Westliche Doppelmoral: Saudi-Arabien, Russland und Syrien
Der westliche Verbündete Saudi-Arabien kann ungeniert Massaker an Kindern anrichten und die Repressionsspirale anziehen
Saudi-Arabien kann mit seiner Koalition, unterstützt vom Westen, vor allem von den USA und Großbritannien, ungehindert und konsequenzenlos einen brutalen Krieg gegen die mit dem Iran verbundenen Huthis und ihren Verbündeten im Jemen führen. Während US-Präsident Donald Trump gerade wieder mit erhobenem moralischen Finger Russland und Syrien vor der geplanten Offensive in Idlib warnt, stammen die Bomben, die saudische Kampfflugzeuge auch gegen Zivilisten und Kinder richten, aus den USA.
So hatte die Bombardierung eines Schulbusses Anfang August, wodurch 51 Menschen, davon 40 Kinder, getötet und 79 Personen, darunter 56 Kinder, verletzt wurden, zwar Entsetzen hervorgerufen, aber zu keinen Konsequenzen geführt. Das selbst, als sich herausstellte, dass die lasergesteuerte Präzisionsbombe von den USA stammte. Auch daran lässt sich der Unterschied zu Barack Obama sehen. Der hatte zwar auch die Saudis unterstützt, aber 2016 immerhin die weitere Lieferung von solchen Bomben eingestellt, nachdem saudische Flugzeuge damit mehrere Massaker angerichtet hatten. Damals war nicht ein Schulbus auf einem Markt, sondern eine Begräbnisfeier oder ein Markt bombardiert worden, daneben auch zahlreiche zivile Gebäude.
Donald Trump, der mit Saudi-Arabien seine Anti-Iran-Politik durchzog, ist das egal, er ließ ab 2017 wieder Bomben an Saudi-Arabien liefern und schwärmte von den guten Waffengeschäften mit der repressiven islamistischen Monarchie. Auch weiterhin rechtfertigt Saudi-Arabien den Angriff auf den Schulbus als legitimes Ziel. Das sei kein Schulbus gewesen, sondern der Bus habe Huthi-Kämpfer befördert, man habe auch keine Hinweise, dass Kinder im Bus gewesen seien, so die dreiste Version von alternativen Fakten seitens des Sprechers der saudischen Koalition, Leutnant Turki al-Malki, obgleich auch die Menschenrechtsorganisation HRW den Vorfall dokumentiert und das Joint Incident Assessment Team den Angriff als ungerechtfertigt bezeichnet hatte. Man sucht sich, offenbar mit Erfolg, hindurchzumogeln.
Bislang will nur Spanien unter der neuen linken Regierung reagieren und keine lasergesteuerten Bomben mehr an Saudi-Arabien verkaufen. Die Regierung hat bestätigt, aus dem 2015 unterzeichneten Vertrag über den Verkauf von 400 Bomben an Saudi-Arabien auszusteigen und die bereits bezahlten 9,2 Millionen US-Dollar zurückzuzahlen.
Man muss sich nur vorstellen, welche Entrüstung es im Westen gegeben hätte, wenn russische oder syrische Flugzeuge ähnliches in Syrien gemacht hätten. Der interessengeleitete doppelte Maßstab hatte sich auch gezeigt, wenn man die Berichterstattung über die Offensive auf Aleppo mit denen auf Mosul und Raqqa vergleicht. Während Politik und Medien zu letzteren schwiegen oder höchstens leise Kritik geübt haben, waren die Vorwürfe gegen Russland und Syrien schrill. Allerdings hat sich auch Russland nicht über die saudische Kriegsführung beschwert, sondern ist selbst in große Waffengeschäfte mit dem Verkauf von S-400-Raketenabwehrsystemen eingestiegen, man nähert sich auch im Rahmen der Energiepolitik und mit Blick auf Syrien einander an.
Währenddessen haben russische Kampfflugzeuge trotz Trumps Drohung und der Warnung seitens der Vereinten Nationen vor einem Blutbad wieder mit der Bombardierung von Zielen in Idlib begonnen. Wie viele Zivilisten hier leben und wie viele Kämpfer unterschiedlicher Gruppen mit ihren Familien, ist eine Frage von Schätzungen. Es wird von mehr als 3 Millionen Menschen, aber auch von zehntausenden teils schwer bewaffneter Gruppen gesprochen, meist islamistische Gruppen, UN-Sonderberichterstatter für Syrien de Mistura schätzte die Zahl der mit al-Qaida verbundenen Kämpfer auf mehr als 10.000 ("My name is Hala 6 years from the city of Idlib").
Die Türkei, die die Offensive verhindern wollten und zu einigen islamistischen Gruppen enge Beziehungen hat, hat die Grenze abgeriegelt. Das Land will weder die Flüchtlinge aufnehmen, noch die Kämpfer und ihre Familien. Bei den Offensiven auf Aleppo und Ost-Gutha konnten - im Unterschied übrigens zu Mosul und Raqqa - Zivilisten und Kämpfer abziehen - nach Idlib oder auch in das von der Türkei eroberte Afrin, wo das Land von ihm unterstützte islamistische Kämpfer und deren Familien unterbrachte.
Obwohl nun Ost-Gutha wieder unter der Kontrolle von Damaskus steht, sind viele, die geflüchtet waren, dorthin zurückgekehrt. Nach Angaben von UNHCR sind zwar bislang nur wenige der 5,6 Millionen Syrer, die in andere Länder geflohen waren, zurückgekehrt, aber 750.000 der intern Vertriebenen, auch wenn das immer noch nur 11 Prozent der insgesamt 6,6 Millionen sind. In Duma, das UN-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi kürzlich besuchte, leben wieder 125.000 der ursprünglich 300.000 Bewohner. Er mahnte aber an, dass viele auch nicht zurückkehren würden, weil sie Angst vor Bestrafung oder vor der Zwangsrekrutierung hätten.
Mit der Abriegelung können die Islamisten und Rebellen der Offensive nicht mehr ausweichen. Das dürfte, wenn es nicht doch noch zu einer Einigung kommt, die in einer Unterwerfung der Aufständischen bestehen müsste oder zumindest in einer von den Aufständischen geduldeten Evakuierung der Zivilisten, dann die Offensive tatsächlich zu einem Blutbad werden lassen, wie das in Raqqa und Mosul der Fall war. Die eingeschlossenen Kämpfer könnten auch versuchen, Richtung Aleppo selbst eine Offensive zur Entlastung zu starten - oder sie könnten tatsächlich versuchen, wie die russische Regierung behauptet, einen False-Flag-Giftgasangriff inszenieren, um wieder die USA, Frankreich und Großbritannien zu einem Gegenschlag zu provozieren oder diesen zu ermöglichen, um die Offensive zu stoppen.
In die aufgeladene Stimmung mit starker Schwarz-Weiß-Malerei zwischen dem Westen und Russland passt, dass Saudi-Arabien die Repression im Inneren weiter anzieht, nachdem sowieso schon Bürger- und Frauenrechtler verfolgt, eingesperrt und mit hohen Strafen verurteilt wurden. Jetzt wurde ein Gesetz eingeführt, nach dem diejenigen, die Satire online veröffentlichen, mit 5 Jahren Gefängnis und einer Geldstrafe rechnen müssen, wenn dies die "öffentliche Ordnung" stört. Und das geht weit, alles, was "die öffentliche Ordnung, religiöse Werte und die öffentliche Moral lächerlich macht, provoziert und stört", kann bestraft werden. Der junge Kronprinz Mohammed bin Salman setzt auf die harte Hand, um das rückwärts gewandte theokratische Regime bei aller technischen Modernisierung zu verteidigen. Und er kann das mit der Duldung der westlichen Staatengemeinschaft machen, die ihre angeblichen Werte nur dort kraftvoll zur Geltung bringt, wo es ihr geopolitisch und wirtschaftlich nicht schadet.