Westerwelle-Wunderland

Nordkorea hat alle Steuern abgeschafft - trotzdem will es mit der wirtschaftlichen Entwicklung nicht so recht klappen

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Im März 2008 vermeldete die nordkoreanische Nachrichtenagentur KCNA stolz, dass das Land nun bald 34 Jahre lang das einzige der Welt sei, das von seinen Bürgern keine Steuern erhebt.

Die Genauigkeit, mit welcher der wirtschaftliche Abstieg Nordkoreas mit der im Zuge des Umstiegs auf die Chuch'e-Ideologie erfolgten Abschaffung der Steuern zeitlich zusammenfällt, ist verblüffend: Bis zum Ende der 1960er Jahre hinein war Nordkorea nämlich wirtschaftlich durchaus erfolgreich und galt sogar als dem südlichen Nachbarn überlegen. Heute kämpft das Land dagegen nicht nur mit einem sinkenden Bruttosozialprodukt, sondern auch mit Hungersnöten. Besonders verheerend, so gewinnt man den Eindruck, scheint das Experiment im Bereich der Landwirtschaft gewesen zu sein: Dort wurden die Steuern nämlich schon 1966 abgeschafft, ganz zu Beginn der Chuch'e-Änderungen.

Als Begründung, warum die "Reform" durchgezogen werden konnte, führt die Nachrichtenagentur trotzdem ein durch den Verzicht auf die Steuern angeblich stärkeres Wirtschaftswachstum sowie eine "Stärkung des ideologischen Bewusstseins" an. Was man sich darunter vorzustellen hat, wird nicht ganz klar – vielleicht eine Art nordkoreanische Variante von Sabine Christiansen?

In jedem Fall glichen die Methoden, mit denen der Chuch'e-Staat die Umstellung in der Praxis bewerkstelligte, zum Teil in bemerkenswerter Weise denen, die früher regelmäßig im deutschen Staatsfernsehen empfohlen wurden: beispielsweise deutlich höhere Gebühren für öffentliche Leistungen. 2003 griff Nordkorea sogar auf ein von Ayn Rand propagiertes Rezept zurück und gab Volksanleihen aus, die zwar nicht verzinst wurden, aber gleichzeitig Lotterielose waren. Besonders eifrige Loskäufer wurden von der Regierung öffentlich geehrt.

Da fragt es sich, warum Hans Olaf Henkel oder Dieter Hundt nicht einfach "rübermachen", ins nordkoreanische Steuerparadies. Möglicherweise liegt es daran, dass sie für den vollen Genuss ihre deutsche Staatsangehörigkeit aufgeben und die nordkoreanische annehmen müssten: Denn Ausländer zahlen in Nordkorea durchaus Steuern. Allerdings liegen auch hier die Sätze zwischen 10 und 25 Prozent - und damit in einem Bereich, der den beiden im Vergleich zu Deutschland eigentlich gefällig erscheinen müsste.