Wie Deutschland in der Rüstung immer abhängiger von den USA wird

Berater im Wirtschaftsministerium schlagen vor, wie Bundeswehr schneller an Waffen kommen soll. Bundestagsrechte sollen eingeschränkt werden. Was noch gefordert wird.

Die Bundeswehr benötigt Waffen und soll nach dem Willen der Bundesregierung massiv aufgerüstet werden. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach von einer "Zeitenwende". Doch vielen geht der Prozess zu langsam.

Ein Beratergremium beim Bundeswirtschaftsministerium unter Leitung von Robert Habeck (Grüne) ist nun mit Vorschlägen vorgeprescht, die umstritten sind. Würden sie umgesetzt, wäre nicht nur die Mitsprache des Bundestags eingeschränkt. Deutschland könnte auch langfristig noch abhängiger von den USA werden.

Als Hauptproblem identifizierten die Experten die sogenannte "Parlamentsschleife", nach der der Haushaltsausschuss des Bundestags militärischen Beschaffungsverträgen über 25 Millionen Euro nachträglich zustimmen muss.

Diese mit dem 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen eingeführte Regelung wird als kontraproduktiv angesehen, da sie zu Nachverhandlungen und Verzögerungen führt und die Verhandlungsposition der Bundeswehr schwächt. Die Gutachter erklärten zudem, die "Parlamentsschleife" widerspreche der Gewaltenteilung.

"Das Parlament hat sich in einem Nachtstreich eine Kompetenz geholt, die ihm nicht zusteht", erklärte Christoph Engel vom Max-Planck-Institut Bonn gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Engel ist federführendes Mitglied des besagten Beratergremiums. Und er ist überzeugt, der Bundestag sollte sich darauf beschränken, "dem Verteidigungsministerium jährlich seinen Haushalt zuzuweisen".

Die vorgeschlagenen Maßnahmen stoßen jedoch nicht nur auf Zustimmung. Einige Politiker, wie der SPD-Haushaltspolitiker Andreas Schwarz, halten den Verzicht auf die "Parlamentsschleife" für falsch und betonen die Bedeutung der parlamentarischen Kontrolle. Der Grünen-Haushaltspolitiker Sebastian Schäfer hingegen verteidigt die Beteiligung des Parlaments und sieht darin eine Möglichkeit, Risiken zu mindern und Kosten zu sparen.

Kritisch bewertet das Beratergremium eine weitere Sonderregelung, heißt es in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), nämlich die mögliche Beschränkung der Auftragsvergabe zugunsten europäischer Kooperationsprojekte. "Wenn die Regel greift, können auch Anbieter aus anderen NATO-Staaten, insbesondere aus den USA, ausgeschlossen werden", heißt es in dem Bericht.

Die Experten betonen, dass diese Regelung protektionistische Effekte haben könnte und die Förderung der eigenen Industrie nicht hinter europäischen Kooperationsprojekten versteckt werden sollte. Stattdessen sollte eine transparente Regelung geschaffen werden, um die Industrieförderung gezielter zu gestalten.

Das Bundesverteidigungsministerium hatte sich zuvor schon dazu bekannt, dass sich die Beschaffung künftig am Markt orientieren und sich weniger auf die eigene Entwicklung von Waffensystemen fokussieren solle. Im Tagesbefehl "Beschleunigung des Beschaffungswesens" heißt es:

Neuentwicklungen von Ausrüstung und Gerät werden weiter ein Bestandteil unserer Beschaffung sein. Aber die Grundregel ist ab sofort die Beschaffung marktverfügbarer Produkte, wann immer das möglich ist. Die Forderungen, die wir an ein Produkt stellen, werden wir deshalb künftig zunächst an der Marktlage und dem Faktor Zeit spiegeln. Die Inspekteure als Nutzer und Bedarfsträger werden hierfür stärker eingebunden.

Dieser Tagesbefehl hatte bereits zu einem Streit zwischen Frankreich und Deutschland geführt. Frankreich räumt dem Aufbau einer eigenständigen europäischen Rüstungsindustrie eine höhere Bedeutung ein.

Die Marktlösung, die Deutschland dagegen verfolgt, führt primär dahin, dass bei US-Rüstungsschmieden eingekauft wird, wie es beim Kampfjet vom Typ F-35 geschehen ist.

Im Bericht des Beratergremiums heißt es nun: Hat sich die Bundeswehr einmal für ein Waffensystem entschieden, dann ist der Umstieg auf ein konkurrierendes Produkt teuer. Mit anderen Worten: Hat man sich einmal für ein US-amerikanisches Waffensystem entschieden, wird man noch über viele Jahre hinweg daran festhalten.

Gleichzeitig wird die heimische Rüstungsindustrie nicht investieren, wenn die Abnahme der Waffen nicht zugesagt ist. Vor diesem Hintergrund ist der Frust in Paris verständlich, wo befürchtet wird, dass die Entwicklung des deutsch-französischen FCAS (Future Combat Air System) durch Berlins Entscheidung in Mitleidenschaft gezogen werden könnte.

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