Wie Superreiche, fossile Konzerne und Krieg Inflation weiter anheizen

Jachthafen in San Diego, USA. Bild: C.C. Francis / Unsplash Licence

Hohe Löhne und billiges Geld seien Treiber von Preissteigerungen. Also wird Lohnzurückhaltung und Zinserhöhung gefordert. Eine neue Studie in den USA räumt mit diesen Mythen auf und fördert Überraschendes zutage.

In Deutschland, aber auch in anderen Ländern, verlangen Angestellte und Arbeiterinnen mehr Geld. In Deutschland fordern die Mitarbeiter:innen von der Deutschen Post und im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) angesichts der starken Preissteigerungen deutliche Tariferhöhungen von bis zu 15 Prozent.

In Frankreich und Großbritannien wird ebenfalls angesichts gestiegener Lebenshaltungskosten, gegen Rentenkürzungen und für bessere Löhne gestreikt.

Das stößt in der breiteren politischen Öffentlichkeit jedoch auf Skepsis und Ablehnung. In der konservativen Wirtschaftspresse und von Mainstream-Ökonomen wird vor einer Lohn-Preis-Spirale gewarnt. Nach dem Muster: Höhere Lohnabschlüsse verteuern die Produkte und Dienstleistungen der Unternehmen, was wiederum die Preise ansteigen lässt.

In den USA, wie auch hierzulande, wird von Ökonomen und in den großen Medien wie Washington Post oder der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zudem von einem "demand shock", einem Nachfragschock gesprochen, der die Inflation antreibe.

Hilfspakete wie der American Resue Plan Act der US-Regierung im Zuge der Corona-Pandemie von März 2021 würden normale Bürger:innen einfach zu viel Geld geben, was sie dann mit beiden Händen ausgeben – was wiederum die Inflation angetrieben habe. Im Handelsblatt heißt es:

Dazu [zu Lieferengpässen] kommt eine hohe Nachfrage, vor allem in den USA durch Ausgaben der Regierung getrieben und überall sonst auch durch nachgeholten Konsum.

Daher wird von allen Seiten Lohnzurückhaltung und Geldverteuerung als Heilmittel empfohlen. So hoben die Zentralbanken überall den Leitzins an, um damit der Inflation entgegenzusteuern. Die Europäische Zentralbank hat seit letztem Jahr den Leitzins allein auf drei Prozent angehoben.

Die Wirtschaftswissenschaftler Thomas Ferguson und Servaas Storm vom Institute for New Economic Thinking in den USA widersprechen jedoch in einer neuen Studie der Ansicht, dass zu hohe Löhne und billiges Geld für die extreme Inflation verantwortlich sind.

Sie verweisen darauf, dass 90 Prozent der Corona-Hilfsgelder bereits bis zum Juni 2021 ausgegeben worden waren. Im zweiten Halbjahr von 2021 hätten die diversen Steuer- und Ausgaben-Politiken in den USA die wirtschaftliche Nachfrage dann sogar verringert. Die Inflation ging aber erst Ende 2021 los und steigerte sich dann auf Rekordmarken im Verlauf von 2022.

Ferguson und Storm sehen daher keinen Nachfrage-Boom bei der arbeitenden Durchschnittsbevölkerung als Inflationstreiber. Doch es habe ihrer Meinung nach durchaus einen "demand shock" gegeben. Er sei jedoch von den oberen Schichten ausgelöst worden.

Zwischen dem ersten Quartal 2020 und dem ersten Quartal 2022 ist das gesamte Privatvermögen in den USA um 26,1 Billionen Dollar gestiegen, was vor allem auf den explodierenden Aktienmarkt zurückzuführen ist. Vierzig Prozent davon entfielen auf das oberste eine Prozent, weitere 33,4 Prozent auf die nächsten neun Prozent – was bedeutet, dass etwa drei Viertel des Anstiegs an das oberste Zehntel der Amerikaner ging.

Ende 2021, so schreiben Ferguson und Storm, "betraten die wohlhabenden US-Amerikaner in Scharen die Bühne und starteten eine Ausgabenrally". Die Wirtschaft konnte in der Tat nicht genug Angebot für das erzeugen, was die Reichen kaufen wollten. Die beste Lösung für diese Art von einseitiger Nachfrage wären progressive Verbrauchssteuern gewesen, anstatt die Wirtschaft über die Federal Reserve, die US-Notenbank, auf breiter Front zu bremsen.