Wie Phoenix aus der Asche

"Phoenix", der Prototyp des europäischen Shuttles "Hopper", absolvierte die vollautomatische Landung fehlerfrei

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Die erste Generalprobe glückte. Unmittelbar unter dem Polarkreis feierte um 9.15 Uhr am Samstag der erste Prototyp des europäischen wiederverwendbaren Raumtransporters Hopper seine Premiere. Seinen symbolträchtigen Namen trägt Phoenix zu Recht, knüpft er doch an die Tradition des in der Versenkung verschwundenen Raumgleiters "Hermes" an. Das maßstabgetreue Modell (1:7) des zukünftigen Euro-Raumtransporters flog zwar nur knappe zwei Minuten; dafür steuerte es vollkommen selbstständig die Landebahn an und legte zur Freude der Entwickler eine Bilderbuchlandung hin.

Hermes, zuerst ein rein französisches Konzept, aber infolge zu hoher Kosten zu einem europäischen Vorhaben gewachsen, sollte einmal das Vorzeigeprojekt der Europäischen Raumfahrtagentur (ESA) werden. Insbesondere Deutschland und Frankreich kooperierten lange Zeit, bis das Vorhaben dennoch wie eine Seifenblase zerplatzte. Es war schlichtweg zu kostspielig.

Die Raumfähre Phoenix (Bild: EADS Space/Ingo Wagner)

Doch mit dem nunmehr ersten erfolgreich absolvierten Testflug der Raumfähre Phoenix ist zumindest der Traum von einem europäischen wiederverwendbaren Raumtransporter wieder lebendig geworden. Wenngleich in einer kleineren Version, so erhob sich "Hermes" in Gestalt von "Phoenix" wie ein Phoenix aus der Asche.

Vollautomatisch und völlig autark

Alles klappte wie am Schnürchen. Als am Samstag den 8. Mai 2004 um 9.15 Uhr ein altgedienter Schwerlasthelikopter der schwedischen Marine abhob und die an drei Stahlseilen befestigte silber glänzende, ein paar Meter unter dem Hubschrauber baumelnde ufo-ähnliche Fracht auf 2400 Meter Höhe hievte und sie dann acht Kilometer vor der Landebahn ausklinkte, raste das unbemannte Fluggerät im Sturzflug für 90 Sekunden vollautomatisch auf das Testgelände im nordschwedischen Vidsel zu. Dabei beschleunigte die Aluminiumkonstruktion von 150 auf 450 Kilometer pro Stunde, bevor sie dann wie von Geisterhand in 500 Meter Höhe die Nase nach oben richtete und auf 255 Kilometer pro Stunde abbremste, um den kurzen Testflug in bester Shuttle-Tradition mit einer Bilderbuchlandung zu krönen. Geleitet von Global Positioning System-Satelliten (GPS) setzte Phoenix Punkt 9.42 Uhr wohlbehalten auf. "Als Phoenix still stand, war er nur zehn Zentimeter von der Mittellinie der Landebahn entfernt. Dieser Flug war perfekt", berichtete Peter Kyr euphorisch.

"Jeder ist begeistert", schwärmte auch Johanna Bergstroem-Roos, eine Pressesprecherin vom North European Aerospace Test Range (NEAT) in Kiruna, das 1.200 Kilometer nördlich von Stockholm in Schweden liegt. "Das gibt uns Wind für unsere Segel." Auch der Projektleiter Peter Kyr vom Raumfahrtkonzern European Aeronautic Defence and Space Company (EADS) kommentierte den Jungfernflug, der ursprünglich einen Tag früher stattfinden sollte, mit lobenden Worten.

"Damit haben wir erstmals in Europa bewiesen, dass wir die automatische Landung eines unbemannten, wiederverwendbaren Raumtransporters technisch beherrschen."

Um den steilen Landeanflug zu bewältigen, benutzte der antriebslose Raumtransporter nur Steuerklappen und den Luftwiderstand der eigenen Fläche. Nach dem Abwurf vom Hubschrauber operierte das mit zahlreichen Sensoren ausgestattete Modell vom Ausklinken bis zum Ausrollen völlig autark; die Bodenkontrolle hatte keinen Zugriff auf das System.

Maßstab eins zu sieben

Phoenix soll als Erprobungsträger später dabei helfen, die technische Machbarkeit des künftigen wiederverwendbaren Raumtransporters Hopper nachzuweisen. Der Einsatz eines solchen Prototypen ist erforderlich, weil aufgrund der Vielzahl physikalischer Einflüsse in der Atmosphäre nicht alle Details der Auslegung des Fluggerätes mit Hilfe von Computersimulationen oder Windkanalversuchen nachgewiesen werden können.

Der Prototyp ist knapp sieben Meter lang, hat eine Spannweite von 3,8 Metern, wiegt zirka 1.200 Kilogramm und weist genau ein Siebtel der geplanten Originalgröße des späteren Euro-Shuttles auf.

Entwickelt und gebaut wurde die Phoenix unter Führung von EADS Space Transportation in Bremen. Insgesamt wurden 8,2 Millionen Euro in das Projekt investiert. Das Land Bremen ist mit 4,3 Millionen Euro beteiligt, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit 3,5 Millionen. Das DLR war an den Forschungs- und Entwicklungsarbeiten für Phoenix maßgeblich beteiligt, wie etwa bei der Auslegung des Hubschrauber-Schleppflugverbandes, der Versuchsbegleitung und Auswertung des Luftdatensystems und der Erstellung eines modernen "Hardware-in-the-loop"-Simulators, mit dessen Hilfe alle Bordsysteme des Phoenix am Boden unter realen Bedingungen getestet werden konnten.

Euro-Raumtransporter als Fernziel

In den kommenden zwei Wochen sollen noch drei weitere Testflüge starten. Als nächster Schritt ist vorgesehen, den unbemannten Prototypen von einem Höhenballon oder einem Überschalljet aus einer größeren Höhe abzuwerfen. Zu guter Letzt soll die Abwurfhöhe schrittweise gesteigert werden, bis das Shuttle fähig ist, aus einer Höhe von etwa 128 Kilometern zur Erde zu gleiten und dort sicher zu landen.

Frühestens ab dem Jahr 2015 könnte Hopper einmal vollautomatisch Satelliten in den Orbit absetzen oder Wissenschaftsastronauten und Touristen ins All befördern. Zwar wird der Euro-Gleiter äußerlich einer US-Raumfähre ähneln. Allerdings soll der Raumtransporter nicht wie das Shuttle-Vorbild, sondern von einer vier Kilometer langen Schlittenbahn im europäischen Weltraumzentrum Kourou in Französisch-Guayana starten. Bis zu vier Tonnen Nutzlast können in einer Höhe von 130 Kilometern abgesetzt werden. Danach kehrt das High-Tech-Gerät automatisch zur Erde zurück.

Am Haken des Transporthubschraubers (Bild: NEAT/Peter Degerfeldt, Blue Sky AB)

Die EADS hofft jetzt auf Rückenwind für Phoenix zur Finanzierung weiterer Testflüge mit dem Modell, vor allem auf eine europäische Initiative. Denn das bislang ausschließlich mit deutschen Geldern finanzierte Testgerät kann nur dann Gestalt annehmen, wenn Europa seine finanziellen Ressourcen und sein Know-how bündelt. Bereits Mitte dieses Jahres will die ESA über das Schicksal des zukunftsträchtigen Unternehmens entscheiden. Bleibt nur zu hoffen, dass Phoenix nicht zu einer zweiten "Hermes" verkommt.