Werden US-Truppen in den Krieg zwischen Israel und Gaza hineingezogen?

Seite 2: Können die USA Einfluss auf Israel nehmen?

Was könnte hier die große Angst vor einer Eskalation sein? Ist es die Angst, dass es zu einem möglichen Krieg mit dem Iran kommt? Warum sollten die Amerikaner über die Möglichkeit eines direkten Eingreifens der USA besorgt sein?

Michael DiMino: Sobald wir unseren Partnern und Verbündeten gegenüber Verpflichtungen eingehen und diese Verpflichtungen dann auf die Probe gestellt werden, geraten die politischen Entscheidungsträger in eine Zwickmühle, in der sie das Gefühl haben, dass wir reagieren müssen, um die Glaubwürdigkeit der USA oder ihre Abschreckungsfähigkeit nicht zu verlieren.

Ich sage nicht, dass es zwingend und wahrscheinlich ist. Aber ich sage, dass es möglich ist, dass, wenn wir Israel versprechen, uns militärisch-kriegerisch einzumischen, falls die Hisbollah beschließt, ihre Streitkräfte einzusetzen (und das auch tut), wir dann auch beginnen, Angriffe im Libanon durchzuführen. Die Situation könnte sich zuspitzen.

An diesem Punkt würde es mich nicht überraschen, wenn die US-Streitkräfte im Irak und in Syrien zur Zielscheibe der schiitischen Milizen in diesen Ländern würden. Dann könnte Israel Druck ausüben, um begrenzte Maßnahmen gegen den Iran durchzusetzen.

Das wäre natürlich eine Katastrophe für alle Beteiligten, nicht zuletzt für die Vereinigten Staaten. Ich glaube nicht, dass diese Regierung das will, aber ich denke, wenn die Dynamik eintritt und die Zeit, innerhalb derer Entscheidungen getroffen werden müssen, immer kürzer wird, dann kann so etwas passieren.

Ich habe während der letzten Eskalationsrunden mit dem Iran in der Regierung gearbeitet. Während dieser früheren Krisen gerieten wir innerhalb weniger Stunden sehr, sehr nahe an eine Kriegsbeteiligung im Nahen Osten.

Wenn man sieht, wie schnell die Entscheidungen getroffen wurden und wie wenig Zeit den politischen Entscheidungsträgern zur Verfügung steht, um über vieles nachzudenken, dann bin ich der Meinung, dass wir dieses Risiko, auch wenn es minimal ist, ernst nehmen und uns dagegen wappnen sollten.

Wir sollten unsere politischen Entscheidungsträger zur Rechenschaft ziehen, um sicherzustellen, dass jede Art von Beteiligung, die wir Israel oder anderen regionalen Partnern im Zusammenhang mit Israel und Hamas anbieten, mit dem Ziel der Deeskalation erfolgt.

Das Weiße Haus hat es bewusst vermieden, zu einem Waffenstillstand oder einer Deeskalation aufzurufen. Man hat sogar entsprechende Äußerungen, die getwittert worden waren, wieder gelöscht. Glauben Sie, dass das eine kluge Strategie ist? Wie unterscheiden sich Ihrer Meinung nach die Debatten in der Öffentlichkeit von denen unter vier Augen zwischen US-amerikanischen und israelischen Beamten?

Michael DiMino: Hinter verschlossenen Türen wird es Gespräche zwischen amerikanischen und israelischen Beamten geben, bei denen die US-Seite sicherlich klarmacht: "Ihr müsst die Zahl der zivilen Opfer so weit wie möglich reduzieren". In den Diskussionen geht es bereits um Auswege.

Vieles davon hängt jedoch davon ab, was in den nächsten Tagen passieren wird. Es scheint, dass alle die Luft anhalten und darauf warten, ob es einen Einmarsch in den Gazastreifen geben wird oder nicht.

Die US-Regierung hofft vielleicht, dass bei der Zusammenstellung des neuen israelischen Kriegskabinetts einige gemäßigtere Stimmen mit militärischem und geheimdienstlichem Hintergrund hinzukommen. Die könnten einen aggressiveren Kurs Israels, der eine Deeskalation erschweren würde, in Schach halten.

Biden und sein Stab arbeiten wahrscheinlich gerade daran. Diese Bemühungen werden größtenteils unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden, und zwar mit dem Ziel, die Zahl der zivilen Opfer zu verringern. Hoffentlich können die USA dadurch besser erfahren, was auf israelischer Seite geplant wird.

Erhöht der öffentliche Anschein, Israels Entscheidungen mitzutragen, die Möglichkeit einer Eskalation mit Gruppen wie der Hisbollah und dem Iran, die geneigt sein könnten, das als Zeichen für eine direktere Beteiligung zu sehen? Wenn es keine Distanz zwischen den USA und Israel gibt, kann man sich vorstellen, wie sie darauf reagieren könnten.

Michael DiMino: Bis zu einem gewissen Grad werden einige dieser Gruppen die USA und Israel immer als sehr eng miteinander verbunden betrachten. Ich bin mir nicht sicher, ob Schritte der US-Regierung in die eine oder andere Richtung solche Gruppen unbedingt beruhigen würden.

Ich denke jedoch, dass es hilfreich wäre, dem Rest der Region ein etwas stärkeres Signal zu geben, dass die USA eine Deeskalation anstreben und wir bereit sind, mit jedem zusammenzuarbeiten, um das zu erreichen.

Letzten Endes werden die Entscheidungen der Terroristen vor Ort jedoch von ihren eigenen Organisationen und Ideologien bestimmt werden. Ich glaube nicht, dass es eine Erklärung gibt, die eine einzelne Person abgeben kann, die zwangsläufig dazu führen würde, dass bestimmte Entscheidungen, die getroffen werden sollten, nicht getroffen werden.

Die USA müssen ihr Bestes tun, um auf sehr subtile Weise zu signalisieren, dass wir eine Deeskalation wollen. Das haben wir in gewissem Maße getan, aber wir könnten noch mehr tun.

Es gibt im Moment einfach wenig Anreiz dazu, wenn man bedenkt, wie emotional aufgeladen die Situation auf allen Seiten ist. Es ist schrecklich, das alles mitzuerleben. Und das zu einem Zeitpunkt, an dem ich glaube, dass es einige Hoffnungen gab, die Region vielleicht voranzubringen.

In gewisser Weise zeigt es, wie töricht die bisherigen Bemühungen verschiedener US-Regierungen waren. Im Abraham-Abkommen wurde die israelisch-palästinensische Frage ausgeklammert. Ich halte das für einen großen Fehler.

Es geschah größtenteils, weil man dachte, es sei das schwierigste Problem. Also legte man es beiseite, um 80 Prozent der übrigen Probleme anzugehen. Aber so funktioniert es nicht. Der Israel-Palästina-Konflikt ist von zentraler Bedeutung für die Region, und man kann keine langfristigen politischen Vereinbarungen in der Golfregion oder im Nahen Osten treffen, ohne sich auch mit diesem Konflikt zu befassen.

Ich weiß, dass wir vielleicht noch weit entfernt von einer echten Beschäftigung und Lösung sind. Ich hoffe, dass durch die gegenwärtigen Ereignisse und Krisen ein neues Verständnis dafür entsteht, dass diese Frage für den Nahen Osten von zentraler Bedeutung ist.

Wir können nicht einfach die Augen verschließen und wegschauen. Wir müssen versuchen, eine Lösung zu finden, die langfristig im besten Interesse aller ist.

In den USA benötigen wir eine verantwortungsvolle Außenpolitik, die sich mehr heraushält aus dem Nahen Osten. In dem Maße, in dem wir ein vernünftiges Engagement mit den Saudis, den Israelis, den Iranern, den Emiraten und wem auch immer haben können, ist das langfristig im besten Interesse der Vereinigten Staaten.

Der Artikel erscheint in Kooperation mit dem US-Medium Responsible Statecraft. Sie finden das englische Original hier. Übersetzung: David Goeßmann.