Wie CDU-Kreise sich einen Verfassungsrichter aufbauten
Seite 2: Linke gegen Wahl aktiver Politiker zum Bundesrichter
- Wie CDU-Kreise sich einen Verfassungsrichter aufbauten
- Linke gegen Wahl aktiver Politiker zum Bundesrichter
- Auf einer Seite lesen
Die Wahl zum Richter am BVerfG erfolgte mit einer Zwei Drittel Mehrheit des Bundestages. Am 22. Nov. 2018 nahmen 652 der 709 Abgeordneten an der Abstimmung teil. Für Harbarth stimmten 452 Abgeordnete, gegen ihn immerhin 166 Abgeordnete, 34 enthielten sich.
Im Vorfeld gab es Beratungen zwischen CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen. In solchen Runden werden alle möglichen anstehenden Personalfragen beraten. Welche Zusagen SPD und FDP erhielten, ist nicht bekannt geworden. Den Grünen sei zugesichert worden, Renate Künast als künftige Kandidatin zur Bundespräsidentin zu akzeptieren. Aber auch dafür gibt es keine Bestätigung.
Klar kritisiert wurde die Wahl Harbarths von den Linken, die bisher in der "Kungelrunde" nicht vertreten sind. Deren Abgeordneter, Niema Movassat, im 19. Bundestag Mitglied des Richterwahlausschusses, der dem Plenum die Kandidaten vorschlägt, hat grundsätzlich etwas gegen die Wahl aktiver Bundespolitiker zum Bundesrichter. Im Deutschlandfunk-Interview erklärte er dazu:
Meine Grundkritik ist, dass aktive Berufspolitiker nicht an das Bundesverfassungsgericht gehören. Das Bundesverfassungsgericht entscheidet ja unter anderem über die Verfassungsmäßigkeit von Bundesgesetzen mit der Verfassung, und das sind meistens Gesetze, die Politiker, die im Bundestag sitzen, mit entworfen haben, mit diskutiert haben, vor allem jemand wie Stephan Harbarth, der ja auch im Rechtsausschuss war. Insofern wird er möglicherweise über Gesetze entscheiden als Bundesverfassungsrichter, die er selber mit entschieden hat. Das ist ein Problem, und um solche Interessenkonflikte zu vermeiden, ist es besser, wenn aktive Politiker nicht an das Bundesverfassungsgericht kommen.
Niema Movassat, Deutschlandfunk
Speziell auf Harbarth bezogen thematisierte Movassat auch dessen Tätigkeit in besagter Anwaltskanzlei:
Bei Herrn Harbarth ist es natürlich schon so: Er hatte ja schon mal Interessenkonflikte im Bundestag, als es um die Diesel-Abgasaffäre ging. Als das Thema aufkam, da hat er im Rechtsausschuss damals als Obmann mit dafür gesorgt, dass das nicht auf die Tagesordnung kommt, und der Interessenkonflikt besteht darin, dass er als Anwalt einer der größten deutschen Wirtschaftskanzleien dort Mitarbeiter ist, die auch VW vertritt. Anwalt einer Kanzlei zu sein, die VW vertritt, und im Bundestag dafür sorgen, dass die Diesel-Affäre nicht auf die Tagesordnung kommt, das zeigt auch, dass er mit Interessenkonflikten nicht angemessen umgegangen ist.
Niema Movassat, Deutschlandfunk
Stephan Harbarth ist noch - für das Bundesverfassungsgericht - recht jung und wird somit noch viele Jahre seinen Einfluss geltend machen können. Seine Wahl zum obersten deutschen Richter wird nicht nur von einigen Oppositionsabgeordneten kritisch gesehen, sondern auch innerhalb der Europäischen Union.
Denn wie will die EU politische Beeinflussung der Richterwahl in EU-Mitgliedsländern wie etwa Polen und Ungarn kritisieren, - oder auch in der Türkei kritisieren, wenn in Deutschland die führende Regierungspartei auf diese Art und Weise das Verfassungsgericht personell besetzt?
In Deutschland ist das Wahlverfahren für die höchsten Richter kein Thema, über das öffentlich lebhaft diskutiert würde. Aber vielleicht kommt das ja noch.