Wie amerikanische Geheimdienste der heimischen Wirtschaft dienen
Der CIA hat sich damit gebrüstet, amerikanischen Unternehmen viele Milliarden Dollar verschafft zu haben
Der durch das Bekanntwerden des globalen Lauschsystems Echelon erhobene Vorwurf, amerikanische Geheimdienste würden europäische Unternehmen ausspionieren, um US-Firmen zu Vorteilen zu verhelfen, wurde immer wieder entschieden zurückgewiesen. Erst vor wenigen Tagen betonten sowohl der Leiter der NSA als auch der Direktor des CIA, dass ausländische Unternehmen zwar wegen Bestechung oder Umgehen von verhängten Sanktionen überwacht würden, aber dass die daraus gewonnenen Informationen nicht amerikanischen Firmen zu deren Vorteil zugespielt würden (Alles in Ordnung bei der NSA). MSNBC berichtet jetzt, dass nach Analyse von zahlreichen Anhörungen, Berichten und Regierungsdokumenten Informationen der Geheimdienste zumindest indirekt amerikanischen Firmen bei internationalen Bewerbungen zugute gekommen sind.
Der ehemalige CIA-Direktor James Woolsey, der erst angesichts der europäischen Kritik an Echelon noch einmal betont hat, dass die amerikanischen Geheimdienste nur wegen Bestechung europäische Firmen überwachen, und dass der Vorwurf der Industriespionage schon allein deswegen absurd sei, weil die europäische Wirtschaft mit der amerikanischen in Sachen Spitzentechnologie einfach nicht mithalten können und deswegen auch zur Bestechung zurückgreifen müsse (Warum wir unsere Alliierten ausspionieren), hatte sich allerdings anders geäußert, als er noch im Amt war. Zur Rechtfertigung der CIA-Tätigkeiten hatte er bei einer Anhörung vor dem Select Committee on Intelligence im Jahr 1994 beispielsweise gesagt: "Wir konnten oft der US-Regierung helfen, schnell zu reagieren, wenn eine solche Bestechung im Ausland geschehen ist oder geplant wird, was den amerikanischen Unternehmen in Höhe von Milliarden von Dollar zugute gekommen ist. Die meisten dieser Unternehmen erfahren niemals, dass sie von uns unterstützt worden sind, und sie sagen oft öffentlich, dass sie dies nicht benötigen. Das ist das Wesen der Geheimdienstarbeit."
Nach MSNBC geht dies folgendermaßen vor sich. Geheimdienstmitarbeiter erfahren von einem Bestechungsversuch etwa einer europäischen Firma im Ausland. Diese Informationen werden der Regierung mitgeteilt, die sich dann, beispielsweise durch den Botschafter des jeweiligen Landes, an die dortige Regierung wendet und etwa mit wirtschaftlichen Sanktionen droht, wenn ein mit Bestechung verbundener Vertragsabschluss zustande kommen sollte. Der Vertrag etwa mit dem europäischen Unternehmen wird dann oft, wenn das Land wirtschaftlich oder anderweitig auf die USA angewiesen ist, nicht unterzeichnet, worauf amerikanische Unternehmen dann den Auftrag erhalten können. Woolsey sagte, dass diese Form der Geheimdienstarbeit relativ neu sei, aber dass man sie weiter betreiben werde: "Wir sind, ehrlich gesagt, darin sehr gut, und wir haben dadurch einige sehr positive Folgen für Verträge für amerikanische Unternehmen erzielt."
Gerechtfertigt wird dieses Vorgehen, weil Bestechung für amerikanische Unternehmen streng verboten ist. 1993 habe die CIA so in 51 Fällen im Wert von 28 Milliarden Dollar Informationen gesammelt, bei denen ausländische Firmen oder deren Regierungen durch Bestechung oder Insiderinformationen zu Ungunsten von US-Firmen versucht haben, Geschäfte abzuschließen: "In diesen Fällen", so ein CIA-Bericht, "konnten Politiker in Aktion treten und haben US-Firmen Verträge in Höhe von 6,5 Milliarden Dollar abschließen können."
Nach Informationen von MSNBC soll diese "Amtshilfe" Boeing beim Verkauf von 747-Flugzeugen an Saudi-Arabien, Raytheon beim Verkauf eines Überwachungssystems an Brasilien oder Hughes Network Systems beim Verkauf eines Telekommunikationssystems an Indonesien während der Clinton-Präsidentschaft zugute gekommen sein. In einem Memo über die "Succes story" von Raytheon war zu lesen: "Konfrontiert mit der harten Konkurrenz von einer europäischen Unternehmensgruppe, konnte die US-Regierung dem Raytheon-Konsortium helfen - helfen, das Spielfeld des Wettbewerbs in Brasilien zu reinigen."
Begonnen wurde diese neue Ausrichtung der Geheimdienstarbeit aber bereits unter Bush, wo man erstmals im Fall eines japanischen Bestechungsversuchs die Vorteile der indirekten Wirtschaftsförderung erkannt habe. Wie Randall Fort, ehemaliger Angestellter des Intelligence and Research Bureau, sagte, habe man damals erkannt, dass auch ein amerikanisches Unternehmen in Konkurrenz mit dem japanischen um den Bau eines Atomkraftwerks in Syrien gestanden habe. Man habe damals der syrischen Regierung mitgeteilt, die gerade die Beziehungen zu den USA verbessern wollte, dass sie nicht auf die Bestechung eingehen soll. Daraufhin habe das amerikanische Unternehmen den Auftrag erhalten. Während man bislang eher nebenbei auf solche Fälle gestoßen sei, habe man dann diese Suche nach Informationen aktiv betrieben. Der CIA hat einen täglichen Geheimdienstbericht über ökonomische Informationen gestartet: der "Daily Economic Intelligence Briefing" ging in 100 Kopien ans Weiße Haus und an die mit der Wirtschaft befassten Ministerien. Das Wirtschaftsministerium hat ein "Advocacy Center" eingerichtet, bei dem auch die Geheimdienstinformationen benutzt werden, um einen "offenen Wettbewerb in der internationalen Ausschreibungsarena" zu fördern.
Duncan Campbell, Autor des STOA-Berichts über Echelon, ist der Meinung, dass diese Informationen über die Aktivitäten der amerikanischen Geheimdienste und der US-Regierung die europäischen Politiker noch stärker als bisher verärgern werden: "Die Zahlen, also dass US-Firmen Milliarden von Dollar verdient haben, werden Erstaunen, Verwunderung und Zorn hervorrufen, nicht weil europäische Politiker verleugnen, dass einige ihrer Unternehmen die Grenze des Statthaften überschreiten, sondern weil die USA kein Recht haben, hier den Richter, die Geschworenen und das ausführende Straforgan zu spielen."
Zumindest wird die Folge der Informationen über das Treiben der Geheimdienste und die Wirtschaftsspionage sein, dass trotz allen Globalisierungsgeredes erkannt wird, wie mächtig noch immer die nationalen Interessen hinter den verschlossenen Türen ausagiert werden und dass die Politik, mitsamt den Geheimdiensten, allmählich nur noch zum Bügelhalter der vermeintlich nationalen Wirtschaftsinteressen im Dienste der Sicherung des Standorts geworden ist. Möglicherweise wird sich die westliche Welt bald auch in anderen Fragen mehr entzweien. Der Krieg der europäischen und amerikanischen Geheimdienste und die daraus entstehenden politischen Konflikte könnten dazu das Sprungbrett bieten.