Wie chinesisch wird die Arktis?

Nuuk, die Hauptstadt Grönland. BIld: Oliver Schauf/public domain

Bei den Wahlen gewann wieder die sozialdemokratische Regierungspartei "Siumut", damit steht die Unabhängigkeit von Dänemark auf dem Programm

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Die rund 43.000 grönländischen Wahlberechtigten haben am Dienstag gewählt - die sozialdemokratische Regierungspartei Siumut konnte mit Verlusten weiterhin größte Partei werden, Premierminister Kim Kielsen wird im Amt bleiben und sucht Gespräche mit möglichen Koalitionspartnern.

Der Politiker, der vor allem im Anorak auftritt, wird nun das umsetzen müssen, was "Siumut" wie die meisten Parteien im Programm haben - Differenzen gibt es im "wie" und "wann" -, nämlich die vollständige Unabhängigkeit von der dänischen Krone. Kielsen, ein ehemaliger Polizist und Matrose, will wohl China als Helfer mit ins Kajak nehmen und dies beunruhigt Mutterland Dänemark wie wohl auch die USA.

Dänemark, das die Außen- und Sicherheitspolitik der arktischen Insel gestaltet, unterstützt die 56 000.Grönländer mit einer jährlichen Finanzspritze von 3,7 Milliarden Dänischer Kronen ( 500 Millionen Euro) aus Kopenhagen - dies macht etwa die Hälfte des grönländischen Haushalts aus.

Dänemarks Premierminister Lars Lökke Rasmussen hatte im Vorfeld klar gemacht, dass diese Gelder wegfallen würden, sollte Grönland mit seinen vor allem Inuit-stämmigen Bewohnern sich selbstständig machen würde.

Kim Kielsen war dazu im Herbst zu Gesprächen mit potentiellen Investoren in Peking. Dort fanden Gespräche mit Politikern, darunter dem Außenminister, mit der China Mining Association, der Interessenvertretung chinesischer Bergbauunternehmen und dem Technologie-Konzern "China Communications Construction Company" (CCCC).

Neben der Fischerei und Tourismus soll aufgrund der zunehmenden Schneeschmelze der Rohstoffabbau dem Land als wichtige Erwerbsquelle dienen. Doch bislang sind nur kleinere Bergbauunternehmen wie die britische "Bluejay Minig" in Grönland aktiv. Denn lange standen niedrige Rohstoffpreise auf dem globalen Markt und lokale Probleme wie eine umständliche Bürokratie und mangelnde Infrastruktur einem profitablen Abbau im Wege. Nun sind auch größere Bergbaugesellschaften dazu bereit, nach den Wahlen in Grönland zu investieren.

Zur Lösung der logistischen Probleme sollen drei Flughäfen gebaut werden. Dabei gilt "China Communications Construction Company" (CCCC) als Favorit, bislang sind noch weitere fünf Firmen aus Dänemark, den Niederlanden, Island und Kanada offiziell im Rennen.

Die USA betrachten Grönland als sicherheitspolitisches Einflussgebiet und das NATO-Mitglied Dänemark als Garanten dafür

Chinas Idee, eine Art neue Seidenstraße zu schaffen, eine weltweite Handelsroute und auch Handelsordnung, ist gerade ein Thema, das international diskutiert wird. Vor allem seit China im Februar von einer künftigen "polaren Seidenstraße" sprach, obwohl das Land weit weg von der Arktis liegt. Hinweise dazu bilden auch die Errichtung einer großen diplomatischen Vertretung Chinas in Island sowie die Verbesserung der Beziehungen zu Norwegen. Ein unabhängiges Grönland wäre in der Arktis der schwächste unter den nördlichen Staaten - und so die beste Option, sich dort positionieren.

Tasiilaq in Ostgrönland. Bild: Maxpixel.net/gemeinfrei

Noch im Jahr 2016 blockierte der dänische Premierminister Lars Løkke Rasmussen einen chinesischen Investor, der die verlassene Marinebasis Grönland in Südgrönland übernehmen wollte. Nach Angaben einer inoffiziellen Quelle von Reuters will die dänische Regierung auch den Flughafenauftrag an CCCC mit einem Veto belegen. Bei einer Unabhängigkeitserklärung im Nordatlantik wäre dies jedoch nicht mehr möglich. Von daher sind die Berichte nach der Wahl, dass es Kielsen mit der Unabhängigkeit langsam angehen will, mit Vorsicht zu genießen - der Bau der Flugplätze soll schon Mitte 2018 beginnen.

Sören Espersen, der stellvertretende Vorsitzende der rechten Dänischen Volkspartei, die die konservativ-liberale Minderheitsregierung in Kopenhagen stützt, warnt: "Lasst uns (die Chinesen) gleich stoppen, anstatt die Demütigung zu ertragen, wenn uns die Amerikaner dazu auffordern, sie zu verhindern."

Die USA betrachten Grönland, das geographisch zu Nordamerika gehört, als ihr sicherheitspolitisches Einflussgebiet und das NATO-Mitglied Dänemark als Garanten dafür. Seit den 50 Jahren wird im Norden die Thule-Militärbasis unterhalten, eine geheime Militärbasis namens "Camp Century" bohrten die Amerikaner in den 60er Jahren ins Eis und hinterließen radioaktives Wasser und Dieseltanks.

Bislang scheinen die USA den chinesischen Ambitionen keine große offizielle Aufmerksamkeit zu schenken, sagt zumindest Andrew Holland, ein von CNBC interviewter Sicherheitsexperte, die Region des Südchinesischen Meeres sei für die US-Politik bedeutender.

Die USA dürften nicht mehr länger schlafen, wird in "The National Interest" gemahnt. Dort rät man zur Eröffnung eines Konsulats in der grönländischen Hauptstadt Nuuk, um den US-Einfluss besser durchzusetzen.

Dänemark, das Grönland seit 2009 weitgehende politische Freiheiten ließ, bleibt wegen der weltgrößten Insel ein wichtiger Ansprechpartner der USA. Auch von anderen Staaten hat das Land wegen Grönland größere Bedeutung, als wenn es keinen Einfluss im Nordantlantik hätte.

Allgemein gilt in Grönland Island als Vorbild, dass sich 1944 von Dänemark löste. Für die Schnelligkeit der Verhandlung mit China ist noch von Bedeutung, ob die sozialistische Partei "Inuit Ataqatigiit" sich weiterhin an der Koalition beteiligt. Für diese sind Umweltschutzfragen von größerer Bedeutung, auch will sie mehr Geld zur Bekämpfung sozialer Probleme wie Alkoholismus, die hohe Suizidrate und Kindesmissbrauch investieren. Auch diese Partei unter Sara Olsvig fordern die Unabhängigkeit und eine Verdrängung der dänischen Sprache durch Englisch. Dass die dänische Sprache als zweite Amtssprache bei Arztbesuchen manchmal notwendig ist, ärgert diejenigen, die sie nicht beherrschen.

Die grönländische Künstlerin Julie Hardenberg macht derzeit in den dänischen Medien die Runde, da sie aus der dänischen Fahne eine Zwangsjacke gebastelt hat. Ob das Land ohne eine Zwangsjacke auskommen wird und welche Farbe diese haben wird, bleibt eine spannende Frage.