte also bereits erreicht sein. Doch das ist ungewiss. Strake könnten in den nächsten rund zehn Tagen noch Eis so sehr zusammen schieben, dass die Fläche etwas weiter abnimmt.

Auch das Eisvolumen hat sich, wie hier zu sehen ist, in den letzten Tagen nicht mehr verändert. Die Lufttemperatur ist über weiten Teilen des arktischen Ozeans inzwischen unter Null gesunken. Das Wasser hat allerdings dort, wo es nicht mit Eis bedeckt, meist Temperaturen, die zwar nicht gerade zum Baden einladen, aber dennoch deutlich über dem Durchschnitt der letzten 30 Jahre und meist noch etwas über Null liegen. Mit dem Gefrieren und dem winterlichen Wachstum der Eisfläche wird es also noch ein bisschen dauern.

Der Vergleich mit den letzten Jahren zeigt, dass das diesjährige Minimum des Eisgebiets (sea ice area) um etliche 100.000 Quadratkilometer unter dem der Jahre 2013 und 2014 liegen wird, aber rund eine Million Quadratkilometer über dem Minimum von 2012. Vor drei Jahren war das arktische Meereis so weit wie nie zuvor in der Geschichte der Satellitenaufzeichnungen zurückgegangen. Mit anderen Worten: Kein neuer Rekord, aber die leichte Erholung der letzten beiden Jahre ist schon wieder perdu. Der langfristige Trend zeigt unvermindert nach unten.

Dürre und Krieg

Stefan Rahmstorf, Physiker, ehemaliger IPCC-Autor, Wissenschaftler am Potsdam Institut für Klimafolgenforschung und Lehrstuhlinhaber für Physik der Ozeane an der Universität Potsdam weist im Interview mit der Plattform "Klimaretter" auf eine der wenig beachteten Ursachen des Bürgerkriegs in Syrien hin:

Fakt ist, dass das Land in den Jahren 2007 bis 2010 von der schlimmsten Dürre in der mehr als 100-jährigen Geschichte der dortigen Wetteraufzeichnungen heimgesucht wurde. Ernten blieben aus, sehr viel Vieh verendete.

Stefan Rahmstorf

Eineinhalb Millionen Menschen seien aufgrund der Dürre in die städtischen Ballungszentren geflohen. Dies führte dort zu hoher Arbeitslosigkeit und Enge und folglich massiver Unzufriedenheit, die schließlich in die Rebellion mündete. Rahmstorf legt aber ausdrücklich Wert auf der Feststellung, dass es natürlich eine Vielzahl von Ursachen für den Bürgerkrieg gebe und keineswegs allein die Dürre verantwortlich gemacht werden kann.

Dennoch kann er aber auf eine Reihe von Studien verweisen, die für schwache, politisch instabile Staaten einen deutlichen Zusammenhang zwischen Dürren und anderen Naturkatastrophen auf der einen und Rebellion und Destabilisierung auf der anderen Seite zeigen. Große Staaten wie etwa die USA hätten deutlich weniger Probleme, derartiger Katastrophen Herr zu werden.

Außerdem berichtet Rahmstorf von politischen Fehlern, die der Dürre vorher gingen und diese offenbar verschlimmert haben. Die Agrarpolitik sei nicht nachhaltig gewesen. Es sei über längere Zeit mehr Grundwasser entnommen worden, als neugebildet wurde. Das sei das Ergebnis einer Studie, die Anfang des Jahres in PNAS veröffentlicht wurde.

Die Autoren der Studie schreiben, dass die Dürre die schlimmste seit dem Beginn meteorologischer Aufzeichnungen in der Region gewesen sei. Die Dürre sei sowohl Ausdruck natürlicher Variabilität des Klimas als auch eines schon länger zu beobachtenden negativen Trends. Das heißt, im Rahmen des globalen Klimawandels wird es im östlichen Mittelmeerraum wärmer, während gleichzeitig die Feuchtigkeit des Bodens abnimmt. Die Ursachen hierfür sind die durch die höheren Temperaturen vermehrte Verdunstung und mitunter ggf. auch noch verminderte Regenfälle. Klimamodellsimulationen hätten ergeben, so die Autoren, dass die Wahrscheinlichkeit einer solchen dreijährigen Dürre in einer wärmeren Welt sich verdoppeln, verdreifachen oder gar noch größer werde.

Rot steht für extreme Dürre und Braun für außergewöhnliche Dürre, was als Steigerung zu verstehen ist. In Gebieten, die mit einem S gekennzeichnet sind, halten die Bedingungen seit weniger als sechs Monaten an, in den mit einem L markierten seit mehr als einem halben Jahr. Screenshot NOAA

Notstand in Kalifornien

Unter einer schweren Dürre leidet auch nach wie vor der US-Bundesstaat Kalifornien. Im Norden wird diese zur Zeit durch gefährliche Waldbrände verschlimmert. Dort befindet sich die ganze Region im Ausnahmezustand, berichtet die nicaraguanische Zeitung El Nuevo Diario. Mehrere tausend Menschen hätten evakuiert werden müssen. 5.500 Feuerwehrmänner seien im Einsatz, um die Brände zu löschen. Dürre, starke Winde und hohe Temperaturen schaffen ideale Bedingungen für deren Ausbreitung. Knapp 50.000 Hektar (500 Quadratkilometer) Wald und Brachland seien bereits zerstört.

Insgesamt seien in diesem Jahr in Kalifornien bisher schon rund 2.800 Quadratkilometer Land durch Waldbrände verwüstet worden, schreibt die New York Times. Obwohl die "Saison" noch lange nicht vorüber sei, wäre damit der Durchschnitt von 2.000 Quadratkilometer eines normalen Jahres schon überschritten. Den Behörden mache besonders die Schnelligkeit zu schaffen, mit der neue Brandherde entstünden und mit der sich das Feuer in oft unvorhersehbarer Weise ausbreite.

Die Wasserreservoirs des Landes enthielten weniger als die Hälfte der Menge, die zu dieser Jahreszeit üblich wäre, und viele Brunnen seien versiegt. Die unterirdischen Wasseradern seien so sehr erschöpft, dass sich mancherorts die Erde um fünf Zentimeter pro Monat absenke. Die Dürre sei die schlimmste in der Geschichte des Landes.

Kaliforniens Wasserversorgung hängt zu einem wesentlichen Teil von den winterlichen Niederschlägen ab, die als Schnee zunächst auf den Bergen liegen bleiben. Doch mit diesem sah es in den letzten Jahren besonders schlecht aus. Die fünf Jahre mit der geringsten Schneebedeckung seit dem Beginn der entsprechenden meteorologischen Aufzeichnungen lagen alle in den letzten zehn Jahren. Jedes der letzten vier Jahre seit Beginn der Dürre gehörte zu diesen Negativrekorden.

Einige hoffen derweil, dass das El-Niño-Wetterphänomen, das sich gerade im Pazifik aufbaut, ergiebige Niederschläge und damit Erleichterung bringen könnte. Doch die Chancen stehen nur Fifty-fifty, meinen die Wissenschaftler. Diese haben sich die sieben Jahre seit dem Beginn der 1950er angesehen, in denen die El-Niño-Bedingungen Ende Sommer/Anfang Herbst den derzeitigen ähnelten. Das Ergebnis: Drei der jeweils folgenden Winter fielen tatsächlich überdurchschnittlich nass aus, einer war normal, aber drei waren trockener als der Durchschnitt.

Weniger Neuwagen in China

Und wie immer zu guter Letzt die gute Nachricht der Woche: Das Springerblatt "Welt" berichtet, dass die meisten deutschen Automobilhersteller hinter vorgehaltener Hand über Absatzschwierigkeiten in China klagen. Das Land ist seit einigen Jahren der weltweit größte PKW-Markt.

Offenbar ist dort die neue Mittelklasse nicht mehr ohne weiteres bereit, viel Geld auszugeben, um im Stau der Großstädte viel schlechte Luft einzuatmen. Das lässt für China und die globale Umwelt ein wenig hoffen.